Nach dem Schreiben dieser Zeilen ziehe ich das DSL-Kabel aus dem PC, baue die ganze Geschichte ab, verteile sie auf diverse Kisten und morgen geht es dann in die neue, alte Heimat. Kaum vorstellbar aber wahr, dort gibt es bis zum Neuanschluss erstmal keinen Internetzugang (und keine Email, diejenigen, die es angeht: nicht wundern und verzeihen). Entzugserscheinungen sind vorprogrammiert.
Ich verlasse zum wiederholten Male das „gewöhnliche“ Leben. Es waren wieder 5 Jahre in einer Wohnung, mit viel zu wenig Auszeiten am Wagenplatz, und wenn ich sie hatte, dann nur im Sommer. Die ersten 3 Jahre, die ich mit meinen Kinder bis zu deren Flügge-werden in der Wohnung lebte, waren unter allen Begründungszusammenhängen in Ordnung, gewollt und bereichernd („Kinder sind ja so bereichernd!“). Die letzten 1 1/2 Jahre lebte ich allein in der viel zu großen Wohnung und hätte jederzeit wieder in den Wagen ziehen können (Ich allein mit mir ist kein bisschen bereichernd). „Selbst dran schuld“, muss ich mir sagen (und auch sagen lassen).
Was mich in der Wohnung hielt war die Bequemlichkeit. Alle Läden um die Ecke, sieben Minuten mit dem Fahrrad zum Sport, heißes Wasser aus dem Hahn und heizen mit dem Handgelenk (die typische Handbewegung hierzu ist das Drehen des Heizungsthermostats). Und natürlich der DSL-Anschluss. Das ist schon alles sehr, sehr schön.
Wieder am Wagenplatz habe ich ungefähr 12 Minuten mit dem Fahrrad zum nächsten Discounter und für die meisten anderen meiner Ziele muss ich so um die 25 Minuten Fahrzeit rechnen. Heißes Wasser kommt auch aus dem Hahn, aber der sitzt an einem Boiler, der mit Holz erhitzt wird. Und geheizt wird mit Ganzkörpereinsatz, eine typische Handbewegung gibts beim Holzmachen nicht (ist mehr als eine und mehr als Hand). Das alles ist unbequem. Warum also ziehe ich um?
Weil es richtig ist. Auf dem Wagenplatz lebe ich das bessere Leben. Und auch das psychisch wie physisch gesündere. Zugegeben, das ist nur für Menschen selbsterklärend, die das typische Wagenleben kennen. Als bekennender Eigenbrödler gebe ich es nur ungern zu, aber manchmal ist eigenbrödeln auch blöd oder langweilig (könnt man dann Eigenblödelei nennen). Also noch viel blöder und langweiliger als es Mitmenschen gelegtenlich sind. Und Mitmenschen begegnen mir am Wagenplatz fast zwangsläufig, allein schon deshalb, weil das Klo neben dem Gemeinschaftsraum ist. Zugegeben, nachts gibt es solche Ausreden nicht, da muss man zugeben (wer ist „man“?), dass man reinschaut, weil man die Nasen sehen will, vielleicht sogar das eine oder andere Wort wechseln. „Warum nur nachts?“, fragen jetzt die meisten Nicht-Wagenplatz-Bewohner. Naja, weil ich nachts auch einfach neben meinen Wagen pinkeln könnte statt das Gemeinschaftsklo zu nutzen. In meiner Mietwohnung ist das genau andersrum, obwohl ich es nie ausprobiert habe. Dort käme ich vermutlich nur dann ins Gespräch, wenn ich nachts in die Rabatten pinkeln würde. Das macht zwar keinen Sinn, weil ich ein Klo in der Wohnung habe und zudem im dritten Stock wohne, aber ein Thema hätten wir sehr schnell. „Nein, nein, das stinkt nicht, ich pinkle immer an eine andere Stelle, dann steckt die Wiese das schon weg“. Aber ich schweife ab, allerdings nur ein bisschen. Denn sein Revier zu markieren hat viel mit Sozialleben zu tun und dafür mag ich das Wagenleben: man lebt mit seinen Nachbarn.
Auch unter gesundheitlichen Gesichtspunkten ist das aushäusig Pinkeln förderlich, wenn auch im Winter mehr als im Sommer. Im Winter sind mehrmals täglich heftige Temperaturwechsel auszuhalten. Unvermeidlich führt der Harndrang aus einem gemütlich überheizten Wagen (sagen wir 25 bis 30 Grad) durch die völlig untertemperierte Landschaft in ein ungeheiztes Klo und wieder zurück. Das erzeugt eine gewisse Resistenz gegenüber Erkältungskrankheiten (mein Beitrag zur naiven Theoriebildung).
Ein weiterer Vorteil gegenüber der Mietwohnung, man erlebt das Wetter, zwangsläufig. In der Wohnung ist es mir manchmal passiert, dass ich vollkommen falsch angezogen aus der Haustür trat und überrascht vom Regen war. Im Wagen kann und will ich gar nicht lange genug einhalten, um es nicht mitzubekommen. Ein Zweites, im Wagen ist Regen und Wind zu hören (selbst für Menschen mit großen Blasen). Und überhaupt, die Akustik: im Frühling randalieren die Vögel und im Sommer die Frösche, ganzjährig die Hunde. Nur die Sterne sind still, auch in klaren Nächten.
Und schließlich, die weiten Wege per Fahrrad sind zwar unbequem, aber sie halten fit. Ich gehöre nicht zu der Sorte Mensch, die sich gerne fit hält. Nicht, dass ich körperliche Aktivität scheue, sie ist bei mir meistens nur anders motiviert. Fitness muss nebenbei abfallen, dann ist das gut. Zum Einkaufen, zur Bücherei oder sonstwohin fahren UND fit werden, das ist o.k.. Die gleiche Strecke zum Vergnügen oder zum Zwecke der Fitness auf dem Fahrrad zu verbringen ist undenkbar. Mein neues Programm: Fit durch Wohnortwahl.
So Leute, ich muss es zugeben, ich bin total von meinem Thema abgekommem. Eigentlich wollte ich über das Wohnungsleben schreiben. Wie sehr mich Hausordnungen anwidern und wie ungern ich saubere Treppen putze und nur minimal verschmutzte Wege kehre. Ein Thema wäre auch, das man mit den Nachbarn nichts zu tun hat (einerseits) und mit ihnen auch gar nichts zu tun haben möchte (andererseits). Oder die Unmöglichkeit Musik in der Lautstärke zu hören, in der sie produziert wurde. Man ist viel zu oft mit anderer Leute Vorstellung konfrontiert, wie Dinge zu sein haben. Warum nicht Bilder im Treppenhaus aufhängen? Weil wir dann abends die Türen abschließen müssten, um die Bilderdiebe fern zu halten? Egal, wir schließen sowieso ab.
Ich ziehe wieder in den Wagen, der war in 16 Jahren Wagenleben noch niemals abgeschlossen.