Eine Serie zeitgenössischer Taras zeigt Divma Omaljev auf ihrer Website.
Kategorie: g.blogt
Der tägliche Kleinkram
Der historische erste Blog-Eintrag von g., damals noch im Buddha-Blog
Denn jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …
Diese Seite heißt Buddha-Blog weil’s gut klingt, erstens. Zweitens, weil es hier um meinen Umgang mit buddhistischer Praxis und Lehre gehen soll, „Buddha-Blog“ gibt dafür einen deutlichen Hinweis. Oder?
Zur Zeit verbringe ich viel Zeit im Netz und nicht immer auf die sinnvollste Weise. Ich hoffe mit dem Buddha-Blog meiner Netzzeit einen Mehrwert für andere hinzuzufügen. Nicht jeder hat soviel Zeit, Bandbreite oder Geduld, seinen buddhistisch inspirierten Fragestellungen im Netz nachzugehen. Und Manches lässt sich nicht suchen, sondern nur finden, zufällig, oft auf der Suche nach Anderem. Diese Funde möchte ich teilen.
Teilen möchte ich auch meine Erfahrungen auf dem Weg. Zur Zeit praktiziere ich den Diamantweg (eine Schule innerhalb der Karma-Kagyü-Linie, die wiederum eine der vier Hauptlinien des tibetischen Buddhismus ist) und mein Blick auf andere buddhistische Schulen im Allgemeinen und meine Praxis im Speziellen ist dadurch unvermeidlich gefärbt. Zurückliegende und gegenwärtige Begegnungen mit anderen buddhistischen Schulen helfen hoffentlich, einen weiten Blick zu behalten – und dort zu fokussieren, wo es notwendig ist.
Wikipedia, Eintrag Diamantweg, gut für einen ersten, auch kritischen Überblick
Ein weiterer Schwerpunkt soll die Darstellung buddhistischer Themen in der zeitgenössischen visuellen Kunst sein. Ich bin auf der Suche nach Menschen und Künstlern, die mit zeitgemäßen Visualisierungen buddhistischer Weisheit experimentiernen.
Vielleicht wird der Eine oder die Andere die Möglichkeit vermissen Kommentare anzufügen oder direkt eine Diskussion zu eröffnen, wie andere internet-gestützte Tagebücher (=Weblogs, =Blogs) dies zulassen. Das ist Absicht. Ich möchte damit sicherstellen, dass die Inhalte dieser Seite übersichtlich, unterhaltsam und erfreulich bleiben. Anregungen, Ergänzungen, Fragen und Diskussionsangebote soll das nicht verhindern, sondern über meine editoriale Bearbeitung umleiten. Hinweis für Ungeübte: Unterhalb dieses Artikels auf den Autor klicken, Euer Browser sollte es dann anbieten, mir eine Email zu senden. Ich freu´ mich drauf.
Update (13.12.2009): Der oben verlinkte Artikel hat sich verändert, vor allem enthält er keinerlei Hinweise mehr auf die immer wieder geäußerte Kritik an Lama Ole Nydahl oder dem Diamantweg in seiner Gesamtheit. Da diese Kritikpunkte ebenso regelmäßig wie nachvollziehbar geäußert werden (und damit möchte ich ausdrücklich kein Urteil über ihre Berechtigung abgeben), gehören sie meines Erachtens in eine Darstellung des Diamantweges. Macht Euch selbst schlau, Google sollte helfen. Und dann glaubt nur die Hälfte. Oder fragt mich.
Reisetagebuch Indien, Boddhi Zendo, 7.1. bis 28.1.2001
Reisetagebuch Indien, Boddhi Zendo, Teil 1, 25.1. bis 25.2.1999
Reisetagebuch Indien, Boddhi Zendo, Teil 2, 12.1. bis 7.2.2000
Vorwort zum 3. Teil (veröffentlicht am 31.3.2023), Kontext zählt.
7.1.2001, Sonntag
Wieder im Zendo. Ankunft gestern Morgen mit den Nachtbus aus Madras, nachdem wir den Donnerstag und Freitag noch einmal in Mahabalipuram verbracht hatten. Hier hat sich wenig und doch zugleich viel verändert. Vielleicht am besten beschrieben als atmosphärische Veränderung, die sich an einigen wenigen Äußerlichkeiten festmachen lässt.
Zunächst ist das Haus fertig, das letztes Jahr nur als Rohbau zu sehen war. Es steht links neben der Zufahrt zum Zendo und Ama Sami wohnt darin. Unmittelbar davor gibt es nun ein Tor und an dieses Tor schließt ein Zaun an, der oben mit Stacheldraht bewehrt ist. Ich mag das nicht, mit Stacheldraht geschützt und zugleich eingeschlossen zu sein.
Als nächstes gibt es einige „hilfreiche“ Schilder, die den Umgang mit den Waschbecken oder der Bücherei “lehren”. Alles Dinge, die in den Jahren davor noch “mündlich überliefert” wurden, was zumindest den Eindruck eines freien Umgangs miteinander erzeugte. In der Bibliothek ist es nun nicht mehr möglich, sich selbst in der Ausleiheliste ein- oder auszutragen.
Kurz, einige Äußerlichkeiten lassen den Eindruck einer relativ rigiden Gesamtanlage der Dinge hier entstehen. Gestützt wird dieser Eindruck noch durch die Altersstruktur. Die meisten hier dürften zum Teil wesentlich über 50 Jahre alt sein.
8.1.2001, Mittwoch
Beim Samu hat mich das Toilettenreinigen erwischt und während ich zuerst dachte, es sei eine Strafe dafür, dass ich den Toilettendienst zu Hause so sehr vernachlässigt habe, könnte es auch Belohnung sein für ich-weiss-nicht-was. Denn: die Arbeit ist erstaunlich schnell erledigt und danach habe ich Zeit, mich einer anderen Arbeit meiner Wahl anzuschließen.
<O>
Eine Beobachtung allgemeiner Art: Das Essen ist schlechter geworden, oder aber ich kann es nicht mehr so genießen. Insgesamt ist es zu wenig gewürzt, was einerseits daran liegen könnte, dass die Köchinnen versuchen, auf den europäischen Geschmack einzugehen. Andererseits aber auch in den Speisevorschriften der Yogis, die scharfes Essen als der Meditation abträglich ansehen, begründet sein könnte.
9.1.2001, Dienstag
Um beim Essen zu bleiben: gestern Abend eine kurze Szene mit D. beim Abendessen. […]
[…]
[…] Nach einiger Zeit schlüpft sie neben mir ins Doppelbett, da ich in meinem Zimmer habe und wir schlafen Arm in Arm ein. Mit keiner Lösung und der Vermutung, morgen so aufzustehen, wie wir heute schlafen gehen.
<O>
Heute morgen ein frühes aus dem Bett schlüpfen, noch vor dem Morgengeklingel. Meditation, wortloses Aneinander-vorbeigehen, meine Versuche, über kleine Berührungen mit Ihr Kontakt aufzunehmen, werden eher aus Höflichkeit, denn aus Neigung beantwortet.
10.01.2001 Mittwoch
11.01.2001 Donnerstag
12.01.2001 Freitag
Alles, was einen direkt berührt, berührt die anderen indirekt.
13.01.2001 Samstag
[Ich lese] Laurence G. Boldt: Zen and the art of making a living [und notiere seitenweise Fragen daraus, die ich mir irgendwann einmal beantworten möchte. Was nie geschehen wird.]
14.01.2001 Sonntag
15.01.2001 Montag
Gefühle großer Verlassenheit, gestern ein freier Tag, zugleich Pongal – Erntedankfest – hier. Auf einem unserer Wege ins Dorf blieben D. und ich auf einem Felsen sitzen, Aussicht auf herrlichste Berglandschaft und Mittagsmond, und sprachen. […]
[…]
Nur allzu leicht räume ich in Gesprächen wie dem gestrigen ein, dass unsere Beziehung enden könnte, enden wird. Dass da ein junger zeugungsfähiger Mann kommen wird, mit dem sie das Kind haben könnte, von dem sie träumt (oder dass sie vorschiebt, um einen “objektiven” Grund für unser nicht-zusammen-sein-können zu haben). Ich kann diese Zeit leicht anschauen und darüber reden, dass es vielleicht der Sinn unserer Beziehung war, ihre Vater-Tochter-Dinger aufzulösen oder doch wenigstens ertragbar zu machen. Das tut beim drüber reden nicht mal weh, obwohl mir schon jetzt davor graut, die Trennung real zu erleben.
In meinen Fantasien bleibe ich mit ihr freundschaftlich verbunden. Ich bin ihrem Kind ein Onkel und manchmal besucht sie mich auf der „Wiese“.
Sonne.
Neben all dem haben wir ein “zweites Leben“, indem wir Pläne für unsere gemeinsame Zukunft machen oder doch zumindest ernsthafte gemeinsame Alternativen zu unseren jeweiligen gegenwärtigen Leben erwägen. Diese Alternativen sind nicht weniger gewollt, in nichts weniger mögliche Zukunft als meine Trennungsphantasien, auch wenn das zunächst unvereinbar klingt. Vielleicht geht es auch deswegen zusammen, weil ich diese gemeinsame Zukunft auch alleine leben könnte.
[…]
<O>
Heute morgen dann diese Verlassenheit, ausgelöst dadurch, dass sie sich, wie an den anderen Tagen zuvor auch, doch ohne dieses Ergebnis, an einen anderen Tisch setzt. Es ist einzig und allein meine Verlassenheit, bis zum Morgen haben wir gemeinsam in unserem Bett geschlafen und nach dem Frühstück versuchte sie, durch kleine Gesten Kontakt aufzunehmen.
Überwiegen die guten oder die schlechten Tage?
Beim Pinkeln schaue ich an mir herunter und mein Fuß ist mein Fuß, als ich Kind war. Wir gehen hier in der Zeit vor und zurück, ganz nach Belieben. Nur nicht unserem Belieben!
16.01 01. Dienstag
Der erste volle Tag des Sesshin.
17.01.2001 Mittwoch
18.1. 2001 Donnerstag
19.01 2001 Freitag
[Mein zweites Koan]
Dies also mein zweites Koan. Nachdem ich letztes Jahr ganz und dieses Jahr bis heute ausgesetzt habe, bin ich heute zum Dokusan, “um mich wieder ins Spiel zu bringen”.
Im Teisho gestern wurde mein erstes Koan erwähnt. Ich erinnere mich wieder daran, [… u]nd während im letzten Jahr das nur-sitzen vollkommen okay war, schien es mir dieses Jahr zunehmend ineffektiver, meint: bereichernd.
Wichtiger aber scheint mir der Gedanke und die Formulierung “wieder ins Spiel zu wollen”. Ich habe einen kurzen Moment gezögert ihn auszusprechen und er scheint mir auf so vieles mehr anzuspielen, als nur auf das Koan. Zuallererst wohl mein Berufsleben, ich habe hier eines der vielen How-to-lead-a-live-Bücher gefunden, aus Zen-Perspektive selbstverständlich.
Und darin geblättert, ja, auch anstecken lassen von der Möglichkeit (!), ein anderes, ausgefüllteres Leben führen zu können.
Das Schweigen während des Sesshins ist zu zweit noch einmal anders als alleine. Sich nicht mit Worten aufeinander beziehen zu können, ist doppelt schwer, wenn es sonst nichts gibt. Mir kommt es vor, als risse unsere Beziehung gänzlich ab, wenn wir schweigen. Meine Versuche, wenigstens über Blickkontakt in Beziehung zu bleiben, werden nicht erwidert, oder falls doch, stürzen sie mich in Unsicherheit? Ist dieser Blick ein liebender?
Vielleicht deswegen haben wir uns gestern eine Auszeit vom Schweigen genommen und, wenn wir alleine waren, miteinander gesprochen und geschwätzt. Wie wichtig gerade auch das Geschwätz ist, ist mir erstmals klar geworden. Es versichert uns der Beziehung, wo wir ihrer unsicher sind.
Was aber, wenn da keine ist? Manchmal fühlt es sich für mich so an. Ich spüre keine Verbundenheit, nichts Gemeinsames, suche das Dauerhafte unseres Paar-seins. Worin bildet es sich ab? Darin, dass wir manchmal etwas näher beieinander sitzen, ja, gar ein Zimmer. gemeinsam bewohnen? Und manchmal neben-, manchmal miteinander schlafen?
Gut, das ist ein schöner Anfang! Aber langt das aus? Nein, ich wünsche mir mehr. Wenn ich auch nicht genau benennen kann, wie dieses Mehr heißt. Ein Teil dieses Mehr heißt sicher. “Annahme”. Ich will angenommen sein, so wie ich bin. Ich wünsche mir das Gefühl, dass es ausreicht, zu sein, was ich bin, um anerkannt zu sein.
20.01.2001 Samstag
Dokusan: “[Mein zweites Koan]”
Auf abstrakter Ebene ist es recht einfach, das Koan zu sein. […]
Sobald dann aber ich den Versuch unternehme, in die Situation zu gehen, sie mir bildhaft vorzustellen, gibt es wieder “zwei” […]. Alle Versuche uns zwei näher zueinander zu bringen … .
Soweit und etwas gerafft mein “first approach“ an den Koan […]. Mein erster Gedanke, eine kleine Pantomime aufzuführen, scheiterte an der Idee zur Durchführung. Wie stellt man [die Antwort auf das Koan] pantomimisch dar? Und schon war der Moment herum, den ich gehabt hätte. “Next time!”
<O>
Kontinuität
Verlässlichkeit
Zuwendung
Kontakt
Annahme
Wie eine Kerze im Zug.
<O>
Was „wir“ heute abliefern, ist ohne Worte im wahrsten Sinne des nicht-gesprochenen Wortes.
[…]
<O>
[…]
21.01 01. Sonntag
Ende des Sesshin nach dem Frühstück. Gewaschen und umgezogen sitze ich in der Sonne vor meinem Zimmer.
<O>
Es scheint, als ob die gestrige Dunkelheit zum allergrößten Teil, sagen wir so um die 80 Prozent, in meinem Kopf war. Überbewertungen und -reaktionen. Vielleicht auch ein wenig gegenseitige Hochschaukelei. Nichts auf jeden Fall, was die innere Raserei rechtfertigen könnte, die ich veranstaltet habe. Nichts vor allem, was nicht mit ein bisschen Nachgiebigkeit aus der Welt zu schaffen gewesen wäre. Aber ich musste ja den Endkampf um den Zustand unserer Beziehung daraus machen.
Was ist daraus zu lernen? Zunächst einmal, da gibt es das Gefühl, vollkommen unverbunden zu sein. Es gibt das Fehlen jeder inneren Sicherheit, dass “sie mir gut ist”. Es gibt in mir die Bereitschaft, mich zum eigenen Schaden entgegen meiner gegenteiligen Wünsche zu distanzieren. Es gibt die Bereitschaft, Situationen nach folgendem Muster zu strukturieren: Sie behandelt mich schlecht und ich werde das nicht akzeptieren.
Ich neige zur Unnachgiebigkeit.
Festzuhalten ist auch, dass ich unglaublich viel Energie damit verschwende, wenn ich so “schweigend vor mich hin wüte”. Da ist kaum etwas für wirkliche Meditation übrig geblieben.
Nachdenken möchte ich darüber, was es bedeutet, dass meine inneren Dialoge so verletzend sind. Vieles würde ich in einem realen Gespräch so nicht sagen, weil ich fürchten würde, schwere oder nicht heilende Wunden zu schlagen.
Als Aufgabe habe ich nun „zurückzukehren“. So viel Abkehr, so viel Entfernung war in meinen Gedanken. Und diese Gedanken haben für mich Realitätswert gehabt, man(n) wechselt nicht so einfach seine Realität.
Ich muss mich also nicht, oder deutlich weniger, schützen. Muss nicht heute die Spielregeln unserer zukünftigen Beziehung auskämpfen. Muss mich nicht darum sorgen, ob ich derjenige bin, der immer kommt. Muss mich nicht ungeliebt fühlen. Vor allem muss ich mich nicht entfernen um all diese miesen Gefühle ein für allemal auszuschließen
<O>
Einige schöne Rückmeldungen erhalten. Es war angenehm, mit mir Gemüse zu schneiden (Wir waren auch nach meiner Meinung ein gutes Team). Und ich hätte erstaunlich ruhig gesessen. Ein Lob, das mich dann doch erstaunt, weil es sich nicht mit meiner Innenwahrnehmung deckt.
22.01.2001, Montag
23.01.2001, Dienstag, [Mein drittes Koan]
24.01.2001, Mittwoch
25.01.2001 Donnerstag
[Donnerstags besteht die Möglichkeit ins nahe gelegen Städtchen, Kodaikanal, zu fahren.]
<O>
„Es gibt keine Lösung, weil es kein Problem gibt.“
Marcel Duchamp
<O>
Wie es mit dem “[Koan]kram” weiterging?
Ich ließ drei Tage herumgehen bis ich schließlich wieder zum Dokusan ging, nicht um das Koan zu lösen, sondern um im Gespräch zu bleiben. Ich sagte, ich wollte nur sicherstellen, dass er keine kleine Pantomime von mir wünsche, erstens, und zweitens seien mir die metaphorischen Bedeutungen [des Koans] durch den Kopf gegangen – Wünsche, Begierden – die zu zeigen ich noch viel weniger imstande sei.
Gewiss, manchmal seien kleine Darstellungen gefragt und manchmal gehe es auch um die Metaphern. [… U]nd setzt sich hin und schließt die Augen und ist [das Koan]. Vermutlich zumindest, denn so genau war das von außen nicht zu erkennen, was innen geschah.
Kurze Pause, dann “I will give you and new koan: [Mein drittes Koan]” Ich wiederholte die Frage und war entlassen.
So also bin ich nun bei meinem dritten Koan. Ohne die ersten zwei gelöst zu haben. Oder habe ich das, ohne es zu wissen? Ich bin mit neuem Interesse an der Literatur nun auf der Suche nach Hinweisen darauf, wie mit Koans umzugehen ist. Wichtig ist wohl, zum Koan zu werden, wie auch immer das erreicht wird. In einigen Schulen gehört es wohl dazu, dass Koan vor dem Versuch, es zu lösen, erneut aufzusagen, Wort für Wort auswendig. In anderen (oder den gleichen?) wird es während der Meditation in Gedanken Wort für Wort rezitiert. Ich muss mehr darüber herausfinden.
<O>
Eigentlich möchte ich über D. und mich schreiben, aber was? Unseren Groll aus dem Sesshin haben wir ab-, vielleicht auch nur beiseitegelegt. Ein Gespräch während des Aufstiegs auf den Peak nahm den für uns so typischen Verlauf einer ersten und langsamen Annäherung, der dann der Gesprächsabbruch seitens D. folgt, den sie oft so setzt, dass einfach durch räumlichen Abstand oder Menschen drumherum eine Fortsetzung wirklich unmöglich ist. Ich bleibe dann „angebrochen“ zurück und kann mich mit mir selbst unterhalten. Einziger Vorteil, ich muss nicht auf die Formulierung achten, denn da ist niemand mehr, den ich verletzen könnte.
Im Ernst, diesen Verlauf haben seitdem noch zwei weitere Gespräche genommen und ich vermute auch einige zuvor, ohne dass ich ihn zu diesem Zeitpunkt schon hätte benennen können. Aber was geschieht da? Ich glaube, sie wird einfach ungeduldig, weil sie von mir keinen Beitrag erhält, wie sie ihn erwartet. Was genau ihre Erwartung ist, weiss ich nicht.
Ganz allgemein formuliert sollte ich wohl mehr von mir erzählen. Leider erkennt sie nicht immer, wenn ich das tue. Und auf dem Weg zum Peak habe ich mich an einer Stelle dreimal wiederholen müssen, nur um festzustellen, dass sie meine Innenweltdarstellung unbedingt als Außenweltdarstellung diskutieren und bewerten wollte. Ein weiterer Versuch scheiterte am steilen Aufstieg […].
Dass ich nicht ihr Therapeut sei, muss ich wohl mal unbedacht gesagt haben, und auch dies trägt sie mir nach. Ebenso meine Anspielung auf den Beginn einer Therapiesitzung, als sie mich nach ich-weiss-nicht-mehr-was fragte. Dabei hätte ich mich durchaus darauf eingelassen. Mir ist ihr in-mich-dringen nicht so unangenehm, wie sie denkt.
Gewiss auch deswegen nicht, weil ich in der Vergangenheit bemerkt habe, dass sie solche engen Momente als Vorspiel benutzt. Geteilter Seelenschmerz als Stimulanz. Da scheinen beide von beidem etwas zu haben. Warum also nicht? Hat vor allem den Vorteil, dass es funktioniert. Ganz anders als ihre erfolglosen Versuche, mich hervorzulocken, wenn ich ohnehin schon sauer und umso mehr verschlossen bin. Bis ich dann halbwegs gesprächsfähig bin, ist ihre Geduld schon erschöpft und siehe-oben.
<O>
Enttäuschung also auf beiden Seiten. Sie hätte sich wohl mehr Unterstützung, Zuspruch oder Nachfrage bei Ihren persönlichen Problemen gewünscht. Ein Anspruch, dem ich nur zeitweise und mit Mühe nachkomme
Aber auch meine Hoffnung auf ein etwas freudvolleres und unbeschwerteres Leben hat sich nicht erfüllt. Stattdessen kämpfe ich nun an in fast allen Lebensbereichen mit dem Gefühl des Unvermögens.
26.01 Freitag
27.01 Samstag
28.01 Sonntag
Unser letzter Tag morgen fahren wir ab. Zunächst nach Madurai, wo wir noch zwei Tage verbringen werden. Danach nach Madras oder Mahabalipuram, wo wir nur noch auf den frühen Abflug warten werden.
Heute morgen habe ich noch einige Blumensamen aus dem Garten entnommen. Und auch einen Ableger der Minze. Ich möchte auch versuchen, einige Ableger des Koreagrases großzuziehen, es wächst so hübsch puschelig. Das mag ein Risiko sein, weil es angeblich nicht winterhart ist.
Nun, ich werde sehen.
Reisetagebuch Indien, Boddhi Zendo, 12.1. bis 7.2.2000
Das 2. Jahr im Boddhi Zendo, die Beschreibung des ersten Jahres gibt es hier.
13.1.2000, Donnerstag
Nach einer Nacht im Bus frühmorgens am Mittwoch in Perumalmalai angekommen, immer noch vom Fieber geschwächt. Zunächst war es schwierig, den Weg zu finden, aber einer der Teeverkäufer hat mich “eingefädelt” und danach ging’s nur noch geradeaus. Auf dem Weg den Berg hinauf habe ich den Sonnenaufgang sehen können, leider war ich so angestrengt vom Rucksack tragen, dass ich es nicht recht genießen konnte.
Umso schöner dann die Ankunft im Zendo. Ich kam kurz nach Beginn der ersten Meditation an (6:15 Uhr) und weil ich nicht stören wollte, ging ich ohne zu läuten hinein, nahm mir einen Stuhl im Innenhof und wartete.
Diese erste Stunde ist auch die Stunde des Dokusan und so konnte ich es einmal von außen erleben. Erst geht der Roshi zu seinem Dokusan-Raum, kurz darauf folgen die ersten zwei seiner Schüler und warten, bis die Lehrgespräche beginnen. Mit dem Läuten der Glocke geht der erste hinein, wenn die Glocke abermals läutet ist sein Dokusan beendet und der nächste Schüler geht hinein. Der erste geht zurück in die Meditationshalle, sagt einem der noch wartenden Schüler Bescheid, setzt sich und meditiert weiter. Besonders schön war, dass gleich die ersten Schülerinnen Bekannte vom ersten Jahr waren, Angelika, Regina und Rosmarie. Alle drei über 60, das will ich erwähnen bei dem gehäuften Auftreten von Frauennamen. Es war wie ein nach Hause kommen.
Meinen ersten Handschlag erhielt ich dann vom Roshi selbst. In jedem Film wäre er auf mich zugekommen und hätte etwas in der Art von “Da bist du ja endlich nach so vielen Inkarnationen” gesagt. Stattdessen sagte er: “Uhh, I forgot your name.” Anschließend plauderten wir etwas über das Wetter, wie das traditionellerweise schon seit Jahrhunderten zwischen Schüler und Meister geschieht.
Tatsächlich ist das Wetter durchaus der Erwähnung wert. Seit fünf Tagen war Regen gefallen und mit mir kam zum ersten Mal wieder die Sonne heraus. Alle sind froh darüber. Anschließend hatte ich frei, den ganzen ersten Tag, und habe ihn zum Ausschlafen genutzt. Ich habe eine handfeste Erkältung, zum Schnupfen ist es ein trockener Husten hinzugekommen.
Beim Liegen heize ich auf, aber wenn ich mich bewege, fühle ich mich wohl. Insgesamt ist das alles lästig, aber nicht mehr bedrohlich. Zwei meiner Bekannten aus dem Vorjahr haben mir angedroht, mich zu pflegen, falls ich abbaue und für schlimmere Komplikationen hat das Schicksal mir einen deutschen Arzt hergeschickt, der ebenfalls “sitzt”.
Kurz, ich bin gut angekommen und eigentlich kann es nur besser werden.
<O>
Es ist 3 Uhr morgens und ich bin wach, kein Wunder, wie schon beschrieben habe ich den ganzen gestrigen Tag geschlafen, dann ab 22 Uhr wieder und irgendwann muss es ja mal gut sein. Auch heute ist noch einmal frei und wenn es möglich ist, fahre ich nach Kodai um eine E-Mail abzusetzen, Helen Nachricht von meiner glücklichen Ankunft geben.
<O>
Am anderen Ende des Donnerstags war ich nicht in Kodai, fühlte mich nicht danach. Habe es vorgezogen, auch diesen Tag im Bett zu verbringen. Bin nur zu den Mahlzeiten aufgestanden, wenig Kontakt zu den anderen. Heute Abend die erste Meditation sehr unruhig, viele Gedanken, ich bin im Kopf dabei Briefe zu schreiben und nette Formulierungen zu erfinden, als sei ich nicht für mich hier, sondern dafür, es anderen zu beschreiben.
Links von mir sitzt Regine, womit ich sehr zufrieden bin. Erstens mag ich sie und zweitens sitzt sie sehr ruhig. Da kann ich mich in schwierigen Zeiten mitnehmen lassen. Rechts von mir ist noch frei und Platz für Überraschungen. Die Abläufe sind mir noch fremd. Ich muss mich erst daran erinnern, selbst die Handhaltung beim Gehen finde ich nicht mehr.
14.1.2000, Freitag
Auch bei der ersten Morgenmeditation wieder Briefe im Kopf. Ich werde sie wohl demnächst mal aufschreiben müssen, um sie loszuwerden.
Dokusan habe ich an mir vorübergehen lassen. Zur Ausrede habe ich, dass sie es etwas anders handhaben als im letzten Jahr. Keine Zeichen mehr mit dem Buch und so. Das gilt allerdings nur noch zwei Tage, während des Seshins wird es wieder sein wie gewohnt. Und “wie gewohnt” habe ich ja gerne.
<O>
Samu [Arbeit für die Gemeinschaft] war den ersten Tag im Garten, ab morgen werde ich die Gänge vor den Türen kehren.
15.01.2000 Samstag
16.01.2000 Sonntag
Es fällt mir schwer, nicht zu depressiv zu werden. Die Erkältung (und vielleicht die Depression) lastet auf mir. Glücklicherweise scheint die Sonne und ich sitze vor dem Outdoor-Oak mit Blick in die Berge.
[Es beginnt ein Brief, den ich anscheinend nicht abschließe und von dem ich nicht weiß, ob ich ihn jemals abgesandt habe, überschrieben mit:]
Letter to all – Einer für alle.
Bin glücklich und fiebrig (Erkältung) in Indien angekommen. Hier hat sich wenig verändert seit dem letzten Mal, für die Jahreszeit ist es zu heiß und die Männer tragen seltsame Röckchen. Das zu erkennen ging schnell, auch hier im Zendo gibt es große kulturelle Unterschiede.
Vielleicht am Erstaunlichsten: hier wird mit großer Selbstverständlichkeit gespült. […]. Sogar der Roshi spült seine Teller selbst, obwohl er das ja leicht von seiner europäischen Anhängerschaft erledigen lassen könnte. Ich jedenfalls würde ihm gerne die Teller waschen, wenn er mich dafür ein kleines bisschen erleuchten würde.
Aber nein, spülen und erleuchten muss sich jeder selbst. Überhaupt, das mit der Erleuchtung ist harte Arbeit und nachdem ich hier Menschen wiedergetroffen habe, die vor einem Jahr auch hier waren, vermute ich, dass es mit vier Wochen Intensivbemühung nicht getan ist. Schade eigentlich!
Ein besonderes Hindernis scheint neben den schmerzenden Beinen meine Neigung zu sein, während der Meditation an launigen Formulierungen für meine E-Mails zu denken. Dabei sollte ich eigentlich gar nicht denken (vereinfacht ausgedrückt). Hat schon meine Mutter gesagt: “Bub, du denkst zu viel.” Hat sie möglicherweise anders gemeint als der Roshi.
Das Haupthindernis aber, das EGO, muss man sich vorstellen wie die Matrix oder das Gedächtnisimplantat in Total Recall. Nur eine Illusion, aber gut gemacht. Spätestens wenn wir es für eine eigene Leistung halten, dass wir nicht mehr in die Windeln scheißen, ist die Ego-Implantation gelungen und zwingt uns im weiteren Verlauf zu beruflichem Engagement, Drogenkonsum, Diät oder Psychotherapie, die Vorlieben sind da verschieden.
Aber ich fürchte ich schweife ab. [Ende des Briefentwurfs]
Montag, der 17.01.2000
Dienstag, der 18.01.2000, 3 Uhr morgens.
Gestern Abend der Beginn des Sesshins. Noch am Nachmittag sind einige neue, und wie es scheint unerfahrene Menschen gekommen. Sie haben harte Arbeit vor sich.
So auch ich. Ich doktere an den Sachen rum, an denen man halt am Anfang rummacht. Wie sitze ich? Welche Haltung? Wie nicht denken? Zählen oder nicht? Kurz, ich bin hier am Anfang.
Dadurch, dass ich an den Tagen geschlafen habe und mein Tag-Nacht-Rhythmus verschoben ist, wache ich in den Nächten auf und bleibe wach. Mit den Gedanken bin ich oft zu Hause bei Helen. Am Platz. Die Kinder nehmen weniger Gedanken in Anspruch. Ich komme hier nicht an.
Sicher ist meine Erkältung, die sich hartnäckig hält, Ursache und Wirkung zugleich. Auf undeutliche Weise hat das mit Schuldgefühlen zu tun, weil ich schon wieder weg bin.
Und es hat zu tun mit meiner Intuition, dass ich nicht reisen sollte dieses Jahr. Dieses Gefühl war ja sehr stark und ich habe dann eine Kopfentscheidung für diese Reise gemacht. Weil ich mich von undeutlichen Ängsten, die sich auf Krankheiten oder Unfälle beziehen, nicht bestimmen lassen wollte. Zudem hatte sich Helen gerade von mir getrennt und vor mir lag ein langer depressiver Winter.
Vielleicht sagt die Intuition aber nur “Alles kommt anders, als du denkst, und du wirst diese Reise nicht genießen können“ oder “Was einmal gut war, muss in der Wiederholung nicht gut sein“.
Ohne die neuen Jungen wären wir hier ein ziemliches Altersheim, mehrheitlich Menschen über 50, oft viel älter! Da schleicht sich die Frage ein, was ich hier eigentlich will. Denn fortsetzen werde ich die Praxis zu Hause nicht, so viel scheint mir festzustehen.
“Die Alten” sind anscheinend aber bereit, viel Zeit aufzuwenden, haben sie vielleicht auch eher (Quatsch, ich habe alle Zeit der Welt). Letztlich, vielleicht sind sie auch näher dran an Krankheit, Alter und Tod.
Mein Start hier in der ersten Woche war von vier annähernd freien Tagen begleitet, was wegen der Erkältung gut war, mir aber andererseits zu viel Luft für depressive Gedanken gelassen hat. Ich will nicht depressiv sein. Vielleicht heisst so das Problem. Ich will nicht durchhängen, aber ich tue es und diese Woche wurde das auch durch meditatives Nicht-Tun nur schwach verdeckt.
“Wenn ich schon nichts tue, dann will ich wenigstens das richtig tun, nämlich meditativ.“ So war mein Ansatz vom letzten Jahr. Wie der Ansatz dieses Jahr heißt, weiß ich nicht. Da war ja zunächst nur dieses Darübernachdenken, ob es noch mal Sinn machen würde [, ein weiteres Mal ins Zendo zu kommen].
Was sich nach außen als „Vielleicht mache ich das noch mal” geäußert hat. Auch Helen gegenüber musste ich die Möglichkeiten offen halten, weil “nicht gehen“ dann einfacher wäre als im umgekehrten Fall (Ich will das nicht noch mal) dann doch zu gehen.
Interessanterweise hat dann diese offen gehaltene Tür Eberhard erlaubt, den Fuß dazwischen zu stellen: “Magst du das nicht mit Bangladesch verbinden, denn da möchte ich gerne noch mal hin?“ Eigentlich hat sich da nur eine offen gehaltene Möglichkeit in meinem Leben verselbstständigt, gewissermaßen einen unerwarteten Zug entwickelt.
Diese Zugkraft zu entwickeln war aber nur möglich, weil ich „allein“ war, verlassen und ohne Aussicht auf Besserung. Ich wollte, ich könnte an dieser Stelle klarere Gedanken entwickelt. Es gibt einen Anteil Helens, der mitverursachend für diese Reise ist (sie würde das vermutlich empört abstreiten).
Gesetzt der Fall, die damalige Trennung von mir wäre – und sei es nur zum Teil – bedingt gewesen durch die Angst vor dieser Reise. Dann hätten wir es mit einer klassischen neurotischen Grundstruktur zu tun, die hervorruft, was sie abwenden will. Ich traue uns so etwas zu.
Soweit zum Ansatz, warum ich eigentlich hier im Zendo bin, möglicherweise aus Versehen, neurotischerseits.
Dass ich meiner Winterdepression auch in Indien nicht entgehen kann, wäre vorhersehbar gewesen. Dass ich jetzt, da ich bald aufstehen muss, langsam beginne müde zu werden, auch. Nennenswerte Gedanken. Keine mehr.
<O>
Erste Meditationseinheit: heftige sexuelle Fantasien. Geht die Zeit sehr angenehm bei rum! Bleibt aber auch die Erkenntnis, dass Helen und ich unsere Möglichkeiten noch lange nicht ausgereizt haben.
Die Erkältung hält immer noch an, Schnupfen und Husten. Kaum noch der Erwähnung wert, weil gutmütig im Hintergrund. Im Vordergrund immer wieder fiebrige Schübe und ein unglaubliches Schlafbedürfnis. Ich bin in ganz ungewohnter Weise geschwächt.
Im Laufe des gestrigen Tages hat sich ein Druck im linken Unterkiefer spürbar gemacht, den ich jetzt für den Auslöser all meiner Kränkelei halte. Irgendeine Entzündung im Unterkiefer. Gerne würde ich mal mit jemand darüber reden. Aber während des Sesshins ist das nur schwer möglich. Ich hoffe, dass ich nach dem Sesshin die Entzündung mit Antibiotika platt machen kann. Wenn das so einfach geht, ich muss mich beraten lassen. Als einer der jüngeren hier sollte ich bei den älteren genügend medizinische Erfahrung finden.
Im Moment beginnen Kopfschmerzen, auch das eine neue Erfahrung. Ebenfalls links, genau wie die Nebenhöhle, von der ich kurz befürchtete, sie sei der entzündliche Übeltäter. Ich glaube aber, dass ich die Nebenhöhle mit Imaginationen während der Meditation frei gekriegt habe.
Mit dem Unterkiefer will das bis jetzt nicht gelingen. Vielleicht fehlt mir das richtige Bild oder irgendetwas anderes. Alles sehr unklar, das!
Jetzt kehren!
<O>
Heute Nachmittag Eucharistie. Wollte ursprünglich nicht teilnehmen, saß dann aber auf einmal doch drin, weil ich auf der Ankündigung mal wieder Thursday mit Tuesday verwechselt habe. Und dann Reginas Ankündigung falsch verstand.
Habe also den Gottesdienst mitgemacht und gegen Ende gibt es dann ja Blut und Fleisch Christi. Hatte beschlossen, das ganze Programm mitzumachen und als ich dann plötzlich die Hostien und den Wein vor mir hatte, habe ich es erst begriffen: Wein, Hostien darin eintunken, essen und weitergeben. Kein Gottesdienst, sondern der lustigste Rückfall der Welt.
Interessant ist , dass wirklich sofort der Gedanke kam, die Erfahrung zu wiederholen. Nur ein Glas Wein, vielleicht mal als Stimmungsaufheller? Nein, das werde ich wohl lassen. Aber die Lust auf “mehr” war wirklich sofort da.
<O>
Heute Mittag abermals starke Kopfschmerzen links, die circa eine Stunde anhielten und dann wieder verschwanden. Stärke so, dass ich über Schmerzmittel nachgedacht habe. Könnte sein, dass sie gerade wieder beginnen. Vermutlich komme ich aber früh genug ins Bett, nur noch ein Stündchen meditieren.
Donnerstag, 20.01.2000
Freitag, 21.01.2000
Samstag, 22.01.2000
Einige unsortierte Gedanken.
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- Wing Chun
- Zendo
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Seiten sammeln, die über Dinge berichten, die mich mal mehr beschäftigt haben. Verweist auf digitale Darstellung meines Lebens
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- Zwiegespräch, Excerpt machen, Helen darüber schreiben
- Idee Kursangebot umsonst und draussen
- Werkzeug zurückziehen und sortieren
- Eventuell Kinderwagen ebenfalls an großen Wagen anschließen
- Finanzplanung neu, wofür will ich Geld ausgeben?
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Mir gehen unglaublich viele Dinge während der Meditation im Kopf herum. Ist dann gewiss nicht mehr Zen. Nennen wir es Introspektion! Soll ja auch heilsam sein. Und gleich geht’s weiter.
Sonntag 23.01.2000, morgens
Ende der Sesshins nach dem Frühstück.
Zwischendrin habe ich einen Tag verloren, war der festen Überzeugung, dass heute Samstag sei und das Sesshin einen Tag früher als geplant endete. Ist aber nicht so, wie ich mir glaubhaft versichern ließ. Insgesamt ist dieses Sesshin von meinen “verschieden” Krankheiten überschattet gewesen und wenig “erfolgreich” im Sinne der Zen-Meditation. Wenig bei meinem Atem geblieben, immer wieder die “Vermehrung der Begriffe” (sich in Gedanken verlieren). Manchmal erlaube ich mir das auch mal, es kann entspannend sein oder auch von schmerzenden Knien ablenken.
Auf der positiven Seite steht, ob Zen oder nicht, dass es mir relativ leicht gefallen ist, die langen Zeiten durchzumeditieren oder zumindest von außen den Eindruck zu erwecken. Ich neige dazu, meine Leistung abzuwerten, bemerke ich gerade. Auch eine solch lange Zeit der Introspektion ist einiges wert.
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Gedanken an […, der mich mal sehr verletzt hat]
Für welche Teile unserer Geschichte könnte ich mich von den “Begriffen” trennen, den Erwartungen, den Vorstellungen, wie etwas zu sein hat. Zum Beispiel Freundschaft. Und wo ist Vergebung möglich? Ich glaube, Vergebung ist mir möglich, aber da ist die große Angst vor der Wiederholung, die Angst, abermals verletzt zu werden.
Da ist auf kindlichem Niveau ein “Ich will wieder gut mit dir sein, wenn du mir versprichst, das nie wieder zu tun.”
Montag, 24.1.2000
Mein Leben kommt mir sehr klein und nichtig, wertlos vor. Nichts womit ich renommieren könnte. Oder zumindest nichts, womit ich vor mir selbst renommieren und bestehen könnte. Was habe ich getan? Was habe ich in die Welt gebracht? Wie wenig da ist!
Wechsel vom Brief zum Tagebuch. Der Brief soll positiv bleiben und zumindest nicht zu depressiv werden. Sitze vorm Blatt und springe von Gedanken zu Gedanken, wie ich das manchmal auch während der Meditation mache.
Viel lieber aber wäre ich in unserem Gemeinschaftsraum, die Füße auf den Ofen gelegt und mit irgendwem über irgendein nichtiges Etwas ein Gespräch führen. Bewirkt Meditation irgendetwas bei mir? Im Moment zumindest geht es mir schlechter als gewohnt. Depressive Gedanken, Gefühle des Unwerts.
Dienstag 25.01.2000
Hepar sulfuris, alle drei Stunden drei Kügelchen für zwei Tage.
Mittwoch, 26.01.2000
Wanderung zum Peak.
Donnerstag 27.01.2000
D.E. Harding Book of Leben und Tod.
Leseempfehlung des Roshi.
Heute fragt Ama Sami mich, was ich gerade lese und bietet anschließend an, mir Literatur zu empfehlen (siehe oben). Ich solle das mal lesen, wir könnten darüber reden, “beside the tea” und dann “maybe he would give me another one.” Ach ja! Das Gewechsel zwischen Englisch und Deutsch.
Ich finde es schön, dass er auf mich zugekommen ist, wenngleich es mich auch etwas unter Druck setzt. Zumindest muss ich mich ja formulieren in Bezug auf das Gelesene. Und das ist nicht immer einfach. Vielfach habe ich ähnliches ja schon gelesen, vielleicht sogar verstanden in dem Sinn, wie es einst hingeschrieben war. Nur erfahren habe ich es gewiss noch nicht. Wie also sich darüber äußern?
Morgen kommen 15 Schüler von der Kodai-Schule und ich habe erstmals Misstrauen in mir gespürt. Mein Geld, das die ganze Zeit in einem unverschlossenen Zimmer lag, versteckt. Die Jungen sind ja manchmal weniger gefestigt, sage ich mir.
Muss ich mir darüber Gedanken machen? So wenig wie über anderes.
In mir scheint etwas zu sein, dass einen Ausgleich zur Heiligkeit sucht. So wie ich damals nach meiner Zendo-Zeit in diesen dusseligen Horrorfilm musste. Habe mich eben lange damit entspannt, die mitgebrachten Pin-up-Girls anzuschauen (nach der Lektüre eines Teils der vom Roshi empfohlenen Literatur).
[… .] Trotzdem, meine Libido ist ruhelos am hin- und herschweifen. Selbst an alte Frauen heftet sie sich, wenn keine jungen da sind. Und hier sind gerade keine jungen. Obwohl, Amelie ist heute wiedergekommen. Nun, auf diese Weise habe ich in “jungen” Jahren schon erfahren dürfen, wie der alte Schwerenöter dann die gleichaltrigen Frauen anschauen wird. Und auch im Alter gibt es grosse Unterschiede. Manchen der alten Damen hier sieht man noch an, wie schön sie einmal gewesen sein müssen. Es wäre richtiger zu sagen, dass sie noch immer schön sind, nur eben gealtert.
Ein anderes großes Thema neben den Frauen ist Gewalt und Rache. Das geht mir im Kopf herum. […, der Typ], den ich an die Wand gestellt habe [und aufgrund dessen ich dann einigen Ärger hatte], ruft Rachegelüste in mir hervor. Zugleich auch die Gewissheit, dass jede Rache in letzter Konsequenz auf mich zurückfallen würde. Also nichts mit Rache. Aber schwer, sich davon zu trennen.
Und dann Gedanken an […], überhaupt nicht zu lösen, alle Probleme, die ihn betreffen. Weil da keine Vernunft ist, kein gemeinsames Weltbild, nur Wahn. Vielleicht wäre ich in einer ähnlichen Welt wie er, wenn ich meine Rachegedanken für Realität oder echte Pläne halten würde. Wenn ich versuchen würde, sie auszuführen. Wie leicht es ist, sich im Wahn zu verlieren.
Aber es bleibt das Gefühl der Bedrohung, die von ihm ausgeht, und mir fällt nichts anderes ein, als Gewalt mit Gewalt zu begegnen. Was überhaupt keine Lösung sein kann. Vielleicht hat der Buddha Sex & Crime vergessen in seiner Aufzählungen der wirklichen Probleme.
Freitag, 28.1.2000
Habe eben hinten [ins Tagebuch] Hannahs Bild und ihren Erinnerungszettel für mich eingeklebt. Vielleicht weil ich mich einsam fühle und gerne zu Hause wäre. Eine sentimentale Aufwallung. Ein Anfall von Weinerlichkeit. Wie auch immer, ich glaube, die nächsten Jahre werde ich zu Hause bleiben oder Helen und die Kinder mitnehmen (oder nur Helen oder ganz jemand anderen, falls Sie mich zum Teufel jagt).
Ich muss diese letzte Klammer schreiben. Ich bin mir ihrer nicht mehr auf selbstverständliche Art und Weise sicher, obwohl ich es gerne wäre. Aber das ist zuerst intellektuell und letztlich auch aus Erfahrung nicht möglich.
[…] Vor mir auf dem Schreibtisch liegt aufgeschlagen der Wasserfarbkasten, daneben mehrere vorbereitete Untergründe für Mandalas. Aber nichts zieht mich an. Der Gedanke an das Malen langweilt mich schon. Keine neuen Ideen in mir und wenig Antrieb, die alten zu wiederholen. Mir fällt dieser Tipp ein, mit dem Kulturschock umzugehen. Nein, ich habe keinen! Es wäre ratsam, sich Dinge mitzunehmen (Kassetten, Bücher, Sportzubehör, etc.) mit deren Hilfe man sich seiner Identität versichern könne. Dinge, die man zu Hause mag und die auch im Ausland funktionieren. Der Farbkasten ist ein fehlgeschlagener Versuch, diesem Tipp nachzugehen. Ansonsten ist da nicht viel, das Tagebuch noch und ein deutsches Buch, das ich endlich nicht nur lesen, sondern auch verstehen will.
Nein, das einzige, was funktioniert, um mich zu fühlen, wie ich mich manchmal zu Hause fühle, ist die Form [eine festgelegte Abfolge von Bewegungen, die der Automatisierung eben dieser Bewegungen im Kampf dient]. Sie gibt mir ein Gefühl der Identität, des Ich-Seins. Aber man kann nicht dauernd die Form machen und die Wirkung ist ja auch nur begrenzt.
All das bestätigt natürlich die buddhistische Sicht, das Fehlen eines Ich. Da ist kein Günther übrig, wenn man ihn aus seiner gewohnten Umgebung nimmt. Da formt sich etwas Anderes, Neues in einer neuen Umgebung, das sich gewohnheitsmässig Günther nennen lässt, gewiss auch äußere und innere Ähnlichkeiten aufweist, zu dem, der vorher war. Aber doch unterschieden von vorher ist, wie die vorherige Umgebung zur jetzigen. Es gibt keinen inneren Kern des Günther-seins. Es gibt nur ein Ego, das sich für Günther hält und dem das Beschriebene gar nicht gefällt und das sich durchaus in Erinnerung bringt.
Durch Missstimmungen wie der gegenwärtigen (“Bring mich heim, dorthin, wo ich unzweifelhaft existiere!”) oder durch Fantasien von Allmacht und Ohnmacht.
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Frischer Wind in unserer kleinen Gemeinde. “The students” sind da, eine Gruppe indischer Schüler, die sich drei Tage lang Meditation anschauen. Ziemliche Unruhe, keiner weiß, wie und wo. Bis jetzt sind die Untergruppen noch getrennt. Aber mehr als ein Abendessen hatten wir ja auch noch nicht zusammen. Zusammen mit den “students” sind zwei deutsche Zimmerleute gekommen, die hier in Indien auf der Walz sind. Machen in der Schule den Spielplatz neu. Und nehmen jetzt eben auch die Zen-Meditation mit.
Für die Youngsters gibt’s heute Abend eine leicht veränderten Ablauf, zweimal 15 Minuten, danach Ende für Sie und nochmal 25 Minuten für uns, die wir die Nummer hier gewohnt sind.
Samstag, 29.1.2000
Die 25 Minuten für uns wurden dann doch abgehängt, vermutlich einfach so. Aber trotzdem ein Zeichen, dass es “wir” und “sie” so wenig gibt wie “ich” und „du“.
Sonntag, 30.1.2000
Montag, 31.1.2000
Dienstag,1.2.200
Mittwoch 2.2.2000
Donnerstag, 3.2.2000
Vielleicht ist auch das Zen, tagelang nichts mitzuteilen zu haben. Entleerung? Was-auch-immer, im Übermaß ist es schwer auszuhalten. Wenn ich zu lange schweige, gehe ich mir verloren. Selten so deutlich erlebt, wie wir alle uns immer wieder durch Kommunikation erschaffen. Wie wir diese Oberfläche erschaffen, an die andere ihre Vorstellungen und Erwartungen heften können. Und die uns selbst Stabilität gibt.
Oder: ich gebe dem Gegenüber eine Vorstellung von mir. Ich übermittle ihm meinen Wert (gelegentlich wohl auch Unwert) in der Hoffnung, dass er mich in dieser Vorstellung von mir bestätigt und wertschätzt
Umgekehrt: Wenn der andere nichts über mich weiß, weiß auch ich weder mich noch ihn einzuschätzen.
Ein wichtiger Teil meiner Identität ist es, Wagenbewohner zu sein. Wagenbewohner zu sein hat für meine Selbstdarstellung den Wert eines Berufs. Dies ist es, was ich zuerst über mich mitteilen möchte. Ich lebe im Wagen. Erst danach kommt die Familie. Und dann vielleicht meine Vielseitigkeit, dokumentiert durch meine Berufe und Jobs und Fähigkeiten.
Zuletzt [im Sinne von am Wenigsten] möchte ich mitteilen (oft zuerst erfragt), dass ich mit all meinen Fähigkeiten doch abhängig von der Arbeitslosenhilfe bin. Ein Makel heftet daran. Je nach Laune kann ich das anerkennen oder abstreiten. Am Ende aller inneren und äußeren Diskussion bleibt die Frage, was ich der Gesellschaft zurückgebe dafür, dass sie mich alimentiert.
Das ist nicht nichts, aber es bleibt oft das Gefühl, es sei zu wenig. Aber mit diesem Gefühl, nicht zu genügen, bin ich aufgewachsen. Also: “nicht genug” gemessen an welchem Maßstab?
Diesen Maßstab zu erarbeiten, könnte eine interessante Aufgabe sein. Beginnen wir (wer noch?) mit dem Geld. Sagen wir, besser: ich, meine Arbeitsstunde ist 25 Mark wert. Bei 1600 D-Mark monatlich schulde ich der Gesellschaft 64 Arbeitsstunden pro Monat, heisst 16 Stunden pro Woche (grob gerechnet) oder zwei Arbeitstage.
Zwei Arbeitstage sollten also ausgefüllt sein mit Tätigkeiten, die im weitesten Sinn der Gesellschaft zugutekommen.
Also:
- Welche Tätigkeiten, egal ob bezahlt oder unbezahlt, kommen der Gesellschaft zugute?
- Welche davon übe ich aus? In der Beantwortung werden wohl beide Fragen zusammenkommen.
Brainstorming: ehrenamtliche Arbeit, Erziehungsarbeit, Sozialarbeit, Umweltschutz, Bildungsarbeit individuelle Hilfe.
Zwischenfrage für den Erbsenzähler: Diejenigen Tätigkeiten, die andere Berufstätige nebenbei erledigen, darf ich mir die so ohne weiteres gutschreiben? Diese Frage erstmal vernachlässigen, aber im Auge behalten.
Gesellschaftlich nützliche Tätigkeiten
Ehrenamt
Nehmen wir die Arbeit im Weltladen. Unbezahlte Bildungsarbeit, die von gesellschaftlich anerkannten Institutionen immerhin mit großen Beträgen bezuschusst, das heißt wertgeschätzt wird. (Und schon taucht wieder eine Zwischenfrage auf. Wie drückt sich die gesellschaftliche Wertschätzung einer Tätigkeit aus? Zuschüsse, Steuererleichterungen, Rentenausfallzeiten, allgemeine Anerkennung und soziale Einbindung, was noch?)
Soweit diese Wertschätzung benennbar und nachvollziehbar ist, ist sie in der „rechtfertigenden“ Diskussion ein großer Pluspunkt. Für jede Vereinsarbeit bedeutet das, dass Gemeinnützigkeit ein wichtiges Kriterium ist. Okay, die Arbeit im Weltladen ist also unzweifelhaft gute und nützliche Arbeit. Bei entsprechender Ausweitung des Engagements könnte ich auf einen Arbeitstag bzw. 8 Stunden kommen.
Wie ist das mit der Vereinsarbeit für den Pool [der Wagenplatz, auf dem ich lebe]? Zunächst ist der gesellschaftliche Wert nicht durch Gemeinnützigkeit dokumentiert, vordergründig werden nur eigene Vorteile geschaffen. Für die Gesellschaft fallen nur Brotkrumen ab, als da wären: Erhaltung der kulturellen Vielfalt, Lebenswelt für Aussenseiter (Wagenplatz statt Neurose), sparsamer Umgang mit den Ressourcen (Strom, Wasser, Energieeinsatz für Wohnraum) Erkundung von alternativen Techniken und Lebensweisen, Modellcharakter, Umweltschutz, soziale Gestaltung, Solidarität. Kurz: der gesellschaftliche Nutzen, wiewohl deutlich erspürt von jedem der sich nähert, ist nur schwer und abstrakt zu fassen, manchmal strittig oder sogar abzustreiten.
Wie ist das mit der Sozialarbeit, die ich dort leiste, einfach deshalb, weil ich dort bin, Sozialpädagoge bin und gar nicht anders kann, als sozialpädagogisch auf die Menschen einzuwirken. Da entsteht gesellschaftlicher Nutzen. Aber wie lange am Tag bin ich am Platz Sozialpädagoge und wie lange selbst Sozialfall? Sagen wir eine Viertelstunde pro Tag, sonntags frei, macht eineinhalb Stunden pro Woche.
Was ist mit Umweltschutz? Gesetzt der Fall, wir bauen den Pool zurück. Ist das gesellschaftlich nützliche Arbeit? Ich glaube ja, obwohl wir als Gruppe zunächst den größten Vorteil davon haben: den Ausblick. Aber darüber hinaus gewinnt auch das uns umgebenden Naturschutzgebiet ein feuchtes Fleckchen hinzu. Wenn eine Zusammenarbeit mit den Schlammspringern zustande kommt, wird dieser gesellschaftliche Nutzen noch besser dokumentierbar sein. (Zwischengedanke: die Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Gruppen sollte irgendwie in die Betrachtung eingehen.)
Nebenbei: Unsere Waschmaschinen-Klo-Kombination dürfte in der Form bis jetzt auch unerprobt und einmalig sein.
Zurück zum Teich, jede Stunde Arbeit daran ist gesellschaftlich nützlich.
Was ist mit der Erziehungsarbeit? Gesellschaftlich nützlich auf jeden Fall. Aber wie bewerten. Die Kinder zu fördern, so gut es geht, ist ihr eingeborenes Recht. Und auch ausdrücklicher Wille der meisten Eltern. Dass Frauen dafür Anerkennung und finanzielle Gegenleistung bekommen sollten, ist den meisten Menschen noch zu vermitteln. Aber arbeitslose Väter? Natürlich, Väter, die sich kümmern, bekommen Anerkennung. Aber den gesellschaftlichen Nutzen dafür anzuerkennen ist wohl verschieden davon. Es sind ja die eigenen Kinder, wiewohl auch deren in der Welt stehen das Bild der zukünftigen Welt zum guten oder schlechten prägt.
Kurz, ich glaube Erziehungsarbeit als Arbeit in das Bewusstsein zu heben, ist als Mann nur schwer zu leisten. Das muss (und kann besser) von Frauen geleistet werden.
Bleibt die individuelle Hilfe? Was meine ich überhaupt damit? Nachbarschaftshilfe, alten Omas über die Straße helfen? In Notfällen (welchen?) aushelfen, einfach ein guter und hilfreicher Mensch sein. Nein, da fällt mir jetzt nichts mehr ein. Undeutlich alles, wo die Gesellschaft einspringen müsste, es aber nicht tut. (Gedanke: Wie wäre die Mitarbeit an einem Tauschring aufzufassen?)
Bleibt am Ende dieses Eintrags die Erkenntnis, dass gesellschaftlich nützliche Arbeit am leichtesten dort zu vermitteln bzw. zum Zwecke der Rechtfertigung der eigenen Arbeitslosigkeit zu gebrauchen ist, wo sie im Rahmen von als gemeinnützig eingetragenen Vereinen geschieht oder von anerkannten gesellschaftlichen Institutionen bezuschusst wird. Darüber hinaus käme noch das Engagement in Parteien, Bürgerinitiativen oder Aktionsgruppen in Frage, die sich gerade aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen widmen. Daraus folgt:
- Weltladenarbeit weitermachen
- gemeinnützigen Förderverein für Wagenkultur gründen (damit habe ich den gesellschaftlichen Nutzen vor meiner Tür!)
- Arbeit am Teich beginnen.
- Legalisierung des Platzes weiter betreiben (das heißt der Gesellschaft eine weitere Lebensweise auch formal einfügen.)
All das Beschriebene ist natürlich für ein Leben genug. Und wo bleiben meine Umbaupläne und der Ausbau der Häuser? Und mein Interesse fürs Internet und Computertechnologie. Es gilt noch einmal, darüber nachzudenken. Dies aber nicht heute.
4.2.2000, Freitag
5.2.2000, Samstag
6.2 2000, Sonntag
7.2.2000, Montag
Letzter Tag heute. Morgen Aufbruch um 6 Uhr mit dem Jeep zur Busstation, die nach Dindigul führt, von dort nach Chennai. Bin von einigen Menschen hier sehr herzlich verabschiedet worden. Immer wieder die Frage nach dem “nächsten Jahr”. Eigentlich käme ich gerne mit Helen hierher. Aber dann müssten die Kinder versorgt sein. Ob meine Mutter …? Aber für wie lange? Vier bis sechs Wochen müssten schon sein. Nein, was im nächsten Jahr ist, lässt sich jetzt noch nicht wissen.
Hinzu kommt, dass ich noch nicht so recht weiß, was ich von den diesjährigen vier Wochen halten soll. Meine Meditationspraxis hat sich ganz sicher nicht vertieft. Dazu bin ich viel zu oft und viel zu gerne in meinen Fantasien und Gedanken abgetrieben. Habe viel geträumt, diese vier Wochen, stundenlang dagesessen und geträumt. Nun ist natürlich auch das Praxis, nennen wir es mal einen träumenden Buddha. Aber der träumende Buddha ist unzufrieden mit sich. Also ein unzufriedener Buddha, ein Buddha, der sich selbst Vorwürfe macht (Hätte mehr tun können etc.)
Ich weiß also jetzt, wie ich mich wochenlang in Fantasien flüchten kann. Ich kann in und mit meinen Fantasien leben. Sie sind mir so lieb wie das wirkliche Leben. Ich hänge an ihnen. Ich träume mein Leben vorbei.
Das geht auch zu Hause hinter dem Ofen. Fast noch besser dort, nur fällt mir dort nicht ein, zum Atem zurückzukehren, wenn ich unzufrieden werde. Warten wir ab, wie sich diese Erfahrung des Träumens in meinem Leben auswirkt.
Update (31.3.2023): Der dritte und zugleich letzte Teil ist veröffentlicht, wie zuvor mit Einleitung am Veröffentlichungstag und den chronologisch einsortierten Tagebucheinträgen.
Weihnachten in Kalkutta
eingefügt 24.12.2019
24.12.1998, 80. Tag, Donnerstag
Frühstück im Blue Sky, Müsli und schwarzer Kaffee. Habe lange (durch)geschlafen, nachdem ich mich in der Nacht ausgeschissen habe (Durchfall). Bin nicht ganz in Ordnung, Husten und sehr leichtes Fieber. Werde mich jetzt nicht davon stören lassen, sondern mich gut ernähren und hoffen, dass es vorüber geht.
Nun ist es kurz vor 12:00 und ich werde meine Pläne für den Sightseeing-Tag machen.
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Botanischer Garten
Erst zum Hooghli spaziert und mit der Fähre übergesetzt. Danach mir den Luxus eines Taxis geleistet um hinzukommen. Rückweg mit dem Bus für 1/14 des Fahrpreises.
Der botanische Garten ist angenehm ruhig, ein Platz zum Entspannen, was mir dort auch gelungen ist. Einfach nur darin herumgelaufen, die Pflanzen waren zum Teil interessant, für mich aber doch eher nebensächlich. Wichtig war die Ruhe, keine Autos, kein Gehube, keine Verkäufer. Für den Weihnachtstag genau richtig, beschauliches Spazierengehen.
25.12.1998, 81. Tag, Freitag
Den Weihnachtsabend im Mutterhaus von Mutter Theresa verbracht. Ab 8:00 abends eine Prozession mit Kerzen von der Heilsarmee zum Mutterhaus, Dauer circa 45 Minuten. Dort ein Krippenspiel, aufgeführt von den westlichen Volunteers mit netten, ungewollt humoristischen Einlagen.
Ab 22:00 dann eine Christmesse, deren Aufsteh- und Wieder-Hinsetz-Rituale mir etwa so unverständlich waren wie ein Kali-Tempel. Nach der Messe gab’s Kakao (geil) und Gewürzkuchen und eine Banane und eine Karte mit einem Spruch.
Zurück wollte ich eigentlich schnell und unkompliziert, aber irgendjemand hatte Fanis Markenturnschuhe mit seinen verwechselt (hoffentlich) und sie führte lange Zeit am Ausgang eine Fußkontrolle durch.
Zurück in der Heilsarmee dann noch eine mit Süßigkeiten gefüllte Socke auf dem Bett. Richtig nett.
Dennoch, irgendwie ist es unmöglich diesen Tag auf angemessene Weise zu begehen. Während der Messe hatte ich den Wunsch „zuhause“ geblieben zu sein (das war einfach nicht meine Art von Veranstaltung). Wäre ich aber zuhause geblieben, hätte ich dort gesessen und mich gefragt, warum ich mit diesem besonderen Tag nichts Besseres anzufangen weiß. Ich kann diesen Tag nicht begehen und ich kann ihn nicht ignorieren.
Vor diesem Hintergrund bin ich mit meiner Wahl bei Mutter Theresa zu feiern eigentlich ganz zufrieden. Ich schaue halt bei „fremden“ Brauchtum zu und bin so nah dran, wie mir möglich ist.
Aber natürlich ist es nicht der christliche Hintergrund, der das Fest so schwierig macht. In Deutschland ist Weihnachten das „Fest der Familie“ und das ist das, was in mir all diese widerstreitenden Gefühle auslöst, Traurigkeit und Bitterkeit und manchmal auch Aggression.
[…]
Frohe Weihnachten!