Mailwechsel um Buddhismus und Arbeitlosigkeit

Gelegentlich besuche ich die elektronischen Entsprechungen der „Er-sucht-Sie-Rubrik“ im Kleinanzeigenteil des Stadtmagazins. Und noch gelegentlicher ergibt sich daraus ein Mailwechsel. Gelegentlichst dann ein Mailwechsel, der in den Ich-heb-das-mal-auf-weil-ich kein-Tagebuch-mehr-schreibe-Ordner kommt. Das Folgende ist so ein Mailwechsel. Weil das hier der Buddhablog ist, habe ich alles herausgekürzt, was nicht mit Buddhismus oder Arbeitslosgkeit zu tun hat. Wie beides zusammenhängt – oder auch nicht – ist Teil des Dialogs.

Die beteiligte Frau habe ich Olivia genannt, weil dieser Name bei mir die gleichen Assoziationen auslöst wie ihr Pseudonym. Unser Dialog scheiterte an einer Unfreundlichkeit, die sich, anfangs nur unterschwellig, in unsere Mails einschlich und gegen Ende deutlich formuliert zu finden ist. Obwohl ich meinen Anteil daran nur erahnen kann, bin ich sicher, dass es ihn gibt.


2007-09-14, Günther

Liebe Olivia,

(…)

Du fragst nach Hobbys. Fangen wir an mit dem, was Du schon weißt. (..) Und dann gibt es den Buddhismus, den ich hier mal mit in die Hobbys aufnehmen will, wenn wir Hobby als Liebhaberei übersetzen. Eine Liebhaberei, die auch viel Zeit in Anspruch nimmt, 3 Abende die Woche und jeden Tag im Schnitt 30 Minuten. Wenn Du nachfragst erzähle ich gerne mehr davon.

(…)Ich lese, ich lese viel und ziemlich breit gestreut. Gerade jetzt zum Beispiel liegen hier herum: (…), „Herzensunterweisungen eine Mahamudrameisters“, Buddhismus zum Nachmachen, (…).

(…)Hannah (meine Tochter) denkt an Auszug, wenn auch mehr in der Möglichkeitsform. Spätestens in einem halben Jahr, d.h. wenn sie 18 ist, werde ich sie in diesem Entschluss auch unterstützen. Danach bin ich wieder frei und habe dann 2 Optionen in der engeren Auswahl, entweder zurück auf den Platz oder in eine Buddhisten-WG mit angeschlossenem (Meditations-)Zentrum.

Tja, jetzt habe ich so viel von meinem Leben beschrieben, dass ich nicht drum herum komme, ein Thema anzusprechen, das ich gerne noch bis zur nächsten Mail aufgeschoben hätte. Aber eigentlich klar: so ein Leben kann man nur führen, wenn man arbeitslos ist. Lohnarbeitslos zumindest, den beschäftigt bin ich und manches macht auch Mühe. Und, weil Du gefragt hast, auch die Reisen waren nur möglich, weil ich auf irgendwelche Jobs keine Rücksicht nehmen mußte.

Jetzt möchte ich erstmal ganz schnell von dem Thema Arbeitslosigkeit weg, es lädt dazu ein sich zu rechtfertigen oder trotzig zu glorifizieren, beides ist unangemessen. Ich merke, ich brauche erstmal Rückmeldung von Dir. Ich kann kein bisschen abschätzen, wie das Geschriebene auf Dich wirken wird. Ich hoffe, die Künstlerin, die Philosophin wird nicht zu konservativ sein. Ich weiss, dass viele von dem, was ich geschrieben habe, zu Vorurteilen einlädt und komme mir doch so normal, manchmal fast langweilig, vor.

Viel Freude
Günther


2007-09-18, Olivia

Hallo Günther,

ich weiß gar nicht so recht wo ich mit meiner Antwort anfangen sollen. (…)

Was nun deine und meine Lebenssituation an geht, so hat mein Bankkonto auch schon wesentlich schlechtere Zeiten erlebt. Ich bin irgendwann an einem Punkt angekommen, wo ich mich entscheiden musste, welchen Weg ich gehen will …. ob es der Richtige war, kann ich dir nicht sagen. (…)

Was den Buddhismus angeht, so denke ich, dass das schon etwas mehr als Liebhaberei ist. Für mich ist eher eine Lebenseinstellung. Ein Gedanke ….. den ich selber zum Teil manchmal denke ….. allerdings nicht bis zum Schluss lebe. Sagt dir „Ani Choying Dolma“ etwas. Mein Patenkind lebt in ihrer Schule. Da ich selber keine Kinder habe und auch keiner Kirche angehöre, versuche ich so meinen Teil an gesellschaftlicher Verantwortung zu übernehmen.

Du schreibst, dass du arbeitslos bist. Was bist du denn von der Ausbildung her? Mit Pädagoge … aus deinem Profil …. kann ich nicht so ganz viel anfangen. Fällst du bereits unter Hart 4?

(…)

Bis denn
Olivia


2007-09-19, Günther

Liebe Olivia,

heute endlich ist Zeit genug und es hat sich ja auch ziemlich viel angesammelt. (…)

Du schreibst: „Was nun deine und meine Lebenssituation an geht, so hat mein Bankkonto auch schon wesentlich schlechtere Zeiten erlebt.“ Es ist oft so, dass die erste Assoziation mit der Lebenssituation eines Arbeislosen das Geld betrifft. Interessanterweise ist das nicht, zumindest für mich nicht, der Punkt, der am meisten drückt. Ich komme mit wenig aus, fand es eine Zeit lang sogar erstrebenswert, mit wenig auszukommen, und glaube Studien die besagen, dass Geld haben oder nicht haben oberhalb der Armutsgrenze keinen Einfluß auf die Lebenszufriedenheit hat. Das wirkliche Problem (wenn einem daran liegt Probleme zu definieren) ist der Statusverlust. Wie auch immer man menschlichen Wert bemisst, der Arbeitslose scheint auf dieser Was-auch-immer-Skala ein paar Punkte unter normal zu liegen. Die Menschen haben zu Arbeitslosen ihre Bilder im Kopf und schauen dann nicht mehr hin, was mit dem Einzelnen, sprich mit mir, ist. Ich will das Thema hier nicht unangemessen vertiefen, nimm´s als Wunsch an Dich, etwas genauer hinzuschauen. Du schreibst es ja selbst, der Beruf, der Dich ernährt nimmt Dir zugleich sehr viel Deiner Zeit. Zeit zu haben ist einer der größten Vorteile von Arbeitslosigkeit. Wenn es gelingt, diese Zeit produktiv zu nutzen, entsteht auf die eine oder andere Weise auch wieder gesellschaftlicher Nutzen. Genug davon.

(…)

Womit wir zum entspannten Teil übergehen können. Ja, die Berufsbezeichnung Pädagoge ist etwa so informativ wie Ingenieur, weiss doch jeder, was die tun. Ich habe während meines „Sozial“!pädagogen-Lebens immer nur mit Jugendlichen gearbeitet, zunächst mit drogenabhängigen, dann mit psychiatrisch kranken und schließlich mit „einfach nur schwierigen“ Jugendlichen während der Ausbildung. Zum Teil habe ich mit ihnen zusammen gelebt, zum Teil in unmittelbarer Nähe und zum Teil wars einfach nur ein Job.

So, hier kündigt sich eine Unterbrechung an, demnächst muss ich los zur Umzugshilfe für eine Sangha-Freundin. Stichwort „Zeit-haben“.

————–

Wieder da. Und leider ist es später geworden, als ich plante. Umzugshilfe, Training, nochmal ins Zentrum und sich festgeschwätzt. Von Deiner letzten Mail ist nur noch der Buddhismus offen. „Ani Choying Dolma“ musste ich ausgooglen, sie gehört vermutlich der gleichen Linie des tibetischen Buddhismus an wie ich. Gehört habe ich noch nichts von ihr, obwohl das sicher interessant wäre unter der Fragestellung, ob es irgendwas wiederzuerkennen gibt. Und sicher ist Buddhismus mehr als eine Liebhaberei. Auch mehr als eine Lebenseinstellung, das bliebe zu sehr im Kopf. Eine Lebens“weise“ vielleicht, eine Praxis. Ich habe vergleichsweise lange gebraucht um zu der dürren Erkennntnis zu gelangen, dass es wichtig ist, die überlieferte Lehre nicht nur zu kennen, sondern sie umzusetzen ins eigene Leben. Das gelingt nur in kleinsten Schritten und steter Bemühung. Wenn die Geschichte nicht zur gleichen Zeit ziemlich viel Freude mit sich brächte und immer wieder auch die Erfahrung, dass sich das eigene Leben „irgendwie besser“ anfühlt, wär´ ich vermutlich nicht mehr dabei. Regelmäßig zu meditieren kostet viel Zeit (schon wieder die Zeit), aber ich spüre Entwicklung und das hält mich bei der Stange.

Ein Gedanke gerade noch. Mein Blick auf den Buddhismus ist vermutlich stark durch meinen Beruf, sprich pädagogische oder therapeutische Theorie, geprägt. Auch mit der jüngeren Neurowissenschaft lässt sich der Buddhismus prima zusammenbringen. Und das ist mir schon viel wert, dass Buddhismus so rational angeschaut werden kann.

Viel Freude
Günther


2007-09-20, Günther

Liebe Olivia,

(…)

Das, was [das zuvor angesprochene Engagement] damals für mich war (sind nur 4-5 Jahre, aber es fühlt sich an wie damals), ist in den letzten Jahren der Buddhismus geworden. Mittelpunkt aller sozialen Beziehungen und thematischer Schwerpunkt intellektueller Auseinandersetzung (wenn mans denn so nennen will). Dort wo´s weniger intellektuell ist fangen die Tsatsas an, ursprünglich kleine Tonfiguren oder -reliefs, die heute aus Giesmasse aus dem Bastelbedarf gemacht werden. Was Tsatsas sind und sollen habe ich gerade erst für ein Infoblatt zusammenfassen müssen, das hänge ich einfach an. Interessant ist in dem Zusammenhang mehr, dass ich über meine Beschäftigung mit ihnen mal wieder ein kleines Seminar gehalten habe. Oder alle 4 Wochen eine Gruppe moderiere, die sich zum Ziel gesetzt hat, unser Zentrum in eine größere Wohnung oder ein Haus umzuziehen, möglichst ein eigenes. Meint: anscheinend gehört das zu meinen Fähigkeiten, die immer mal wieder angewandt werden wollen.

(…)


2007-09-23, Olivia

Hallo Günther,

(…)

Meine Assoziation die mit der Lebenssituation „Arbeitslosigkeit“ verbunden ist, hat bei mir sehr tiefe Wurzeln und löst auch sofort Existenzangst hervor. Das hängt mit der Zeit zusammen als ich Sozialhilfe bekommen habe. (…)

In dem Moment wo du in die Mühlen dieser Maschinerie hinein gerätst, bist du abhängig von dem Gutdünken und dem Wohl deines Sachbearbeiters. Ich finde dies zu tiefst erniedrigend. Das Einzige was dich vor dieser Willkür schützt …. aus meinen Augen heraus betrachtet …. , ist selber genügend Geld zur Verfügung zu haben. Da ich während meiner Schulzeit schon 4 Jahre unterhalb dem Existenzminimum gelebt hatte, hatte das Thema Statusverlust für mich keine Bedeutung gehabt. Ich finde es wesentlich entscheidender, ob ich mein Leben selber gestalten darf oder nicht. (…)

So da ich nun ziemlich müde bin und morgen früh wieder raus muss, höre ich den Ruf meines Bettes. Die Fortsetzung auf deine Mail folgt dann später.

Tschüss
Olivia


2007-09-24, Günther

Hallo Olivia,

will schnell ein paar Gedanken zu Deiner letzten Mail notieren, damit sich weniger anhäuft. Wie sehr ich die Dinge doch anders erlebe. Obwohl ich sehr gut weiss, wovon Du schreibst in Deinen Gedichten, ist mir das Umgehen mit Arbeits- und Sozialamt meistens leicht gefallen. Das mag zum Teil auch mit meinem Beruf zusammen hängen, es hilft, wenn man im Vorfeld seine Rechte kennt. Die Sachbearbeiter entscheiden nicht nach Gutdünken oder willkürlich, sondern entlang eigener Sachzwänge und Ermessensspielräume (hier kommen gelegentlich Sympathien und Antipatien ins Spiel). Aber: kein Sachbearbeiter kann Dir auf Dauer vorenthalten, was Dir zusteht.

Was auch geholfen haben mag ist ein freundlicher Umgang mit den „Kollegen“, wenn es wirklich mal Unstimmigkeiten gab, war es immer hilfreich zunächst einmal das Problem verstehen zu wollen (weißt schon, mehr sachlich, davon ausgehen, dass der Kollege ja helfen will, aber aus dem Grund X nicht kann, den es nun zu verstehen gilt). Und einen Sachbearbeiter, mit dem es immer und prinzipiell schwierig war hatte ich nur einmal. Da konnte ich dann nur mit Widersprüchen durchkommen, was aber in der Regel gelang. Es war eher lästig als erniedrigend.

Du schreibst: „Ich finde es wesentlich entscheidender, ob ich mein Leben selber gestalten darf oder nicht.“ Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Den ich aber vermutlich aus einer vollkommen anderen Perspektive anschaue. Denn obwohl ich formal stark eingeschränkt bin in der Wahl meines Aufenthaltsortes und der Möglichkeit zu reisen (da ich ja der Vermittlung zur Verfügung stehen muss) und auch aus finanziellen Gründen manche Optionen einfach keine sind, habe ich durchaus das Gefühl „Entscheider oder Gestalter meines Lebens“ zu sein. Andererseits hatte ich zu Zeiten persönlicher Vollbeschäftigung oft das unabweisbare Gefühl, nicht Herr meines Lebens zu sein. Wer 36-40 Stunden in der Woche arbeitet ist ja auch weit entfernt davon, über sein Leben zu entscheiden. Weder die Lohnarbeit an sich, noch das damit verdiente Geld haben mich zu irgendeinem Zeitpunkt meines Lebens zufrieden gemacht.

Kurz: es scheint mir eher eine Geschmacksfrage, ob ich im Rahmen beschränkter Lebensmöglichkeiten lieber auf Geld oder Zeit verzichte. Dann im Rahmen der limitierten Optionen zufrieden zu werden ist die eigentliche Aufgabe. Und die ist keineswegs einfach.

So, kurz nach sechs, ich muss (will!) zum Training.

Liebe Grüße, viel Freude
Günther


2007-09-26, Olivia

Hallo Günther,

so da ich im Moment hier im Haus Kindersitter bin, komme ich ein wenig zum Schreiben. (…)

Was du über deinen Umgang mit dem Buddhismus schreibst, hört sich für mich sehr schwer …. schwierig an. Ich habe davon sicherlich bei weitem nicht so viel Ahnung als du, aber ich denke, dass die Grundessens recht einfach und alles andere als schwergewichtig ist. Versuche im hier und jetzt zu leben. Strebe gegenüber dir, anderen und deiner Umwelt einen achtsam Umgang an. Übernehme Verantwortung für dich, andere und deine Umwelt. Ich denke, wenn die Mehrheit der Menschheit versuchen würde nach diesen Punkten zu leben, dann wären wir mit dieser Welt schon ein ganz schön großes Stück weiter. Ich bin halt eher der Praktiker als der Theoretiker.

Wo ich dann auch schon bei dem Thema Job angekommen sind. (…)

Ich frage mich, was wäre, wenn man dir jetzt einen Job z.B. in einem Jugendwohnprojekt anbieten würde. Wofür würdest du dich entscheiden? Zeit oder Geld? Verantwortung für deine eigene Existent übernehmen oder lieber frei in den Tag hinein leben? Du merkst vielleicht, dass meine Definition des Buddhismus überall ist und dass hat nichts mit einer Geschmacksfrage zu tun.

(…) bin auf deine Antwort gespannt.

Tschüss
Olivia


2007-09-28, Günther

Hallo Olivia,

eine halbe Stunde bis ich weg muss, Zeit genug zwei der kleineren Themen anzugehen, die Du ansprichst.

(…)

Zeit oder Geld? Zeit, eindeutig. Wäre der hypothetische Job in der Jugendwohngruppe eine Halbtagsstelle könnten wir drüber reden. Zeit und Geld wäre eine Alternative. Die Frage ist immer wieder schwierig. Vor zwei Tagen bekam ich das Angebot drei Tage schwarz zu arbeiten und habe abgelehnt. Und zwar deswegen, weil ich gegenwärtig keinen Wunsch habe, den ich mit dem verdienten Geld befriedigen könnte (bin ich neben allen anderen Macken auch noch phantasielos?). Dies als erster und schwerwiegendster Grund, zweitens ein schlechtes Gefühl und drittens das Wissen, dass es sich um harte körperliche Arbeit gehandelt hätte.

Im Zusammenhang mit Arbeit erwähnst Du die Verantwortung für die eigene Existenz und den Buddhismus. Verantwortung für die eigene Existenz scheinst Du an dieser Stelle synonym zu „sich den Lebensunterhalt selbst verdienen“ zu verwenden. Ich würde das gerne als zwei getrennte Dinge behandelt wissen. Ich übernehme durchaus Verantwortung für das Leben, das ich führe, einschließlich der Tatsache, dass ich es als Lohn-Arbeitsloser führe. An dieser Stelle möchte ich nicht beginnen, das weiter auszuführen bzw. zu rechtfertigen, nur darauf hinweisen, dass Buddhismus generell durch meine Entscheidung (so es denn jemals eine war) noch nicht betroffen ist. Ich komme später nochmal darauf zurück.

Vielleicht ist hier ein kleiner Einschub hilfreich, der beschreibt, was mich denn so abhält, deine Mail gleich und in derselben Ausführlichkeit zu beantworten. Gestern um sechs war ich auf dem Weg zum Zentrum, so die Kurzbezeichnung (…), eine Wohnung die wir als Verein mit cirka 50 Mitgliedern finanzieren. Vor den Meditationen essen wir zusammen und ich war mit Kochen dran. Anschließend gemeinsame Meditation, danach eine Arbeitsgruppe, die ich moderiert habe (wir wollen ein größeres Zentrum und wir wollen kaufen, es geht um die Arbeitsgruppe, die das vorbereitet) und danach noch geschwätzig-unkonzentrierter Ausklang. Zuhause war ich gegen halb zwei. Heute morgen ab elf Meditation … nein, gelogen, aber an Tagen in denen ich nicht vorher spät nachhause gekommen bin, hätte es eine „Medi“ gegeben. So nur Frühstück und Mail checken und vor dieser Antwort hängen bleiben. Demnächst geht es gemeinsam los zu einer Reliquien-Ausstellung in Wiesbaden. Dort werden unter anderem auch Tsatsas gegossen von eben den Menschen, denen ich es beigebracht habe, dort wird auch das Info-Poster hängen, das Du nicht öffnen kannst. Am Abend ein Vortrag und anschließend ein Geburtstagsfest, von dem wir noch nicht wissen, ob wir es in Wiesbaden auf der Dharma-Party oder doch lieber im heimischen Zentrum begehen wollen. Wie auch immer, es wird spät werden. Am Tag darauf mittags ist schon wieder Umzugshilfe angesagt, bei einem Verein von 50 Leuten zieht eigentlich immer einer gerade um. Kurz, ich bin beschäftigt mit Dingen, die mal eindeutig Freizeitcharakter haben und sich ein anderes Mal doch mehr wie Arbeit anfühlen.

War jetzt doch etwas mehr und ich bin spät dran. Bis morgen abend an dieser Stelle.


2007-09-28 (doch noch der gleiche Abend), Günther

Liebe Olivia,

(…)

Themawechsel, wer kein Geld hat, muss das mit den diversen Lebensängsten irgendwie anders in den Griff bekommen. Ich empfehle Buddhismus oder eine andere Religion ihres Vertrauens. Du beschreibst Buddhismus mit einigen wenigen Worten: „Versuche im hier und jetzt zu leben. Strebe gegenüber dir, anderen und deiner Umwelt einen achtsamen Umgang an. Übernehme Verantwortung für dich, andere und deine Umwelt.“ Das alles ist enthalten, allerdings nicht nur im Buddhismus sondern in vielen spirituellen Wegen und Religionen. Die Essenz sehe ich dort angedeutet, wo Du (unter anderem) von Achtsamkeit gegenüber sich selbst schreibst. Diesen Punkt will ich betonen, weil er wichtig ist. Mit ihm beginnt und endet Buddhismus.

Gerade habe ich nochmals meine Mails durchgelesen um herauszufinden, wie der Eindruck entstanden ist, Buddhismus, so wie von mir beschrieben oder ausgeübt, sei schwierig oder schwer (hier eher emotional gefärbt). Vielleicht sind es Worte wie „stete Bemühung“ oder „Umsetzung in kleinsten Schritten“. Ja, das klingt schwierig und ist es auch, aber nicht in einem schwermütigen Sinn.

Puuh, ich habe jetzt bestimmt 10 Minuten da gesessen und überlegt, wie ich weitermache um 1. nicht belehrend und besserwisserisch rüberzukommen und 2. nicht eine allzu umfangreiche Einführung in den Buddhismus abzuliefern (die dich möglicherweise ja gar nicht interessiert, Rückmeldung erbeten). Ich will mich auf einen Punkt beschränken: Meditation. Meditation ist eines von drei Standbeinen buddhistischer Praxis, die zwei anderen sind das Kennen buddhistischer Belehrungen und die Umsetzung in den Alltag. Meditation, Belehrungen und Verhalten stützen und vertiefen sich gegenseitig.

Was will Meditation? Du sollst erkennen, wie Du tickst! Weniger flapsig ausgedrückt geht es um „die Erkenntnis der Natur des eigenen Geistes“, wer große Worte mag spricht von Erleuchtung. Erleuchtung ist das Ziel aller buddhistischen Schulen, wo auch immer auf der Welt. Und Meditation ist der Weg, der dorthin führt. Buddhismus ohne Meditation gibt es nicht. Meditation ist buddhistische Praxis.

Dort wo Du Dich als Praktiker beschreibst, tust Du das auf der Verhaltens- oder Umsetzungsebene. Und Du hast recht, wenn alle sich so verhalten würden, wären wir und der Planet ein ganzes Stück besser dran. Aber wir wären nicht alle Buddhisten.

Und nun gilt es innezuhalten und mal kurz nachzuschauen, was sich gerade abspielt. Ich habe Deine Mail gelesen und sie in etwa so aufgefasst: Lieber Günther, Du bezeichnest Dich zwar als Buddhist, aber Du verhältst Dich so und so und das ist doch gar nicht buddhistisch! Worauf hin ich erstmal einschnappe und Dir zeige, wer hier besser im buddhistischen Sattel sitzt. Ich nämlich, und ich sag Dir, bei mir ist alles im buddhistischen Lot!

Obiges der Verdeutlichung wegen überspitzt formuliert. Aber Deine Beobachtung ist natürlich richtig, ich bin nicht frei von inneren Widersprüchen. Andererseits besteht der Widerspruch nicht in Selbstverantwortung versus Arbeitslosigkeit, sondern darin, dass ich mich immer noch damit anstechen lasse. Bedeutet, dass ich an der Stelle längst nicht so abgeklärt bin, wie ich es gerne wäre.

(…)

Viel Freude
Günther


2007-10-07, Olivia

Hallo Günther,

(…)

Erneut ein Themenwechsel …. zurück zum Buddhismus. Ein Standbein der buddhistischen Praxis ist ja auch das Streitgespräch und hier will ich noch einmal anknüpfen. Im Grunde hast du in deiner vorletzten Mail versucht dich dafür zu rechtfertigen, warum du eigentlich überhaupt keine Zeit hast, um dir selber deinen Lebensunterhalt zu verdienen. Okay, auch ich könnte mit meiner Zeit etwas besseres anfangen als meinen Lebensunterhalt selber zu verdienen. Dafür habe ich viel zu viele andere Interessen. Für mich fühlt es sich aber ziemlich schäbig an, wenn jemand der im Grunde die Möglichkeit hätte sich selber seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sich auf Kosten des Sozialsystems durch hängen lässt. Ich halte es ferner für sehr widersprüchlich, wenn du dich auf der andern Seite als ein Menschen beschreibst, der sehr an sozialer Verantwortung interessiert ist. Das passt für mich hinten und vorne nicht zusammen.

Zu dem folgenden Absatz „Dort wo Du Dich als Praktiker beschreibst, tust Du das auf der Verhaltens- oder Umsetzungsebene. Und Du hast recht, wenn alle sich so verhalten würden, wären wir und der Planet ein ganzes Stück besser dran. Aber wir wären nicht alle Buddhisten.“ möchte ich nur auf ein … ich glaube arabisches ….. Sprichwort verweisen „Der Weg ist das Ziel“. Für mich ist es nicht wichtig, ob alle Menschen Buddhisten werde. Ich halte es für wichtiger, dass diese Welt als friedliche, ökologische und ökonomische Lebensgrundlage für den Menschen erhalten bleibt und alle Menschen hierin auch „Ihren“ Platz finden.

Wenn du schreibst, „…… dass ich mich immer noch damit anstechen lasse….“ zeigt dies mir, dass dein Gefühl für Gerechtigkeit offensichtlich noch nicht ganz abgetötet ist. Wenn du schreibst „…. dass ich an der Stelle längst nicht so abgeklärt bin, wie ich es gerne wäre.“, so wünsche ich deinem übrig gebliebenen Gefühl für Gerechtigkeit viel Glück zum Überleben in dir …. damit es dir noch häufig Sand in dein geistiges Getriebe werfen kann.

Sorry, dass du solange auf meine Antwort hast warten müssen. Ging aber nicht früher.

Tschüss


2007-10-14, Günther

Hallo Olivia,

auch bei mir hat´s nun etwas länger gedauert mit der Antwort. Was zum einen sicher daran lag, dass ich ziemlich viel um die Ohren hatte und zum anderen daran, dass ich unsicher war, wie und worauf ich nun antworten sollte. Da gibt es den ersten Teil, der sehr ausführlich und ernsthaft auf meine Fragen eingeht (fast könnte man sagen „sie abarbeitet“) und dann den zweiten, kürzeren Teil, in dem du vergleichsweise hart mit mir ins Gericht gehst. Oder, anders ausgedrückt, so offen und klar formulierst, dass darüber das grundsätzliche Wohlwollen nicht (mehr) spürbar ist, das ich mir von jedem Gesprächspartner wünsche und auch voraussetze. Kurz: ich habe für mich erst klären müssen, ob ich diesen Briefwechsel fortsetzen möchte.

(…)

Und weil mir jetzt mal wieder die Zeit etwas knapp wird. Der erste, ausführliche Teil deines Briefes ist sehr ehrlich und Du gibst sehr viel von dir darin preis. Für diese Offenheit bin ich dankbar und sie macht, dass ich „sitzenbleibe“ und dir weiter „zuhöre“. Du schreibst von dem, was dich geprägt hat und das mildert etwas die Verhärtungen, die ich in einigen Passagen wahrnehme (oder vielleicht auch nur hineinlese).

Ich muss jetzt los, beide sind dran, wer halt zuerst Lust und Zeit zum Schreiben hat.

Liebe Grüße
Günther

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert