eingestellt am 11.9.2024
Am 1. September 1983 eröffnet in Lich das Kino Traumstern, es ist auch mehr als vierzig Jahre später ein kleines, linkes Provinz- und Programmkino.
In den Monaten davor hatte ich Kontakt zur Unterstützergruppe rund um das Kernteam bekommen, es gab Überschneidungen mit der Ortsgruppe des BDP (Bund Deutscher Pfadfinder*Innen), die ich im zurückliegenden Sommer bei einem Anti-Atom-Camp ins Wendland begleitet hatte. Zu diesem Zeitpunkt studierte ich Sozialpädagogik und verdiente mir als freischaffender Schreiner ein kleines Zubrot. Da lag es nahe, die Theke für den Eingangsbereich zu bauen. Oder zumindest den größten Teil davon, die Schubladen übernahm ein anderer Freund, der das Schreinern auch gelernt hatte. Die Theke war schwarz-gelackt und gäbe es hier ein Foto von ihr, müsste ich unbedingt anmerken, dass sie das einzige Werkstück jemals war, dass von mir gelackt wurde. Aber zugegeben, Fichte-geölt hätte nicht ins Ambiente des Foyers gepasst.
Ich erinnere gut die letzten Tage vor der Eröffnung, große Hektik und große Zweifel, ob wir denn mit all dem, was noch zu tun war, rechtzeitig fertig würden. Unvergessen auch die Aktion, in der wir im noch unbestuhlen Kino auf hohen Gerüsten die Sterne an die Kinodecke malten, die auch mehrere Jahrzehnte später dort noch zu sehen sind.
Ein Jahr nach der Eröffnung war ich immer noch Teil der Unterstützergruppe, in der jeder alles tat, Karten abreissen, Süßigkeitenmischungen von Hand zusammenstellen und in Tüten füllen, das Programm layouten oder den Müll zwischen den Stuhlreihen herausfischen.
In diesem Zusammenhang habe ich mich dann erstmals gedruckt gesehen. Der Schriftzug des Monatsprogramms wurde verändert und einige – leider nicht rekonstruierbare – Zeit hatte es eine blasige Anmutung, wie sie in dieser Szene und im Jahrzehnt davor durchaus Mode war.
Der veränderte Schriftzug war von mir, worauf ich damals sehr stolz war und, sonst müsste das hier nicht gezeigt werden, auch immer noch bin. Später wurde dann nochmals auf den bis heute verwendeten Schriftzug geändert.
Ich weiß nicht mehr genau, wie lange ich genau zur Traumstern-Crew gehörte, aber ich weiß, dass ich meine Mitarbeit beendete, als sich das Kino finanziell trug und für die bis dahin unentgeltliche Arbeit eine kleine Anerkennung gezahlt wurde. Ich wollte keine finanzielle Anerkennung, wie klein auch immer, für mich änderte das den Charakter meiner Mitarbeit. Vielleicht fühlte ich mich dadurch ein kleines bisschen zu verpflichtet und in der Verantwortung.
Später habe ich für dieses Phänomen in irgendeinem Psychologie-Aufsatz auch einen Namen gefunden, den ich leider wieder vergessen habe. Aber es geht nicht nur mir so, das ich für Geld nicht tun kann, was ich freiwillig und unbezahlt gern tue.
Update (13.11.0224): Gerade wiedergefunden, das Phänomen heißt Korrumpierungseffekt und bedeutet in Kürze, dass intrinsische Motivation durch extrinsische Anreize untergraben – korrumpiert – werden kann. Es gibt verschiedene Ideen, wie das geschieht, bei mir sehe ich am wahrscheinlichsten den Ansatz am Werk, der den Zusammenhang zwischen wahrgenommener Selbstbestimmung bzw. Kontrolle betont. Meine intrinsische Motivation sinkt massiv, sobald ich äußere Einflussnahme oder gar Kontrolle wittere. Bezahlung könnte ein Punkt sein, der mich an meiner Selbstbestimmung zweifeln und weniger motiviert sein ließe.