24902 – Was ich den ganzen Tag so mache

Meinen StammleserInnen kann ich an dieser Stelle mal in Erinnung bringen, wo eigentlich dieses sperrige „WMDEDGT“ (Was machst Du eigentlich den ganzen Tag) herkommt, mit dem ich meine Monatsrückblicke überschreibe. Es kommt von Frau Brüllen, die seit Jahren schon regelmäßig am fünften des Monats fragt:

You know the drill, right? Es ist der 5., d.h. es heisst wieder „WMDEDGT?“ (kurz und knackig für „Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?“). Heute trifft sich der Freundeskreis Tagebuchbloggen sozusagen hier und verlinkt sich in der Liste unten.

Das ganze hat im April 2013 seinen Anfang genommen in einer Tagebuchblogwoche und hat sich irgendwie verselbständigt.

Die Regeln zum Mitmachen sind einfach:
• über den heutigen Tag tagebuchbloggen (ohne Werbung, ohne Geschwurbel)
• verlinken, mehr dazu findet sich am Ende dieses Posts.

Die Linkliste kommt spät, ich bin verunsichert. Aber es gibt Gründe, Frau Brüllen ist in Urlaub, der Post von gestern verrät uns das. Ich habe bei der Aktion erst einmal mitgemacht, heute sollte das zweite Mal werden, und da kann ich nicht einfach meine Pläne umwerfen. Ich mache weiter, als könnte ich jederzeit aufhören.

Als ich mein monatliches WMDEDGT eingerichtet habe, fand ich das Spiel und die Abkürzung gut. BloggerInnen halten sich beschäftigt und haben Spass dabei. Soweit es mich betrifft sind bei den eingereichten Beiträgen auch immer Blicke weit über den Rand der eigenen Bubble hinaus dabei.

Für die Neuleser, die es jetzt vielleicht von Frau Brüllens Linkliste herüberspült, gerade ist es hier nicht ganz so lustig, okay, so richtig lustig-lustig ist es hier eigentlich nie, also im Moment ist es vielleicht eher unlustig, und das aus Gründen. Die könnt Ihr aus dem Tag heute herauslesen oder auch erahnen, wenn Ihr Euch etwas umschaut auf dem Blog. Ansonsten arbeite ich mich gerade daran ab, jeden Tag einen Post herauszuhauen, egal wie kurz oder lang, gehaltvoll oder banal, nur mit mir sollte er erkennbar zu tun haben.

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Und los geht’s, der 5. Januar beginnt um 0.00 Uhr, es ist ein Sonntag, ich komme kurz nach zwölf in der Nacht nachhause und bin von der halbstündigen Fahrradfahrt in der Kälte noch etwas aufgedreht. Was nicht wirklich schlimm ist, weil ich – siehe 24901 – gestern nicht dazu kam, den obigen Einführungstext vorzubereiten. Dann mache ich das heute, obwohl in jedem anderen Kontext dieses heute für mich noch gestern wäre.

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Done. Und jetzt noch etwas in YouTube versacken, dann ins Bett. Morgen melde ich mich dann in regelmäßigen Abständen zum Tagesbericht.

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Gegen elf aufgestanden. Das mag spät klingen, sind aber auch nur neun Stunden Schlaf, deutlich weniger, wenn mensch die Pinkelpausen abzieht.

In der Nacht ist Schnee gefallen. Nicht genug, um schöne Bilder davon zumachen, gerade soviel, dass mensch schon den Matsch ahnt, der unweigerlich daraus entsteht.

Ich gehe kurz im Kopf durch, was heute geschehen soll (Blog, Bestattungsbuch, Dome, Meditation). Das ist kurz nach dem Aufstehen schon mehr Tagesstruktur, als ich mir sonst zumute.

Es beginnt die Morgenroutine mit Kaffee, Frühstück, Internet, die sich heute so cirka eineinhalb Stunden hinzieht.

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Von eins bis drei lese ich im Bestattungsratgeber, sitze dabei vorm PC und befülle meine Liste mit Hinweisen für das morgige Gespräch mit dem Bestatter.

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Ein gutes Stündchen im Dome, dann ist das Donnerstag begonnene Dreieck fertiggedämmt und mir ist kalt genug, um aufzuhören. Ich ziehe mich eine Weile vor den Ofen zurück und gehe später nocheinmal aufräumen.

Bevor das geschieht, nehme ich noch das Beitragsbild ganz oben auf, was sich als schwieriger herausstellt, als es zu vermuten war. Wir müssen das nicht vertiefen, aber meine Bude ist schwer auszuleuchten.

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Es folgt eine Zeit vorm PC mit verschiedensten Dingen, die mensch mit einem PC so tun kann, beginnend mit YouTube und endend mit der aussagekräftigen Umbennung von Dateien. Irgendwann bin ich so müde, dass ich mich hinlege und kurz schlafe. Was mich immerhin so sehr belebt, dass ich mich tatsächlich zur Meditation in Gießen aufmache.

Kurz vor acht bin ich dort, wie immer sind wir nur wenige. Das hat sich über all die Jahre, die ich diese „Gruppe“ (also die stets wechselnden Menschen um S. herum) kenne, nicht geändert. Das mag an den Räumlichkeiten liegen, die immer nur zur provisorischen Nutzung zur Verfügung stehen, und vielleicht auch daran, dass Zen-Meditation ohnehin eine recht karge Angelegenheit ist, die von S. auf noch viel kargere Weise angeboten wird. Ich bekomme dort genau das, was ich will, Meditation und eine Einladung dazu.

Gelegentlich sitzt die Gruppe nach der Meditation noch irgendwo zusammen, mal für einen Tee direkt vor Ort, mal in einer der umliegenden Dönerbuden für mehr. Heute ist das nicht so und so bin ich gegen zehn zuhause und kann in Ruhe diesen Bericht abschließen.

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Fast vergessen, auf dem Nachhauseweg habe ich noch ein Bild für Euch gemacht:Dort, wo die Alt-Giessener noch den Kiosk „Max hat’s“ erinnern, hat heute der Neue Kunstverein Gießen seinen winzigen Ausstellungsraum. Gegenwärtig und noch bis zum elften des Monats zeigt dort Helena Hafemann „Die Ernte„.

Inmitten der dunkelsten Jahreszeit evoziert „Die Ernte” das Verlangen nach Licht und Wärme und wird so zu einem nostalgischen Rückblick auf einen Sommer, der längst vergangen ist.

Oder so.


Und hier geht’s zu den ganzen anderen Beiträgen zum Tag bei Frau Brüllen, einfach nur herunterscrollen.

24901 – Er_wartet

Es ist fünf Uhr nachmittags. Ich habe den Tag damit verbracht, gemeinsam mit meinem Bruder auf ein Paket zu warten, das er sehnlichst erwartete und des Wertes wegen nicht bei seiner Wohnung im Hausflur stehen haben wollte, folglich an meine Adresse senden ließ. Am Morgen wusste ich noch nicht, dass er kommen würde und der Tag auf diese Weise vergehen würde. Ich hatte ursprünglich anderes vor, habe das auch angemessen rückgemeldet, wird vermutlich so nicht wieder vorkommen.

Das Gute im Schlechten: wir konnten ausführlich über die nächsten Schritte bezüglich Mutters Beerdigung und dem nun bei uns liegenden Verkauf der mütterlichen Wohnung sprechen, die zu je einem Achtel auch unsere ist. Dabei war uns in Bezug auf die Beerdigung auch ein Ratgeber hilfreich, den ich gestern aus der Stadtbücherei besorgt hatte. Wobei zu zweit lesen zwangsläufig oberflächlicher verläuft, als alleine zu lesen. Und, nun ja, auf meinem Plan für heute stand ursprünglich auch der vertiefte Umgang mit eben jenem Ratgeber. Was vermutlich ausfallen wird, weil vier Stunden unvorhergesehener Sozialkontakt jetzt erstmal wieder rein-regeneriert werden wollen.

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Wenn ich samstags an regenerieren denke, denke ich automatisch ans Café Nachtlicht, den Ort, an dem ich mich seit 2022 ehrenamtlich engagiere und zu dem ich seit langem einen Artikel plane, der vermutlich nicht mehr kommen wird. Aber andere schreiben ja auch Artikel, zum Beispiel die Gießener Allgemeine, und deren Artikel habe ich gerade mal für Euch herausgesucht. Nur für den Fall, dass Euch das interessiert. Der erste Artikel ist eineinhalb Jahre alt, der zweite rund zehn Monate, aber bei uns geschehen Veränderungen ohnehin nur langsam. Ab dafür.

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Ich starte gegen acht ins Nachtlicht und bin dort mit ungewohnt vielen zugewandten Menschen im Gespräch, so vielen, dass ich mich frage, ob ich im Moment vielleicht ein ungewohnt großes und möglicherweise unangemessenes Mitteilungsbedürfnis habe. Andererseits, solange mir keiner sagt, ich soll’s doch einfach in meinen Blog schreiben, wenn es mich so drängt, mache ich einfach weiter. Und in den Blog schreib‘ ich’s auch noch.

24899 – Falsch und traurig

Heute mal wieder etwas Tagebuch-Bloggerei. Der Tod meiner Mutter beschäftigt mich weniger als erwartet, aber er hält mich beschäftigt. Vieles ist erstmals herauszufinden in den Tagen nach einem Todesfall, es wird ja nicht ständig gestorben und noch viel weniger tauschen wir uns darüber aus.

Nicht damit gerechnet hätte ich, dass im konkreten Fall selbst die Basics nicht erfüllt werden, so zum Beispiel, dass anfangs nicht zu erfahren war, wohin genau die Leiche gebracht wurde. Man muss dazu wissen, dass meine Mutter eine gesetzliche Betreuung hatte und nach dem Eintritt ihres Todes einfach mal alle (meint die Betreuerin, meinen Bruder und mich) verständigt wurden, immer mit dem Hinweis, es sei nun dringend eine Pietät mit der Abholung zu beauftragen. Um es kurz zu machen, während ich noch recherchiere hat die Betreuerin schon eine Pietät beauftragt, ich erfahre mehr zufällig davon, als ich mit der Polizei vor Ort versuche zu klären, wo der Besitz meiner Mutter nun verbleiben soll. Die Polizei wurde eher aus Versehen gerufen, aber wenn sie einmal da ist, kann sie nicht so einfach wieder gehen. Ich bin hilfreich und schreibe eine Email an das zuständige Polizeirevier, die die Polizei von jeder Verantwortung für die Habseligkeiten meiner Mutter freispricht. Nun kann die Polizei abrücken und das Altenheim die verbleibenden Dinge in einem Karton verstauen.

Auf der Station weiß am nächsten Tag niemand, welche Pietät meine Mutter abgeholt hat. Die Frau in der Verwaltung, die das wissen könnte, hat Urlaub. Die Betreuerin ebenfalls, beide für mich nicht zu erreichen. Ich muss also den Neujahrstag verstreichen lassen, bevor ich heute Auskunft erhalte. Nur nebenbei, nicht von der Frau im Urlaub, die ist nämlich immer noch dort, sondern von einer sehr bemühten Kollegin.

Mein nächster Anruf gilt der Pietät, auch dort ein netter und auskunftsbereiter Mensch am Telefon. Meine Mutter liegt dort im Kühlraum und letztlich verbleiben wir so, dass ich über das Wochenende (bedeutet die nächsten drei Tage) Zeit habe, „mit der Familie“ zu besprechen, was weiter geschehen soll. Montag sprechen wir uns dann wieder.

Meine Mutter selbst war – nicht nur ihr Begräbnis betreffend – recht emotionslos, sie wünschte eine Verbrennung und die Beisetzung in einem anonymen Grab. Sagt die Familie, also mein Bruder, und es würde passen. Es bleibt bei mir, das nun gemeinsam mit der Pietät umzusetzen, ich bin gespannt, wie sich das gestalten wird.

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So Leute, und jetzt möchte ich bitte ein wenig mit Euch weinen. Ich meine, was muss denn alles schief gehen, dass die Mutter oder Oma stirbt und die ganze Restfamilie zuckt mit den Schultern und macht weiter, womit sie halt gerade so beschäftigt ist. Das fühlt sich sehr falsch an.

Ist aber so. Und hat vermutlich auch damit zu tun, dass meine Mutter sich so benommen hat im Leben, wie sie es tat. Trotzdem ist das falsch und traurig.

Ist aber so. Und im Leben waren doch auch alle unzufrieden miteinander, warum soll das im  Tod denn anders sein. So falsch und traurig.

Ist aber so. Und irgendwie ja auch ermutigend, wie ehrlich alle sind, keiner performt hier Trauer, nur weil das erwartet wird. Falsch und traurig.

Ist aber so … dysfunktional.

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Und vielleicht hat meine Mutter doch irgendetwas richtig gemacht, weil ich zumindest nicht gerne so bin – gar nicht gerne so bin.

24898 – Wunderbare Worte

Die Aktion muss mehr als 25 Jahre her sein und hatte irgendwas mit dem Stadttheater zu tun. An verschiedenen Stellen im Stadtbild tauchten großflächig Worte auf. Mir gefiel das sehr.Das Bild unten rechts ist in den Werkstatträumen des Stadttheaters während einem Tag der offenen Tür aufgenommen.

Falls irgendjemand mehr zu der Aktion weiß, bitte in die Kommentare damit, ich konnte nichts dazu herausfinden.