Mind On Fire 2024

Nach vielen Jahren war ich erstmals wieder auf einem Festival. Und eigentlich wollte ich über das Festival selbst gar nicht so viel erzählen, denn, so dachte ich, wer etwas über das Festival erfahren möchte, kann ja einfach dem Veranstaltungslink folgen. Zeigt sich: schon drei Tage nach dem Festival ist die Veranstaltungsseite nicht mehr verfügbar und nur noch die Ankündigung für das nächste Jahr zu sehen. Mit etwas rumgeklicke habe ich dann doch noch eine Seite gefunden, auf der uns die Veranstalter etwas über den Anspruch des Festivals erzählen.

MIND ON FIRE KULTURFESTIVAL

Unser Festival setzt Zeichen – für einen respektvollen Austausch aller Kulturen, unabhängig von Herkunft oder Religion der Menschen.

Toleranz ist auf Dauer nur auf der Basis von Akzeptanz und gegenseitiger Wertschätzung möglich, wenn man sich aktiv kennen- und verstehen lernt. Unserer Meinung nach geht das besonders gut, wenn man zusammen feiert, zusammen kreativ ist, zusammen Neues schafft – wie auf dem MIND ON FIRE.

In der direkten Begegnung und dem Austausch der verschiedenen Kulturen kann ein neues Verständnis und Bewusstsein füreinander und für sich selbst entstehen.

Als Zielgruppe möchten wir alle kunst-, kultur-und musikbegeisterten Menschen ansprechen, die sich einen multikulturellen Austausch wünschen und gleichzeitig in einer wunderschönen Atmosphäre entspannen und etwas Neues für sich entdecken oder spielerisch erlernen möchten.

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Und jetzt der kaum bearbeitete Auszug aus dem Tagebuch.

1.8.2024, Donnerstag, Mind On Fire, ein Festival
Ich befinde mich in einer Fish-out-of-water-Situation. Vorgestern abend habe ich spontan in gemütlicher Runde zugesagt, mit zum Festival zu fahren. Mein letztes Festival liegt plus/minus zwanzig Jahre zurück. Gestern mehr schlecht als recht das Zeug dafür zusammengesucht und -geliehen. Heute erwache ich in einem ausreichend großen Zelt zu ungewohnt früher Stunde zu ungewohnten Umgebungsgeräuschen. Das ist nicht gänzlich unvertraut, wer jemals auf einem Campingplatz aufgewacht ist, kennt das Setting. Es ist wie damals in Italien auf dem Campingplatz mit den Eltern.

Es ist ähnlich und doch ganz anders. Die Zelte sind hier zum größten Teil Wohnmobile, assozierte Wohnmobile. Ich bin hier als Teil der Gruppe, die ich seit mehreren Jahren auf den Festen von Nachbarin C. erlebe und schätzen gelernt habe. Und mit der ich auch schon einmal im Dome gefeiert habe.

Dennoch fühle ich mich an diesem ersten Morgen fremd und deutlich außerhalb meiner Komfortzone. Das ist zum Teil meiner mangelhaften Vorbereitung zuzuschreiben. Ein Kaffee wäre jetzt gut. Aber dafür bin ich nicht ausgerüstet. Die, die dafür ausgerüstet sind, schlafen noch. Erstmals seit langem wieder eine Situation, in der ich zur Erfüllung meiner wenigen Bedürfnisse mit anderen kooperieren und interagieren muss. Sehr ungewohnt.

Stichwort Bedürfnisse: dass ich mindestens einmal die Nacht auf die Toilette muss, habe ich total ausgeblendet, als ich mich spontan zu fortgeschrittenem Camping bereit erklärt habe. Die Toiletten sind einen kleinen Spaziergang entfernt, danach bin ich wach. Das mag schlimmer klingen, als es ist. Zerstückelte Nächte bin ich auch zuhause gewohnt. Ich lese in solch wachen Zeiten, meist werde ich dann schnell wieder müde und kann weiterschlafen. So auch hier.

Um mich herum erwacht das Leben, langsam nur, ich sehe Menschen vor ihren Zelten Yoga üben, anderen beschäftigen sich mit kleinen Wollarbeiten, wieder andere schreiben, so wie ich. Unsere Tätigkeiten scheinen mir auf seltsame Weise nach innen und nach außen gerichtet. Wir sind für uns und dennoch signalisieren wir, wie wir gesehen werden möchten. Zugegeben, das gilt fast immer, aber heute besonders.

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Wenig später wird es auch in der näheren Umgebung lebhafter. Ich bekomme eine ersten und auch einen zweiten Kaffee angeboten. Das Gefühl der Fremdheit lässt nach. Wir sitzen miteinander herum, sprechen und kommen langsam in den Tag. Jemand (N., aber deren Namen kenne ich diesem Zeitpunkt noch nicht) bringt erste Programmhefte von der Anmeldung mit. Tagsüber werden die verschiedensten Workshops angeboten. Später hole ich mit T. unsere Eintrittsbändchen und wir gehen eine erste Runde über den Platz. Dabei sehen wir einige dieser Workshops im Ablauf, einiges scheint interessant und kommt für morgen auf die Merkliste.

[…]

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Am nachmittag beginnen die Musik-Acts (das sagt man heute bestimmt anders). Das Gelände ist groß genug, die Besucher aufzunehmen, nirgends entsteht der Eindruck von Enge, selbst an den Essens- und Getränkeständen sind die Schlangen überschaubar.

Der eigentliche Eröffnungsact beginnt um 21.30 Uhr. Die Musik ist gut, aber noch mehr mag ich die dazugehörige Lightshow. Leider beginnt es schon sehr bald zu nieseln, ab der Mitte der Show regnet es dann richtig. Ich rette mich rechtzeitig unter einen Sonnenschirm, die Tanzenden werden bereitwillig nass und es gibt trotz Regen drei Zugaben.

Nach der Show findet sich die bis dahin zerstreute Bezugsgruppe wieder zusammen für den mal mehr, mal weniger gemeinsamen Rückweg zum Lagerplatz. Wenigstens ein Gruppenmitglied braucht alkoholbedingt auch eine helfende Hand, wofür sind Freunde da. Bei den WoMos angegekommen geht die gute Laune weiter. Leise, laute, dann wieder leise Musik, es geht noch lange und ich wundere mich, dass die Nachbarschaft das klaglos hinnimmt.

Regenbedingt drängen wir uns unter dem Pavillon (doppelte Größe). Als ich irgendwann etwas in meinem Zelt holen möchte, bemerke ich einen kleinen Wassereinbruch. Es hat ein wenig hereingeregnet, aber gerade regnet es nicht mehr. Ich nehme die kleinen Pfützen mit einem Handtuch auf und hoffe im weiteren auf eine trockene Nacht.

Dennoch treffen wir für den schlimmsten Fall Vorsorge, mir wird in einem Kombi die Gepäckfläche vorbereitet, damit ich zur Not an einen trockenen Ort umziehen kann. Wenn wundert’s, der worst case tritt ein und den zweiten Teil der Nacht schlafe ich im Kombi.

2.8.2024, Freitag
Die Nacht endet nach angemessener aber ungewohnt kurzer Dauer. Diejenigen, die gestern nicht bei den letzten waren, sind heute bei den ersten. Es gibt Kaffee, mehr ist zur Zufriedenheit nicht notwendig.

Um die Mittagszeit fahre ich mit einem geliehenen Fahrrad durch den Wald ins nahegelegene Kleinstädtchen. Ich brauche und kaufe ein paar Lebensmittel, die ich „in die Mitte werfen“ kann. Die Gruppe hat den Brauch, diverse Lebensmittel und zumeist auch das Grillgut in Häppchen zu schneiden und zu teilen. Eine nette Tradition, die ich von C.s Festen schon kannte, nur war ich einkaufstechnisch im Rahmen meiner Vorbereitungen darauf nicht eingetellt. Weswegen mir der nachgeholte Einkauf ein Bedürfnis war.

Auch bei meiner Rückkehr sitzen Menschen im Pavillon, im folgenden finden in wechselden Grüppchen mal mehr, mal weniger ernste Gespräche statt. Ich mag das sehr, wir erfahren etwas voneinander, Kontakte vertiefen sich. Das Durchschnittsalter liegt in der Gruppe cirka zehn Jahre unter meinem, entsprechend findet man unter den Themen nicht nur Beziehungen und Kinder, sondern auch Krankheiten und anderes Ungemach. Wir sind schon sehr, sehr erwachsen geworden.

Manche wechseln vom Kaffee zu alkoholfreiem Bier, gegen Abend auch zu alkoholhaltigem. Irgendwann nehme ich mich heraus, um diese Zeilen zu schreiben.

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Der Rest des Tages vergeht mit mehrfachen Wechsel zwischen unserem Lager und dem Bühnenbereich. Ab 16.30 Uhr gibt es cirka alle zwei Stunden einen anderen Act. Die Bands, die noch bei Tageslicht spielen, haben in der Regel einen ganzen Anteil spielender Kinder im Publikum. Die kleinsten oft ausgerüstent mit einem Gehörschutz, wie ihn Handwerker benutzen, natürlich in Kindergröße. Das ist eigentlich gutes Fotomaterial, aber heh, fremde Kinder fotografieren und in den Blog stellen geht halt gar nicht.

Manche tanzen, andere sitzen und hören nur zu, ich laufe gerne herum und sehe mir nochmal und nochmal an, was es hier an den VERkaufsständen zu kaufen gibt. Dabei bin ich für die meisten Stände nicht wirklich die Zielgruppe. Aber ich mag das beschallte Bummeln und die Stimmung dabei.

Am Abend bekommt man mich nicht nur über die Musik, sondern auch über die Lightshow, die Muster in die umgebenden Baumkronen zeichnet. Wenn die Laser über die Bäume hinausgehen strahlen sie bis zum Horizont. Das ist aber nur zu beobachten, wenn man sich hiter den Bäumen, also auf dem Weg zum Lager, befindet. Ebenfalls, wenn auch aus anderen Gründen, unfotografierbar (ich hab’s versucht).

Die Nacht ist trocken, keine besonderen Vorkommnisse.

3.8.2024, Samstag
Wie in den Tagen zuvor wird am Morgen viel gesessen und geredet. Menschen kommen und gehen in Abhängigkeit von ihren jeweiligen Plänen. Ich nehme heute an einem der vielen Workshops teil, dessen genauer Name hier unwichtig ist, weil er so nicht stattfand. Stattdessen gab es vertretungsweise ähnliches, das ich hier mal „Yoga für Anfänger“ nenne. Ich bin positiv überrascht, was alles noch geht, auch wenn es sich um Anfängerübungen handelt. Angenehm genug, um morgen wieder mitzumachen [Spoiler: geschieht nicht, weil frühere Abfahrt].

Später rumsitzen, spülen, sitzen. Schreiben.

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Gegen fünf beginnt wieder das Bühnenprogramm, leider auch der Regen. Das kommt nicht völlig überraschend, nur zu früh. Mein Plan, vor dem Regen das Zelt abzubauen ist gescheitert, es wird die Nacht im Regen stehen. Mein Schlafsack und mein Gepäck liegen schon trocken in einem kleinen Kastenwagen, den ich die kommende Nacht bewohnen darf.

Die Stimmung bleibt trotz Regen gut, Regenschirme und Ponchos kommen zum Einsatz, gelegentlich setzt der Regen auch aus.

Dennoch, die erste „Abend-Band“ gefällt mir nicht, und als es wieder zu regnen beginnt, gehe ich zum Lager zurück. Dort lese ich solange, bis Wind und Regen stärker werden. Es wird unter dem Pavillon ungemütlich und ich ziehe mich in den Kastenwagen und meinen Schlafsack zurück. Gegen halb elf halte ich es für eine gute Idee, vor der Abschlusszeremonie um zwölf noch ein Stündchen zu schlafen. Ein baumähnliches Gestell wurde in den Tagen zuvor mit persönlichen und überpersönliche Wünschen behängt und sollte zum Abschluss des Festivals angezündet werden.

4.8.2024, Sonntag
Ich wache gegen 3.30 Uhr auf, weil ich pinkeln muss. Die Abschlusszeremonie hat ohne mich stattgefunden. Im nachhinein betrachtet war das erwartbar, die Tage hatten mich erschöpft. Mehr geredet, mehr gehört, mehr erlebt als sonst in einem Monat. Kein Wunder, wenn es da zur Notabschaltung kommt. Aber ich beschwere mich nicht, ich habe das alles sehr genossen.

Ab acht bin ich wach, es ist Abreisetag  und für den Einstieg werde ich, wie schon in den Tagen davor, dankenswerterweise mit Kaffee versorgt. Das Zelt ist nicht nass und nicht trocken, ich packe es ein, wie es ist. Ich werde es später am Tag zum Trocknen in den Dome hängen. Fun fact am Rande, im Beutel mit den Zeltnägeln finde ich zwei Abstandshülsen, die hätten verhindern können, dass das Wasser über die Giebelstange eindrang.

LLT war entgegen ihren ersten Plänen schon in der Nacht in Gießen angereist, sie wird etwas mehr als eine Woche am Platz zu Besuch sein. Deswegen nehme ich gerne eine frühe Mitfahrgelegenheit wahr und bin gegen elf wieder zuhause.

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