Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass jeder 12. Abiturient als Berufswunsch Künstler angibt. Das ist, falls es nicht wahr ist, zumindest gut erfunden.
1979 war ich irgendwo auf dem Zweiten Bildungweg zum Abitur, wo genau müsste ich nachschauen. Und rumgekünstlert habe ich zu der Zeit genug, um meine Ideen zumindest in kleinen Notizbüchern festzuhalten, gelegentlich sogar umzusetzen. In einem der Bücher gibt es die Idee, mit Zigarettenstummeln Strukturen zu bilden/abzubilden. Würde ich heute anders umsetzen, als ich es damals aufgeschrieben habe, aber generell finde ich die Idee immer noch interessant. Wenn auch etwas weniger „deep“; Menschen tun Dinge auf verschiedene Art und Weise, wenn sie Zigaretten ausdrücken sieht das zwangsläufig bei jedem etwas anders aus, ergibt also – sagen wir nebeneinandergelegt – andere Strukturen. So what?
Dennoch, ist schon spannend, was mensch so im Kopf hatte, damals™.
Der Beitrag fasst sieben ursprünglich getrennt und tagesgenau veröffentlichte Artikel zusammen. Damit schließe ich an die Gewohnheit an, meine Reiseberichte am Stück – oder doch wenigstens wochen- bzw. abschnittsweise zusammengefasst – zu präsentieren. Hier nun der Aufenthalt in Hummelfeld/Fellhorst.
24871 – Hummelfeld/Fellhorst
Gestern abend habe ich recht willkürlich bei meiner Ankunft in Rendsburg abgebrochen, weil ich den Hummelfeldbeitrag geschlossen halten möchte. Nachdem E. mich also vom Bus abgeholt hat, fahren wir zurück nach Hummelfeld, wo F. und R. mich begrüßen. Sie haben mit dem Abendessen gewartet und wir kommen gut ins Gespräch, lachen viel und sind ganz allgemein guter Dinge. Der Abend zieht sich angenehm in die Länge., erst gegen halb zwölf richten wir noch kurz meine Bleibe für die nächsten Tage her. Die Familie geht in die jeweiligen Betten während ich mich einrichte und den Tag verblogge.
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Hummelfeld ist nicht wirklich eine No.1-Destination, und ungefähr so groß und aufregend, wie der Name es nahelegt, aber für meinen Zweck genau richtig. Ich besuche dort F&E und Sohn R., wir haben mehrere Jahre in meinem Wohnprojekt zusammengewohnt und sind vertraut genug miteinander, um auch mal sensible Beziehungsprobleme auf den Küchentisch zu legen. Denn darum wird es gehen, vermutlich nicht im Einbahnstraßen-Modus.
Neben der Möglichkeit, meine Liebes- und Leidensgeschichte zum wiederholten Male vorzutragen, gibt es in Hummelfeld auch das oben bereits erwähnte Gästezimmer, das ich intensiv nutzen möchte. Ich will schreiben. Aufschreiben. Will meine Version dessen aufschreiben, was T. und mir geschehen ist. Der Text wird lange und nur für mich sein. Zuviel muss hinein, neben der Kränkung und Enttäuschung auch die Wut darüber. Möglicherweise wird das etwas künstlich (ich bin gespannt), denn ich bin schon im Verstehens- und Entschuldigungsmodus und finde das verfrüht.
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Am Morgen erwache ich und bin im Text, ich möchte soweit es geht chronologisch vorgehen, die Vorgeschichte, soweit sie hier im Blog erscheint, ist schon zitiert und wartet darauf kommentiert zu werden. Es ist wie mit dem Werbeslogan für Beton aus den 80ern: „Es kommt drauf an, was man draus macht!“
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Ich komme gut voran. Gegen zwölf habe ich einen Einschnitt im Text, der es erlaubt in die Küche zu gehen und zu schauen, was F. so macht. In der Folge reden wir viel; vor, während und nach dem riesigen Lebensmitteleinkauf, den wir quasi nebenher erledigen. Dabei sind wir keineswegs nur bei den schwierigen Dingen, vieles aus unserer gemeinsamen Vergangenheit kommt gesprächsweise nochmal vorbei, es ist schön und angenehm vertraut. Ab drei sitzen wir beide wieder an unseren jeweiligen Aufgaben.
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Fünf Stunden später beginne ich Gemüse zu schnippeln, später wird das zu einer asiatischen Gemüsepfanne. Es ist das einzige Gericht aus meiner kalorienarmen Küche, das ich sicher beherrsche. Gegen zehn essen wir gemeinsam, ab elf sitze ich mit E. alleine am Küchentisch und wir reden so lange, dass ich zum ersten Mal verpasse, den Blog noch vor zwölf einzustellen. Gut so.
Ich bin früh wach und stehe auf, beginne zu schreiben. Gegen 10 Uhr frühstücken wir zusammen und ab zwölf sind wir nach Schleswig unterwegs um einen Weihnachtsmarkt zu besuchen, der im Schleswiger Dom stattfindet.
Eine sehr angenehme Veranstaltung, nicht überlaufen, bei den Verkaufsständen jeweils nur ein Anbieter für ein Sortiment, was die Veranstaltung sehr übersichtlich macht. Gegen drei sind wir wieder zu Hause.
Ich koche mir einen Kaffee und setze mich ans Tablett. Noch vorm Abendessen habe ich einen wesentlichen Einschnitt im Text erreicht. Es ist jetzt (fast) alles, was ich aus unserer vergangenen Beziehung weiß, erinnere oder im Blog und Tagebuch notiert habe, in einem halbwegs fließenden Text vereint.
Die Zeit von sieben bis zehn vergeht mit kochen, essen und Gespräch.
24874 – [„…!“]
Ich bin früh wach und stehe auf, beginne zu schreiben. Ab zehn frühstücken wir zusammen und ab zwölf …, ja, so ging das gestern auch los.
Heute wird ab zwölf wieder geschrieben, aber anders, als an den Tagen davor. Die zurückliegenden drei Schreibtage waren so etwas wie eine Schreibübung. Ich wollte wissen, ob ich regelmäßig und zielorientiert auch einen längeren Text schreiben kann. Konnte ich.
Na ja, fast. Etwas fehlte, die Emotionen. An denen bin ich jetzt. Wer jemals drei bis sieben Selbst- oder Lebenshilfebücher gelesen hat, kennt den Rat, einen niemals abzuschickenden Brief an den jeweiligen Konfliktpartner zu schreiben. Mache ich gerade. Nicht mit Überlegung, sondern mit Geschwindigkeit, einfach erstmal in die Tastatur gerotzt. Klappt erstaunlich gut und ist trotz des Mangels an erkennbarer Struktur immer noch erstaunlich lesbar.
Dennoch kratze ich nur an der Oberfläche, solange ich mich an einem „Konfliktpartner“ abarbeite. Ich beende den Brief mit dem Vorsatz, morgen zu kratzen bis der Lack ab ist.
Mit der früh einsetzenden Dunkelheit starten wir nach Luisenlund zu einem weiteren Weihnachtsmarkt. Auch dieser klein und mit wenigen ausgesuchten Ständen. Ich suche handgestrickte Wollsocken, finde auch einen passenden und preisgünstigen Stand, leider ist meine Größe schon ausverkauft. Später bekomme ich gegen das Aufsagen eines Weihnachtsgedichtes (strenggenommen eines Gebetsdreizeilers, man kann nur geben, was man hat) eine Mandarine vom Weihnachtsmann geschenkt (und man nimmt, was man kriegt). Kleine Erlebnisse.
Nebenbei machen wir ein paar Fotos von mir, jeweils mit F. und E., die gerade die Bilder für das Foto-Jahrbuch der Familie zusammenstellt. Aus einem von vor elf Jahren habt Ihr ja schon einen Eindruck erhalten. Und dann findet mensch in zehn Jahren vielleicht eines dieser heute gemachten Bilder und denkt, ach guck‘, der g., der war damals da, mit uns.
Abendessen mit Gemüsepfanne, anschließend ziehen wir uns alle nochmal in die jeweiligen Gehäuse vor die Geräte zurück. Mich überkommt eine große Müdigkeit und ich lege mich „kurz“ auf’s Bett.
Wieder wach verblogge ich den Tag für Euch. Und nochmal zu E. für den Rest des Abends. Gutes Gespräch.
24875 – Gehen Sie weiter, …
Anders als an den beiden Tagen zuvor schlafe ich lange und gut. Es wird elf, bis ich vor meinem Kaffee sitze und eins, bis ein paar Reiswaffeln gefrühstückt und nebenbei die Rückfahrt organisiert ist. Die Bahn hat mit ihrem Angebot Flixbus bei Preis und Zeitaufwand geschlagen. Jetzt bin ich sehr gespannt, wie das mit den Anschlüssen klappen wird, meine letzten Bahnerfahrungen im Regionalverkehr waren an dieser Stelle eher schwierig.
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Meiner markigen Ankündigung, zu „kratzen bis der Lack ab ist“, kann ich nicht gerecht werden. Wenn ich freundlich mit mir sein will, ist mein Geschriebenes eine halbwegs zutreffende Beschreibung inneren Erlebens, aber …
[Sorry Leute, hab‘ gerade einen ganzen Teil herausgenommen, der mir innerhalb der dreißig Minuten, die er online war, irgendwie seltsam vorgekommen ist.]
Gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu sehen.
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Ich bin zufrieden mit dem, was ich hier in Hummelfeld für mich erreicht habe. Vielleicht etwas übertrieben, vielleicht an manchen Tagen unnötig redudant, hat sich – hoffentlich – die emotionale Selbstbespiegelung insofern gelohnt, als ich sie zuhause nicht nochmals, und nochmals, und nochmals (Ihr kennt das) durchlaufen muss. Ich erwarte mit Spannung den Realitätsabgleich.
24876 – It’s a kind of magic
Heute ist der letzte volle Tag in Hummelfeld. Ich bin im Urlaubsmodus, nichts was am Tablet geschieht, müsste wirklich geschehen, auch wenn ich noch die eine oder andere eckige Klammer aufarbeite. Mit eckigen Klammern kennzeichne ich mir Bearbeitungshinweise in unfertigen Texten [hier eventuell Beispiel einfügen].
Den Urlaubsmodus erkennt mensch am Geocaching. Ich habe einen angemessen langen Spaziergang im Wald gemacht und weil der Mensch ein Ziel braucht, habe ich den nächsten Cache angelaufen und auch gefunden.
Vergleichsweise früh am Nachmittag wieder zurück. Es ist noch viel vom Tag übrig. Ich beginne für die erste Zeit zuhause zu planen. Ich schreibe einen später zu veröffentlichenden Blogbeitrag.
Später nehme ich ein Wannenbad und habe den Gedanken, dass ich damit den Aufenthalt hier rahme, ein Wannenbad unmittelbar davor und eines zum spätmöglichsten Zeitpunkt hier. Dazwischen der Text, der mir einen Abschluss ermöglichen soll. Und das Re-Reading von „Menschliche Kommunikation – Formen, Störungen, Paradoxien“ (Watzlawik u.a.) habe ich diese Nacht abgeschlossen. Und die letzte Folge, der zwei Staffeln „Better Off Ted“, die ich als mediale Wegzehrung dabei hatte, gerade eben. Soviel Abschluss an einem Tag, in meinem Kopf findet das alles zusammen. Ich kann das gut als magisches Denken identifizieren, sei’s drum, das ist nur eine magische Klammer mehr, denn in Berlin ging es auf dieser Tour mit dem Magicum ja los. Die Tour als Ent-Bindungs-Zauber. Ich lass‘ das mal so stehen.
Ab sechs kochen wir zusammen, um sieben essen wir und um acht sitzen wir vor den Geräten. Später sitze ich noch etwas mit E. zusammen.
24877 – Ein voller Rückreisetag
Weil ich vermutlich nicht zum Schreiben kommen werde:
Wir planen für den frühen Nachmittag einen Besuch in Flensburg bei J., den Ihr schon auf dem Down-Memory-Lane-Foto gesehen habt. Heute auch elf Jahre älter.
Am Abend hat E. einen Termin in Kiel und kann mich bei der Gelegenheit mit zum Bahnhof dort nehmen.
Es folgt eine Zugfahrt, die in Gießen endet, kurz nachdem dieser Text online geht und der letzte Bus in meine Richtung abgefahren ist.
Wenn ich clever bin, nehme ich mir ein Taxi, wenn ich ich bin, laufe ich zwei Stunden nachhause (Spoiler: ich war clever).
o-<O>-o
Der ICE hat WLAN und ich komme doch zum Bloggen, ab jetzt gibt es Live-Berichterstattung:
Fünfzehn Minuten vor Abfahrt informiert die Anzeige, dass der gebuchte ICE heute nicht von Kiel abfährt, stattdessen von Neumünster. Dorthin werde ich, gemeinsam mit etlichen anderen via Regionalbahn gebracht. Der ICE wartet dort auf uns, eigentlich alles einfach und gut gelöst, aber natürlich ist die zwischendrin aufkommende Unsicherheit (denn zu Beginn der Fahrt ist keineswegs klar, dass alles einfach und gut sein wird) lästig und unangenehm. Labilere Geister imaginieren Nächte auf zugigen Bahnhöfen. Nächste Aufgabe: Umsteigen in Hamburg, es ist alles etwas knapper als geplant.
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Klappt dennoch gut, der ICE hat einen Teil der Verspätung aufgeholt. Ich warte komfortable fünfzehn Minuten auf dem Umsteigebahnsteig.
Das Umsteigen in Kassel-Wilhelmshöhe wird den Schwierigkeitsgrad deutlich steigern, fünf Bahnsteige sind in acht Minuten zu überwinden. Ich bin bereit, an der Herausforderung zu wachsen.
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Und dann wird’s vor Ort nochmal richtig spannend. Eine Verspätung verkürzt die Umsteigezeit auf drei Minuten und die zu bekommende Regionalbahn ist die letzte für heute. Wir erinnern uns an die labileren Geister, die Nächte auf zugigen Bahnhöfen visionieren. Denen schließe ich mich nun wohlbegründet an und beeile mich unwürdig.
Und gut so, ich stehe keine dreißig Sekunden auf dem richtigen Bahnsteig, da fährt die Bahn ein. Dass es wirklich die richtige Verbindung ist, kann ich nicht überprüfen, sowohl auf dem Bahnsteig, als auch in Zug sind die Anzeigetafeln außer Betrieb. Soviel kann ich sagen, die Richtung stimmt.
Meint: Sofern ich jetzt nicht den Ausstieg verpasse, sollte ich so gut wie zuhause sein. Ankunft 0.05 Uhr.