Irgendwo in einer Welt außerhalb meiner Nische gibt es „Zwölf am Zwölften“, BloggerInnen veröffentlichen an einem Zwölften des Monats zwölf Bilder aus ihrem Alltag. Gesammelt werden diese Beiträge dann bei „Draußen nur Kännchen“ und alle freuen sich. Weil ich mich seit Monaten mal mitfreuen will, der Zwölfte aber immer gerade war oder noch zu weit in der Zukunft liegt, wenn mir freuen mal wieder richtig gut täte, muss ich mal wieder ein wenig am Konzept herumbiegen. Ihr bekommt meinen idealen Zwölften, einen Zwölften, der so niemals stattgefunden hat, aber in all seiner Alltagsbanalität durchaus so hätte stattgefunden haben können. Die geschilderten Ereignisse beruhen auf wahren Begebenheiten. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind aufgrund ihrer Alttäglichkeit zwangsläufig.
Bild 1Der Blick zur Uhr, neun Uhr irgendwas, vielleicht weiterschlafen, vielleich kurz pinkeln/lesen und dann weiterschlafen, ich will nicht in den Tag. Das ist gerade nicht ungewöhnlich, ich bin etwas am kriseln. Andererseits, da ich sehr spät ins Bett gehe muss ich lange schlafen, um auf meine benötigten Stunden Schlaf zu kommen und solange das klappt, ist alles okay. Das schlechte Gewissen, das ich manchmal habe, ist Angesichts der Tatsache, dass ich Rentner und alleinstehend bin – meint: es niemanden gibt, der irgendein berechtigtes Interesse an meinen Schlafens- oder Aufstehzeiten anmelden könnte – völlig unnötig.
Bild 2Irgendwann im Laufe des Vormittags bin ich also subjektiv unausgeschlafen aufgestanden und habe „die Zeitung gelesen“. Die Zeitung lesen ist ein Platzhalter für die Kenntnisnahme tagesaktueller Neuigkeiten mittels verschiedener Internetkanäle. Das darf solange dauern, wie es dauert, ich muss mir das gelegentlich auch selbst versichern, denn es kommt der Punkt, der irgendwann immer kommt – außer er kommt nicht, das sind die wirklich schlechten Tage – und es drängt mich zur Aktivität.
Bild 3Manchmal findet das Frühstück während des Zeitunglesens statt, meistens ist es aber der Start in den Tag, kurz eingeschoben vor der Aktivität, die mich nun drängt. An diesem fiktiven Zwölften ist mir das Brot ausgegangen, was schon mehrere Tage zu ahnen war, ich hatte nur keinen Bock einkaufen zu gehen. Da ich vergleichsweise anspruchslos bin, macht mir das nicht einmal schlechte Laune, ich weiche auf Maultaschen in Instant-Gemüsebrühe aus. Zur Uhrzeit passt es ohnehin. Gewohnt spät gibt es Maultaschen zum Handwerker-Frühstück.
Bild 4Es folgt die „Aktivität des Tages“, gegenwärtig – und solange mich nichts Wichtigeres ablenkt – hat sie oft mit dem Legen eines Bodens in meinem Lieblingsprojekt zu tun. Ich erspare Euch die handwerklichen Details.
Regelmäßige Leser des Blogs sind hier im Vorteil, können vielleicht sogar einordnen, was sie sehen. Der Rest sollte wissen, das dauert jetzt zwei bis vier Stunden, genau so lange nämlich, bis ich keine Lust mehr habe. Das Lustprinzip ist die einzige Regel auf der Baustelle, denn: es ist eine große, auf mehrere Jahre Bauzeit angelegte Baustelle. Auch hier bin ich mir und nur mir verantwortlich. Wenn ich langfristig motiviert bleiben soll, muss klar bleiben, dass ich jederzeit aufhören kann. Mir muss es mit meiner Baustelle gut gehen, dann erhält sie mich aktiv und zufrieden. Das Lustprinzip ist gelebte Psychohygiene.
Bild 5
Wo das Lustprinzip nichts zu suchen hat: in der Gartenroutine, die irgendwann im Laufe des Tages eingebaut wird. Wasser muss sein! Spätestens vorm schlafen gehen, falls es bis dahin vergessen gegangen ist. Heute mal früher, damit ich noch ein Bild davon machen kann.
Bild 6Und dann auf’s Fahrrad zum Lebensmitteleinkauf, ihr wisst ja, Brot fehlt! Und anderes auch. Auf dem Weg durch das Industriegebiet fällt mir ein Gebäude auf, dessen Zweck sich mir nicht erschließt, dabei aber auf gute Weise interessant aussieht. Es wird fotgrafiert und auch kurz mit dem Fahrrad umrundet, seine Bestimmung gibt es trotzdem nicht preis.
Bild 7Seit Anfang des Jahres habe ich kein Auto mehr und kaufe alle Lebensmittel mit dem E-Fahrrad ein. Das geht gut, im Bild ist der durchschnittlich befüllte Rucksack zu sehen, mehr als einmal die Woche muss ich selten fahren, meistens sogar weniger.
Bild 8Es ist nachmittag, Freund und Gelegenheitsnachbar J. kommt zum Plaudern. Das braucht so seine Zeit, die eigene und die Befindlichkeit der Welt werden ausführlich erörtert, exakt so, wie alte Herren das schon immer tun.
Bild 9Wieder allein noch nebenbei ein Bild aufgehängt. Es ist ein Erbstück und es aufzuhängen geschah aus einer Laune heraus. Keine Ahnung, ob es dort bleibt und was ich mir damit sagen will.
Aber bevor ich darüber den Faden verliere, das Stichwort war „Laune“. Viele meiner Alltagsverrichtungen geschehen aus einer Laune heraus, müssen warten, bis sie reif sind zu geschenen, in meiner Sprache: sie „fallen vom Baum“. Das gilt für die eher seltenen Ereignisse (Bilder aufhängen, Fenster putzen) genauso, wie für die regelmässigen Lästigkeiten zivilisierter Lebensführung (spülen, Haare schneiden lassen). Ich nenne das Luxus.
Bild 10Heute, weil der ideale Zwölfte ist, stelle ich den Blogbeitrag dazu ein und gebe den Link bei „Draußen nur Kännchen“ ab. An anderen Tagen, vielleicht einem Elften oder gar einem Dreizehnten, wäre es irgendetwas anderes mit Medien. Vielleicht würde ich die oben erwähnte Tagesaktivität auf dem der Baustelle zugeordneten Instagram-Account vermelden (moudubi, Betrachtung ergibt nur chronologisch Sinn) oder irgendetwas deutlich Allgemeineres aus meinem Leben auf dem Zweit-Account _moudubi_ einstellen (da ist schon lange nichts mehr geschehen, warum eigentlich?). Anschließend noch schnell drei bis vier Zeilen zu den Tätigkeiten des Tages notiert, womit er auch abgeschlossen ist. Naja, fast.
Bild 11Streamingkonsum der unterhaltsamen Art, Schüsse fallen, Gebäude explodieren, Stuntmänner und -frauen sterben cineastisch wertvoll; ich lasse mich von Dingen unterhalten, die ich niemals erleben möchte.
Manchmal vergeht auch Zeit damit, Gesehenes herunterzuladen. Ich habe die Phantasie, dass ich irgendwann einmal einen unangenehm langen Krankenhausaufenthalt haben werde, den ich nur mit Hilfe eines angemessen großen Vorrats an leichtverdaulicher Serienkost ertragen kann.
Bild 12Vermutlich ist schon der Dreizehnte, ich lese zum Einschlafen im E-Reader Fiktionales bis ich ihn in einer letzten Anstrengung schließe, das Licht ausmache, mich umdrehe und einschlafe.
Bei dir macht selbst ein Text aus dem Schlechte-Laune-Tief heraus jede Menge Spaß. Danke dafür, und liebe Grüsse an Nachbar J. beim nächsten Alt-Herren-Schnack.
Danke, freut mich zu lesen. Und so seit cirka 10 Tagen ist mit dem Umschlag von zu kalt zu zu warm auch die allgemeine Befindlichkeit deutlich ins Positive gekippt. Gerade geht’s gut.