24857 – Worte im Versmaß: Senryū

Es scheint ein sehr altes Phänomen zu sein, dass junge Männer Gedichte schreiben. Und es sind keineswegs nur die Weicheier, die das tun. Jeder semi- oder ganzgängsterige Rapper ist nichts anderes, ein junger Mann, der Gedichte schreibt.
 
So auch ich, als junger und als mittelalter Mann. Worte im Versmaß haben mich aber nie lange halten können, sie waren immer nur eine vorübergehende Knobelei. Die Ergebnisse sahen ungefähr so aus:
 
Einfach nur Stille

ist mein Schweigen – glaube mir,
ich verschweige nichts.

Denkt Ihr beim Versmaß von 5-7-5 Silben auch als erstes an ein Haiku? Ich zumindest habe jahrelang geglaubt, dass ich Haikus schreibe. Solange jedenfalls, bis ich irgendwo las, dass Haikus sich vorwiegend mit Naturphänomenen beschäftigen, während es zugleich eine eigene Bezeichnung für Verse im gleichen Maß gibt, die sich eher mit menschlichen Erfahrungen, Emotionen und sozialen Situationen beschäftigen: Senryū.

Ich schrieb Senryūs –
Oh! Plural und Aussprache
sind mir unbekannt

Damals konnte ich mir den Namen nicht merken, heute habe ich ihn recherchiert und bei dieser Gelegenheit andere spannende Reimereien aus Japan entdeckt, die in ferner Zukunft vielleicht mal hier besprochen werden. Als einen kleine Ausblick darauf gibt es zum Abschluss ein Ketten-Senryū, eine Gedichtform, die ich gerade erfinden musste, weil die Japaner für ihre Kettengedichte ein anderes Versmaß verwenden.


Im Zug

Mein Blick ruht auf Dir
im Zugabteil – und ich denke
Wie schön Du doch bist

Mein Blick ruht auf Dir
im Zugabteil – und Du fragst
Gibt es jetzt eine Note

Ich könnte kotzen
bei soviel Mißverstehen
wenn Du es nicht wärst

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