Mittlerweile werden wir als Publikum sogar von Comedians zur Vorsorgeuntersuchung geschickt, das muss – vom Ergebnis her betrachtet – nicht zwangsläufig lustig sein. Wie überhaupt der ganze Vorgang des Prostataabtastens sehr verschieden erlebt werden kann. Während das manche als mögliche Bereichung ihrer Sexualpraktiken erkennen können, ist es für andere so gut wie der Stock im Arsch. Gerade Mitgliedern der letztgenannten Gruppe sollte dann trotzdem eindringlich zur Vorsorgeuntersuchung geraten werden. Die ist ab 45 Jahren einmal jährlich kostenlos. Kostenlos, das, wenn nichts anderes, sollte doch motivieren.
An dieser Stelle aber erstmal Schluß mit lustig, im folgenden erfahrt Ihr (teils langweilig, teils drastisch) Dinge, die Ihr so genau nicht wissen wolltet. Andererseits , Ihr müsst ja nicht
Um es abzukürzen, mein Urologe hat bei mir etwas ertastet, das er der weiteren Erforschung für würdig hielt. Sobald das geschieht wird aus der Selbstzahler-Leistung „Bestimmung des PSA-Wertes“ eine Kassenleistung. Das Prostata-spezifische Antigen (PSA) wird ausschließlich in der Prostata gebildet und ein erhöhter PSA-Spiegel im Blut kann auf ein Prostatakarzinom hindeuten. Als Schwellwert, der eine weitere Untersuchung mittels MRT nahelegt, gilt ein Wert von 4 ng/ml. (Karzinom-Wahrscheinlichkeit 20%), mein PSA-Wert lag bei 7,07 ng/ml..
Mit einigem zeitlichen Versatz wurde eine MRT durchgeführt, deren Bilder dann auch bestätigten, was der kundige Finger schon wußte, da ist „etwas“. Dieses Etwas als Karzinom zu bezeichnen, haben sich bis jetzt weder der die MRT nachbesprechende Arzt, noch mein Urologe getraut. Ob sie nicht wollen, nicht dürfen oder einfach nur sehr, sehr genau sind, mich macht das unzufrieden – weil ich ihre Besorgnis ob des Ergebnisses spürte. Eine Biopsie sei erforderlich um genauere Ergebnisse zu bekommen.
Nun gibt es den schriftlichen Befund, dem es einerseits zwar an umgangssprachlicher Verständlichkeit mangelt, der andererseits aber dem kundigen Suchmaschinennutzer nichts vorenthalten kann. Und während unsereins auf den MRT-Bildern nicht wirklich viel sieht, weiß der geübte Blick durchaus etwas zu erkennen und einzuordnen. In Bezug auf die Prostata heißt das Einordnungsschema PIRADS (Prostate Imaging Reporting and Data System) und taucht dann auch im Befund auf.
Das PIRADS definiert klare Kriterien zur Klassifikation von MRT-Untersuchungen. Dabei sind die Klassifikationen in 5 sogenannte „Scores“ eingeteilt: von Score 1, bei dem ein klinisch signifikantes Karzinom sehr unwahrscheinlich ist, bis zu Score 5, bei dem das Vorliegen eines klinisch signifikanten Tumors sehr wahrscheinlich ist.
Bei mir sind zwei „Stellen“ zu sehen, die im Rahmen der Klassifikation ganz unaufgeregt mit 4 und 5 bewertet werden. Gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen.
Zumindest nichts, das aus einer Wahrscheinlichkeit eine Sicherheit machen könnte. Oben schon angedeutet, das kann nur eine Biopsie, verharmlosend mit der Entnahme einer Gewebeprobe umschrieben, so als ob man die mal eben ins Taschentuch husten könnte. Im wahren Leben kommt dabei eine mehr als fingerlange Nadel zum Einsatz, die mehr als einmal vom Damm aus in Richtung Prostata geführt wird. Damit das nicht zuviel gestocher wird, werden die vorhandenen Bilder aus der MRT mit einem Ultraschallbild Live aus dem Enddarm fusioniert und irgendwie als Zielhilfe benutzt. „Irgendwie“, weil ich bei der genaueren Erklärung gedanklich noch bei den Nadeln war. Fun-Fact: obwohl für den Laien bei dem Eingriff die Nadeln deutlich im Vordergrund stehen, heißt er trotzdem nach dem bildgebenden Verfahren MRT-Fusionsbiopsie.
Letztlich war der Eingriff dann weniger schlimm, als sich das alles anhört und ich konnte ihn auf den Monitoren des Operierenden mitverfolgen. Wie beim Zahnarzt war das Setzen der Betäubungsspritzen der schmerzhafteste Teil, danach gab’s (fast) nur noch dumpfe Druckgefühle. Insgesamt wurden 19 Stanzen bei mir entnommen, eine jede begleitet von einem schnappenden Geräusch, ähnlich wie es eine Entlötpumpe oder eine leer zuschlagende Mausefalle macht. Damit ich nicht erschrecke wurde das Geräusch jeweils angekündigt. Ganz allgemein bin ich mit der Kommunikation während der OP sehr zufrieden. Jeder der einzelnen Schritte wurde mir mitgeteilt, zwischendrin gab es immer mal wieder Rückfragen, wie sich dieses oder jenes anfühlen würde oder ob noch alles okay sei. Insgesamt würde ich sagen, dass wir gut zusammengearbeitet haben.
Während und für die Nachbetreuung bekam ich – unproblematisch und schmerzfrei – einen Blasenkatheder gelegt, der sich während des späteren Ziehens als der unangenehmste Teil der Unternehmung erwies. Den gesamten Rest des Tages brannte die Harnröhre noch beim Wasserlassen. Der Damm, von dem ich ob der mehrfachen Perforationen mehr und schwierigere Reaktionen erwartet hätte, war nur sehr leicht druckempfindlich. Und das war’s dann auch schon.
Fast Forward, zehn Tage nach dem Eingriff bemerke ich bei passender Gelegenheit, dass mein Sperma dunkelbraun ist. Nach einem ersten Schreck denke ich mir, das jede Drüse bluten darf, in die 19mal hineingestochen wird. Und dass das vermutlich schnell wieder klarer wird. Am nächsten Tag abends überprüfe ich das und bin mit der Aufhellung unzufrieden. Die folgende Nacht ist meine Aufmerksamkeit deutlich in der Leistengegend, es zieht ein wenig, wenig genug um unsicher zu sein, ob es überhaupt zieht. Könnte da irgendetwas sein? Ja, nein, weiß nicht. Am nächsten morgen ist das Internet ausgefallen (Wasser im Router), ich bleibe uninformiert und bin besorgt; andererseits nicht besorgt genug, um den Gang zum Doc nicht noch einen Tag aufzuschieben, an dem ich dann auch nicht gehe. Aber ich erzähle es Menschen, denen ich vertraue und muss im Anschluss versprechen am Tag darauf zum Doc zu gehen.
Google-sei-Dank kommt abends dann von einer der Vertrauenspersonen die Entwarnung: Abiturienten sagen zu Blut im Sperma Hämospermie und die kommt nach einer Biopsie bei 4 von 5 Männern vor, gerne auch mehrere Wochen. Ich bin beruhigt.
Dennoch ärgert es mich, dass mich niemand im Vorfeld gewarnt hat. Oder besser: den Punkt nicht mehr betont hat, denn – ich habe das gerade noch einmal nachgesehen – in der Patienteninformation, die ich auch unterschreiben musste, ist Hämospermie durchaus erwähnt. Dort steht: „Vorübergehend, in Einzelfällen auch mehrere Wochen lang, kann der Samenflüssigkeit (Sperma) Blut beigemengt sein, dies Bedarf aber in der Regel keiner weiteren Behandlung.“ Das ist mindestens so beruhigend, wie es verharmlosend ist. „Blut beigemengt“ ist nicht das, was mir durch den Kopf geht, wenn mein Sperma in gleichmässig durchgefärbten dunkelbraun von der Eichel tropft. Sorry Leute, ich kenne das mehr aus Horrorfilmen, das dunkle Flüssigkeiten unerwartet aus nicht dafür vorgesehen Körperöffnungen fließen. Das ist, zumindest einen ganz kleinen Moment lang, schockierend. Und darauf wäre ich gerne vorbereitet gewesen.
18 Tage nach dem Eingriff bekomme ich im Rahmen einer Nachbesprechung das Ergebnis der Biopsie mitgeteilt. In 10 der 19 Proben wurden Krebszellen entdeckt, der Gleason-Wert beträgt 7.
Dieser Wert gibt Auskunft darüber, wie aggressiv die Krebszellen wachsen. Ein Gleason-Score bis sechs steht für einen langsam wachsenden Tumor. Ein Gleason-Score von acht oder höher hingegen weist auf eher aggressive Krebszellen mit einem schnellen Wachstum hin. Der beratende Doc spricht von einem mittelgradig agressiven Tumor.
Die wichtigste Aussage: Soweit MRT und Blutwerte darüber Auskunft geben können, hat der Krebs noch nicht gestreut und ist „heilbar“. Es gibt zwei Optionen, Operation oder Bestrahlung, die beide im Zuge der Heilung nebenbei noch viel zerstören und noch viel, viel mehr zerstören können. Sage ich nach oberflächlicher Recherche. Der Doc sagt das nicht, er ist ganz voll professioneller Zuversicht. Und er geht locker mit, als ich ihm sage, dass ich sehr zur Bestrahlung hin tendiere. Ich bekomme einen Erst- bzw. Beratungstermin in der strahlentherapeutischen Abteilung, damit bin ich zufrieden.
Leider gibt es noch keinen endgültigen Befund, dafür müssen sich erst noch ein paar Medizinmänner zusammensetzen und beraten, um dann einen entsprechenden Behandlungsvorschlag zu geben. Aber, sagt der Doc, der Vorschlag wird kein anderer sein als seiner, weil bei mir keine Besonderheiten vorliegen. Auch schön. Demnächst dann mehr dazu und vermutlich auch zur Bestrahlung (ein Ersttermin zur Besprechung ist schon vereinbart).