Jahresrückblick 2010

Happy

Etwas verspätet und eigentlich schon abgesagt will ich mich doch noch an einem Jahresrückblick für 2010 versuchen. Schon Ende des Vorjahres war die Kündigung für die Wohnung ausgesprochen, die ich, nachdem die „jungen Erwachsenen“ flügge geworden waren, allein bewohnte. Auszugstermin war Ende März, klare Sache, dass dieser Monat mit Umzugsvorbereitungen und Renovierungsarbeiten belegt war. Und natürlich mit dem Umzug selbst. Unglaublich, was sich in wenigen Jahren so ansammelt. Viel zuviel um alles in einem eigentlich schon eingerichteten Zirkuswagen unterzubringen, auch dann wenn dieser Wagen eigentlich zwei Wagen ist und 44 Quadratmeter Wohnfläche bietet. Weswegen dann ein nicht unbedeutender Teil meines Mobilars zur Freundin in die Wohnung kam und dort nahtlos integriert wurde. Dort hatten wir in den Vormonaten generalüberholt, nicht zuletzt um diese Integration möglich zu machen. Kurz, die ersten drei Monate des Jahres (und ein Teil des vierten) verbrachte ich damit Türen, Wände und Fußleisten zu streichen, nur unterbrochen durch die Notwendigkeit Möbel und Kisten in all die Zimmer zu verteilen, die gerade nicht renoviert wurden.

Seit April wohne ich wieder auf dem Wagenplatz. Mit genau keiner Eingewöhnungszeit, wenig hat sich so sehr verändert, dass es einer Erwähnung wert wäre. Meine Aufzeichnungen zeigen, dass ich ziemlich stark in die Gestaltung der Außenanlage eingestiegen bin. Eine der ersten Aktionen war, die losen Stufen der Eingangstreppe zu zementieren. Anschließend Gartenarbeit im weitesten Sinn, Gewächshaus und Hochbeete für die Bepflanzung vorbereiten, Obstbäume und Hecken schneiden, hier und da eine Pflanze setzen, so Zeug.

Baumschnitt

Besondere Erwähnung verdient der „Buddhabaum“ mit dem Meditationsplatz darunter, der nach mehreren Jahren Vernachlässigung mehr als nur etwas Pflege brauchte. Durch seine besondere Form bietet er kaum sichere Standplätze und lässt er sich nur sehr schlecht schneiden. Letztlich hing ich mit Klettergurt im Baum und habe trotzdem nicht alles so hin bekommen, wie ich es mir wünschte. Am Boden waren die Marmorplatten zum Sitzen neu zu nivellieren und einige Flecken Gras nachzupflanzen, das lief dann wieder gut. Nur, meditiert habe ich in diesem Jahr darunter nicht. Schade eigentlich.

Mai, Juni und Juli sind die Monate im Jahr, in denen ich mich am besten fühle. Es fällt mir leicht aktiv zu sein, meistens bin ich mit Überzeugung bei den Dingen und gelegentlich probiere ich Neues aus. Ein Beispiel dafür, das mich den Mai über immer wieder beschäftigt gehalten hat, ist die Eigenreparatur meines Handys. Das Display hatte den elekronischen Geist aufgegeben. Ich hing und hänge an dem Teil, weil ich im Laufe der Zeit gelernt habe, etwa 20 Prozent seiner Funktionen zu nutzen, ohne in der Bedienungsanleitung nachschauen zu müssen. Ein Modellwechsel kam also nicht in Frage und bei der Recherche auf der Auktionsplattform meines Vertrauens fielen mir einige Mängel-Exemplare auf, die es billig zu ersteigern gab. Da war es nicht weit zu dem Gedanken, das Display selbst auszutauschen. Was haben wir nicht schon alles ausgetauscht, das kann doch nicht so schwer sein? Ich kürze an dieser Stelle etwas ab, zwei(!) gesteigerte Handys und etliche verbastelte Stunden später, Demontage und Montage des Teils gingen nun schon recht geübt von der Hand, funktionierte das Teil wieder. Darauf bin ich stolz, von dieser Art sind die Dinge, die ich an mir mag. Falls ihr nun euch ermutigt fühlt, ebenfalls Handyreparaturversuche zu unternehmen, ein wichtiger Tip: vorher auf YouTube nach einer Demontage-Anleitung suchen. Wenn ihr nicht wisst, wo wann was wie zu lösen ist, werdet ihr vermutlich mehr zerstören, als ihr später wieder reparieren könnt. Wenn ihr es ein- oder viele Male gesehen habt, ist es ganz einfach.

An der Gartenfront wollte ich mit einem defekten Hauswasserwerk den Erfolg wiederholen und bin gescheitert. Ach ja, Stichwort Garten, im Mai beginnt die Pflanzzeit, vorgezogene Tomatenpflanzen ins Gewächshaus, Kürbispflänzchen ins Beet und die angekeimten Kartoffeln in die Erde, ihr wisst schon. Das Zeug wird dann regelmässig gegossen und später im Jahr kann man es essen. Das ist alles sehr aufregend wenn man langsam erzählte Geschichten mag, mir persönlich sind Geschichten, in denen Spitzhacken vorkommen, lieber. Deswegen: Einmal im Mai habe ich an einem Tag vier(!) Gartengeräte neu eingestielt, und eine Spitzhacke war auch dabei.

Ebenfalls im Mai habe ich wieder mit dem Laufen angefangen und bin seitdem regelmäßig mit 30 Km pro Woche unterwegs, im Winter auf dem Stepper sogar etwas mehr. Dabei gehöre ich nicht zu den Lust-Läufern, ich sehe die körperliche Betätigung eher als Depressionsprophilaxe. Die im Sommer allerdings wesentlich besser anschlägt als im Winter.

Und dann war da noch …. also ich sag euch, der Mai hat mich atemlos gemacht, da war echt was los, aktivitätsmässig, ich will jetzt nicht zu sehr in die Einzelheiten gehen. Erwähnenswert ist eigentlich nur noch meine regelmässige Beteiligung an den Abitursvorbereitungen der Lieblingstochter, und der Erstellung ihrer Bewerbungsunterlagen, und der Reparatur ihrer Spülmaschine, und …, also, es ist schön, wenn man gebraucht wird.

Im Juni begann die Renovierung des Kinderwagens, die allerdings in einem frühen Stadium steckenblieb. Als ich anfing „mal eben“ drei Wände neu zu verkleiden, zeigte sich sehr schnell, dass sehr viel mehr Arbeit notwendig sein würde. Einige innenliegende Ständer und Teile des Daches mussten erneuert werden. Was sich in der Ausführung dann hinzog und der Aktion die Fahrt nahm, Ende September fand die Sache mit einer provisorischen Dachbespannung einen vorläufigen Abschluss und muss in diesem Jahr fortgesetzt werden. Dass das so kam hatte auch mit meiner mangelnden Fokussierung zu tun; ich liebe es, das zu tun, was mir einfällt, zumeist unter Vernachlässigung dessen, was ich mir vorgenommen habe. Dem Kinderwagen kam der neue Steg dazwischen, dessen hauptsächliche Bauzeit im der Juli war. Eigentlich ist der Steg kein Steg, sondern eine sechseckige Plattform, die zur Hälfte über den Schwimmbeckenrand ragt. Im August musste ich dem Steg noch einen Dome aufsetzen, vielleicht besser beschrieben als ein pavillonartiges Rankgerüst in Form einer hochbeinigen geodätischen Kuppel. Ziel ist irgendwann einmal unter einem Blätterdach mit Blick über das Schwimmbecken im Schatten zu sitzen und Eis zu essen.

Dome

Wer das Bauwerk anschaut mag sich fragen, warum es wohl zwei Monate dauert, es zu bauen. Es gibt zwei Gründe dafür, der erste ist mein Arbeitsstil, die meisten Menschen würden so gerne Urlaub machen. Anfang und Ende einer Arbeit sind streng lustbetont, Ablenkungen werden gerne angenommen und ausgedehnte Besinnungspausen sind Teil des Prozesses. Der zweite Grund ist die sich hinziehende Materialsuche. Das ganze Teil ist, mit wenigen Ausnahmen, aus Altmaterial gebaut. Da müssen Balken aufgesägt oder Paletten entnagelt werden. Manches Stück Holz hat man drei Mal in der Hand, bis es seinen Platz gefunden hat und irgendwann kommt auch der Moment, wenn die eigenen Vorräte aufgebraucht sind. Dann heißt es, über den ganzen Platz zu streifen und jedes nicht zugeordnete Stück Holz auf seine Eignung hin anzuschauen. Und das mehrfach, sowas zieht sich hin.

Blick unter Jörgs WagenUnd dann, manchmal helfe ich ja auch anderen Menschen. Eine der interessanteren Tätigkeiten war es, die Wagen von J. neu in die Waage zu bringen und abzustützen, Zeitaufwand zwei Tage. Ebenso interessant, wenn auch auf vollkommen andere Weise, der Umzug der Lieblingstochter nach Kassel. Gab es in Giessen noch einige ausgesuchte männliche Helfer, so war ich in Kassel ausschließlich von vier jungen Frauen begleitet, die gutgelaunt die Schlepperei erledigten. Während der Mittagspause vor einer nahegelegenen Kneipe war ich manchmal an „Sex in the city“ erinnert, unbeschwerte Plaudereien mit gelegentlichem Tiefgang. Ich fühlte mich in dem bestätigt, was ich ohnehin schon wußte, nämlich dass wir uns um diese „Kinder“ nicht sorgen müssen, die machen das schon.

SchotterwegWährend die Lieblingstochter im September also ihr duales Studium zur Medienwirtin begann gab es bei mir weitere Baumaßnahmen. Der ehemals ehrgeizig mit selbstgegossenen Betonplatten begonnene Weg von meiner Eingangstür bis zum Hauptweg war schon lange von Gras überwuchert. Dort, wo ich versucht hatte mit Beton-, Natur- und Backsteinen Muster zu pflastern war es zudem uneben geworden. Kurz, die investierte Energie war sowohl unter ästhetischen als auch unter funktionalen Gesichtspunkten verschwendet. Ein zweiter Versuch mit anderen Mitteln war angesagt. Diesmal sollte es Schotter sein, schon im Frühjahr vorbestellt, im Rahmen einer geplanten Schotter-Aktion auf der Besucherplatte. September war schon spät für die Aktion und ich hatte sie schon aus den Augen verloren, als dann „plötzlich“, also mit nur wenigen Tagen Vorlauf, 2 Tonnen Schotter vor der Eingangstür zur Verarbeitung bereit lagen. Nun, so wie Feste gefeiert werden wollen, wie sie fallen, müssen Wege gerüttelt werden, solange die Rüttelmaschine ausgeliehen ist. Drei Tage war sie ausgeliehen, davon eigentlich nur am Samstag zur unbeschränkten Verfügung. Keine Frage also, wann mein neuer Weg angelegt würde. Nicht, dass mir nicht mindestens ein Dutzend bessere Termine eingefallen wären, als genau dieser, andererseits hatte ich sowieso nichts anderes vor. Ähm, also was ich sagen will ist: manchmal genügt es, sich im rechten Moment in die Wer-will-noch-Schotter-und-wieviel-Liste einzutragen, und alles andere erledigt sich (fast) von selbst.

SicherungskastenEin anderer Termin, der ebenfalls von außen angestossen wurde: Im Jahre 11 nach dem Kauf wurde endlich der Sicherungskasten in der geplanten Form durch den Elektriker unseres Vertrauens verwirklicht. Da ich einst die Verkabelung übernommen hatte und für die Installation ab Sicherungskasten verantwortlich war und bin, gab es mehr vor- und nachzubereiten, als sich mit meinem lustbetonten Arbeitsstil verbinden lies. Sei´s drum, es bleibt die Freude nach so langer Zeit endlich eine Baustelle abgeschlossen zu haben. Wobei es ist, wie es immer ist, die nächste Erweiterung der Installation ist schon geplant. Bin gespannt, ob das wieder elf Jahre dauert.

Im Oktober habe ich die schönste Hundehütte der Welt gebaut und November/Dezember war mal wieder Renovierung in der Wohnung der Freundin angesagt. Nach der Sanierung von Bad und Küche durch die Wohnungsbaugesellschaft galt es zu tapeziern, zu streichen, such-dir-was-aus und eine neue Arbeitsplatte einzubauen. Wenig genug für drei Monate und ein Hinweis darauf, dass mir in diesen Monaten der für Aktivität zuständige Botenstoff ausgeht. Ich fühle mich dann wie unsere schlecht eingestellte Motorsense, die klingt im Lehrlauf noch ganz zuversichtlich, nimmt Gas aber nur schlecht an und sobald sie Last bekommt, würde sie am liebsten ausgehen. Dann braucht sie ganz vorsichtig Gas und wenn man zuviel Gas gibt, geht gar nichts mehr. Hat von euch einmal einer versucht, seinem Arzt zu erzählen, er fühlt sich wie seine Motorsense?

Gut, wir haben uns einmal durch das Jahr gehuddelt und es fällt auf, dass alles, was ich beschrieben habe, auf die eine oder andere Weise Handwerk ist. Es macht mir Spass, Dinge herzustellen oder zu reparieren. Ich mag es, das Ergebnis meiner Bemühungen zu sehen und anfassen zu können. Das Blog, dieses Blog ist eine andere Sache. Eine, die oftmals genau so viel Zeit erforderte und fordert, wie ein Stück Handwerk, aber sich viel weniger anfassen lässt. Die für mich interessantesten Ergebnisse sind sogar diejenigen, die ihr hier nicht lesen könnt, weil ich mich entschließe, sie nicht zu veröffentlichen. Mal merke ich, dass ich zu wenig über mein Thema weiß, ein anderes mal entdecke ich eigene Voreingenommeheiten oder einen Ton, der der Sache oder dem Ziel unangemessen ist. So etwas zu bemerken ist, neben anderem, Anreiz genug, den Blog zu führen.

Zum Schluss ein kleiner Blick voraus. Seit November dieses Jahres bin wieder Vorstand des Trägervereins meines geliebten Wohnprojektes. Ich bin sicher der eine oder andere Blog-Beitrag wird von dieser Tätigkeit handeln. Und eine Gesamtschau dazu dann im vorgezogenen Jahresrückblick 2011.

Ungklärte Fragen

Als ich gestern im G-Raum saß und einem Gespräch meiner Mitbewohner zuhörte, erinnerte ich mich an eine Zeit während meiner ersten Lehre. Ich lernte Bürokaufmann in der Werksniederlassung einer großen KFZ-Marke und war in der Abteilung zur Rechnungsstellung eingesetzt. Das geschah zum damaligen Zeitpunkt noch via Lochkarten, die KFZ-Mechaniker vermerkten die geleisteten Reparaturen handschriftlich auf Laufzetteln und später wurden zu den verschiedenen Reparaturen die entsprechenden Lochkarten aus großen Karteikästen gezogen, gestapelt und gemeinsam mit der Lochkarte für den entsprechenden Kunden in einen speziellen Drucker gelegt, der dann die Rechnung auswarf. Das Heraussuchen der Lochkarten war eine endlos stupide Tätigkeit und wurde von Hilfskräften und Lehrlingen erledigt, sprich: mir und acht Frauen aller Alters- und Geistesklassen. Der ganze Vorgang war auch von weniger begabten Menschen schnell zu automatisieren und lies viel Geisteskapazität frei, die meist für die Konversation genutzt wurde. Kurz, es wurde ununterbrochen geschwätzt und gelästert.

Lochkarte

Ich war schon damals ein stiller Zeitgenosse und in „der Rechnungsstellung“ konnte ich besonders wenig zum Gespräch beitragen. Weder der Stil noch die Themen der Unterhaltung lagen mir und so blieb ich schweigsam. Was dazu führte, dass sich die Mädels sehr schnell angewöhnten, ihre Gespräche so zu führen, als sei ich nicht anwesend.  Leider erinnere ich keine speziellen Beiträge, die ich hier als Anekdote einfügen könnte, da ist nur das allgemeine Empfinden geblieben, dass da einiges unangemessen war und nicht in die Öffentlichkeit oder die Ohren des Lehrlings gehörte.

Was mich aber immer wieder verblüffte, war die Zwanglosigkeit (und fast schon Zwangsläufigkeit) mit der über die jeweils gerade abwesende Kollegin geredet wurde. Wobei „geredet“ hier stark beschönigend verwendet wird und abwertende Äußerungen in klarer Sprache einschließt. Kurz: unglaublich, wie die übereinander hergezogen sind! Die abgebrühteren unter den Kommunikationsgenossen mögen das nicht besonders erstaunlich finden, ich fand das damals – und in Teilen auch noch heute – sehr befremdlich. Besonders eines war mir nicht nachvollziehbar. Jede der anwesenden Damen machte die Erfahrung, dass näherungsweise ausnahmslos über die jeweils abwesende Kollegin gesprochen wurde und konnte daher mit einiger Gewissheit davon ausgehen, dass in ihrer Abwesenheit auch über sie gesprochen wurde. Was in meiner naiven Weltsicht dahin führen sollte, dass jede in etwa so über Abwesende spricht, wie sie über sich selbst gesprochen haben möchte. Sagen wir: mit einem Minimum an Höflichkeit und mitmenschlichem Respekt sowie gelegentlichen Einsprengseln von Verständnis und Anteilnahme. Ich habe niemals auch nur ein Bemühen darum feststellen können.

Was mich zu der bis heute für mich ungeklärten Frage führt, ob die Mädels den von mir nahegelegten Schluss einfach nicht zogen oder ob er ihnen egal war. Und natürlich frage ich mich das nicht nur in Bezug auf die erwähnten Damen, sondern auf meine Mitmenschen ganz allgemein. Der konkrete Anlass für die Erinnerung war die gesprächsweise Benennung eines Dritten als Arschloch. Ist dem Schimpfenden klar, dass er sich mit diesem Ausspruch potentiell zum Arschloch des Beschimpften macht? Falls ja, ist es ihm egal? Weiterführend, ist dem Schimpfenden klar, dass er allen Anwesenden mitteilt, dass er sie im Konfliktfall in ihrer Abwesenheit als Arschloch beschimpfen wird? Falls ja, ist es ihm egal? Letztlich … (muss ich hier auf einen wirklich guten Abschlusssatz verzichten, der das „…, ist es ihm egal“  und das „Kurz: …“ wiederaufgenommen hätte; einfach deswegen, weil ich darin den Beschimpfer als Arschloch beschimpfe; und das will ich nichteinmal für einen guten Abschlusssatz).

Geschafft!

geschafft

Es ist geschafft! Heute zum ersten Mal in diesem Jahr unsere ausgemessene 10-Km-Hausstrecke unter einer Stunde gelaufen. Klingt für den erfahrenen Läufer nicht viel, ist aber mehr als es scheint, da es höchstens im ersten Viertel der Strecke halbwegs eben zugeht. Alles was danach kommt sind verschiedene Grade von ansteigend oder abfallend.

Ich behaupte seit Jahren, dass ich als bekennender Ich-will-nicht-schnell-laufen-Läufer es dieser Strecke zu verdanken habe, 2004 den Köln-Marathon unter vier Stunden abgeschlossen zu haben.

Dem heutigen Erfolgserlebnis vorausgegangen sind einige Wochen der sportlichen und ernährungstechnischen Quälerei. Ein schwermütiger Winter hatte mich auch körperlich schwer werden lassen, am ersten Mai startete ich dann mein Das-muss-sich-ändern-Programm. Täglich 1000 Kilokalorien und jeden zweiten Tag Lauftraining. Ziemlich genau drei Wochen habe ich nur die Zeiten gesteigert bis ich wieder eine Stunde durchlaufen konnte, nach einer weiteren Woche war ich das erste Mal auf der 10-Km-Hausstrecke mit erbärmlichen 77.49 Minuten.

Und das dann drei Mal pro Woche, regelmäßigst. Weitere 14 Tage später (am 11.6.10) habe ich, gemeinsam mit dem Ende meiner Leidensbereitschaft, endlich auch mein „Wunschgewicht“ erreicht und befinde mich nun an der oberen Grenze des Normalgewichts. Ende der „Brigitte-Diät“, gefallen sind 8 Kilo in 42 Tagen. Wieder normal (oder wenigstens mehr) zu essen macht das Laufen leichter und meine Eintragungen zeigen, dass ich bei näherungsweise gleicher Geschwindigkeit immer weniger angestrengt bin.

3 Tage zurück gelingt gemeinsam mit einem Trainingspartner, der gerne schnell läuft, eine erste Annäherung an die Stundenmarke, die zeigt, dass es „ab jetzt gehen könnte“, günstigste Bedingungen vorausgesetzt.

Diese günstigsten Bedingungen kamen nun schneller, als vorauszusehen war. Nämlich heute: früh aufgestanden und ausgeschlafen gefühlt, gut gefrühstückt und willig, den kühlen Tagesbeginn zum Laufen zu nutzen. Schon beim Einlaufen spüre ich, dass „was gehen könnte“ und lege etwas Tempo zu. Leistungsbereitschaft, die sich sonst sehr gut im Hintergrund zu halten weiß, zeigt sich, zögernd noch, und verweist auf den höchsten Punkt der Strecke. Wenn dort die Zwischenzeit stimmt wird „ernsthaft“ gelaufen. Und bis dahin wird wenigstens nicht rumgetrödelt, sondern im oberen Leistungsbereich gelaufen. Die allermeist dominierende Leistungsverweigerung hat heute verhandlungstechnisch einen schwachen Tag und zieht sich zurück. Von da ab wird gelaufen, erst eine akzeptable Zwischenzeit und dann nicht nur   neue Bestzeit, sondern unter einer Stunde: 56.28 Minuten. Es wird längere Zeit dauern, bis ich das wiederholen kann, aber für dieses eine Mal ist es geschafft.

Update (23.7.2010): Neue Bestzeit gelaufen, 55.42 Minuten.

Update (31.8.2010): 54.23

Wieder daheim!

Bin nun seit fast vier Wochen wieder auf dem Platz. Es ist unglaublich wie wenig sich verändert hat. Wo sonst würde nach mehreren Monaten (die sich, ahem, zu Jahren addieren lassen) das Waschzeug noch vollständig an genau dem Platz liegen, an dem man es hat liegen lassen. Die Zahnpaste muss mal Frost abbekommen haben und ist flüssig geworden, das war’s schon an Verlusten.

Entsprechend schnell ging die Wiedereingewöhnung. Schon die erste Nacht im alten, neuen Bett machte keine fremden Gefühle, es war wie heimkommen. Ein müßiges Unterfangen alte Zu- und Abneigungen zu überprüfen, auf die Menschen hier kann man sich verlassen. Veränderungen geschehen so langsam, da kann man schon mal ein Jahr mit der Beobachtung aussetzen.

Schwierig ist einzig das Chaos in meinem Wagen, verursacht durch all die Dinge, die ich mitgebracht habe, und die nun mangels zugewiesenem Ort jeden freien Platz einnehmen, der nicht durch Altinventar verteidigt wird. Meistens entziehe ich mich und gehe vor die Tür, dort gibt es auch etwas zu tun und die Stimmung ist besser.

Holzschuppen

Das Leben hier ist für mich ein Luxusleben, nicht im materiellen Sinn, sondern von der Qualität her besehen, mit der ich mein Leben gestalten kann. Und, sehr viel anschaulicher, auch meine Umgebung. Morgens, wenn ich meinen ersten Kaffee im Freien zu mir nehme (oder mich mit ihm, falls es zu kalt ist, ins Gewächshaus setze), habe ich meistens noch keine festen Pläne. Die kommen erst so langsam, wenn ich mich umschaue. Überall auf meinem Geländeteil gibt es Kleinigkeiten zu tun und an irgendeiner bleibt meine Aufmerksamkeit hängen. Vom aufmerksam werden ist es dann meist nicht lange bis zum Tun. Auf diese Weise geschieht vollkommen ungeplant sehr viel und am Abend bin ich einem oder mehreren meiner Gestaltungsvorhaben ein Schrittchen näher gekommen. Das ist der Stoff, aus dem die guten Gefühle gemacht werden. Ich bin froh wieder hier zu sein.

Stupa-Einweihung in Becske

 eingefügt am 26.10.2012

Wenn ich auf Reisen bin führe ich meistens Tagebuch. Das Folgende sind die Eintragungen von der Stupa-Einweihung in Becske, Ungarn. Ihr findet sie hier als Ergebnis meiner Experimente mit Spracherkennungssoftware. Dass ihr nicht mehr solcher eingelesenen Aufzeichnungen im Blog findet, liegt daran, dass das Einlesen immer noch einiges an Nacharbeit verlangt und nicht so komfortabel ist, wie ich mir das erhoffte. Es kommen ein paar technische Schwierigkeiten hinzu, die ich jetzt nicht aufzählen mag. Ergebnis des Experiments: „Eigentlich“ funktioniert Spracherkennungssoftware schon erstaunlich gut, unter meinen speziellen Umständen aber verlangt ihr Einsatz immer noch zu viel Aktivität, Zielstrebigkeit und Frustrationstoleranz. Hier nun die Tagebuchaufzeichnungen.

 

31.8.2008, Montag

Letzte Vorbereitungen für die Reise, Postbankkonto checken, Geld abheben, Rucksack packen, etc.. Abends kommt Dieter um das Gepäck abzuholen und bringt schlechte Nachrichten mit, eine Unvorsichtigkeit beim Aussteigen hätte ihn fast die Fahrertür gekostet, zum Glück schließt sie noch, einzig beim Scharnier steht das Blech ca. 7 cm nach außen. Zum Glück – abermals – gelingt unser Versuch, dies zurückzuschlagen. Kurz vor 22 Uhr bin ich wieder zu Hause und das Auto ist für die Fahrt gepackt.

1.9.2008, Montag

wir treffen uns morgens um 10:00 Uhr im Zentrum, um 11:00 Uhr sitzen wir im Auto und die gemeinsame Reise beginnt. Das Auto ist voll gepackt bis auf den zweiten Rücksitz. Allerdings nicht voll genug, um nicht noch zwei Boxen zuzuladen, die Didi ersteigert hat und in Nürnberg abholen wird. Die Teile sind nicht riesig, aber auch nicht klein und es erfordert nochmals 15 Minuten Ladezeit bis wir alles zuerst raus- und dann wieder reingeräumt haben. Abfahrt Nürnberg 16:00 Uhr.

Die Fahrt nach Budweis verläuft nicht ganz entlang der Strecke, die uns der Routenplaner vorgeschlagen hat. Zu spät bemerken wir, dass die Route etwas ungünstig über Landstraßen führt. Dort verpassen wir dann einen Abzweig und müssen improvisieren, was uns auch ganz gut gelingt. Nur lässt sich nicht mehr vom kürzestem Weg reden. Kurze, aber heftige Konfusion in Budweis selbst. Didi kennt den Weg zum etwas außerhalb gelegenen Zentrum nur vom Sehen und im hellen und einer etwas ungenauen Ortsbeschreibung. Trotzdem finden wir den Ort und auch das Zentrum, allerdings hätten wir keine Chance gehabt ohne Didis Ortskenntnis. Denn das Zentrum ist ja ganz weit draußen versteckt und man muss schon direkt davor stehen, um an den tibetischen Gebetsfahnen zu erkennen, dass dieses ehemalige landwirtschaftliche Gebäude nun von Buddhisten bewohnt wird.

Der Ort selbst befindet sich noch in der Renovierung, ist aber schon in Benutzung und auch benutzbar. Als wir ankommen brennt im Hof ein kleines Lagerfeuer, die Menschen sitzen aber in einem daneben liegenden Gemeinschaftsraum und schauen einen Film, der mit einem Beamer an die Wand geworfen wird. Begrüßung und Begrüßungstrunk und eine kurze Führung. Wir erfahren, dass gerade Norbu Rinpoche hier ist und einen Malkurs abhält. Morgen werden wir ihn kennen lernen. Deswegen, und auch weil wir so spät angekommen sind, beschließen wir, hier einen Tag Aufenthalt einzulegen und erst übermorgen, dann aber früh, aufzubrechen.

2.9.2008, Dienstag

Budweis hat zwei Zentren, eines in der Innenstadt und eines etwas außerhalb in Vyhlidky gelegen. Wir sind in dem außerhalb, einem ehemaligen Bauernhof. Es ist ein u-förmiges Gebäude, dessen offene Seite ursprünglich mit einer hohen Mauer verschlossen war, nun aber auf eine Höhe heruntergebrochen ist, die es zulässt, über sie hinüberzusehen. Das U hat auf Höhe des ersten Stocks eine Galerie auf voller Länge, so dass die dort gelegenen Räume von außen zu erreichen sind. Das Dach wurde etwas höher gesetzt und vorgezogen, so dass Regen kein Problem bildet (hier Skizze der Lösung). Eine clevere und kostensparende Lösung.

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Heute Morgen während des Frühstücks saß ich Norbu gegenüber und wir kamen ins Gespräch. Er steht dem, wie wir Tsatsas produzieren, kritisch gegenüber. Wir sollten weniger und bessere Tsatsas produzieren und dafür sorgen, dass sie nur in Hände kommen, die damit umzugehen wissen. Er drückt das anders aus, spricht davon, dass die Tsatsas so seien wie Söhne und Töchter und die gleiche Sorgfalt und Fürsorge verdienen.

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Unter Menschen fühle ich mich unsicher, würde sie meiden, wenn das denn ginge. Es geht natürlich nicht und ein Grund für diese Reise ist ja auch, den selbstgeschaffenen Rückzug zu durchbrechen. Die Unannehmlichkeiten, die ich empfinde, sind gewünscht. Heute Morgen das aufstehen ungewohnt früh, geweckt erst durch einen fremden Wecker, dann am Wiedereinschlafen gehindert durch die Aufsteh- und schließlich Verbeugungsgeräusche von anderen. So ist das, wenn man in der Gompa schläft.

Weil ich nicht genau wusste, wie das mit dem Frühstück organisiert war, habe ich mich erst einmal in die Meditation geflüchtet, eine gute Entscheidung. Irgendwann leerte sich die Gompa und kurz darauf waren Frühstücksgeräusche zu hören. Der Kurs von Norbu frühstückt zusammen und wird versorgt. Wir als unangemeldete Gäste können uns anschließend.

Nach dem Frühstück etwas Sightseeing auf dem Gelände und anschließend nochmal in die Gompa um den Rest der Diamantgeist-Meditation zu machen. Auch dies mehr eine Verlegenheitslösung. Ich zögere, mich Norbus Zeichenklasse anzuschließen. Mehr aus Schüchternheit denn aus anderen Gründen. Depressives Zeug halt, dass ich in den nächsten Wochen sicher noch genauer untersuchen und beschreiben kann.

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Wie immer, im Endeffekt wird man unkompliziert aufgenommen. Ich bekam Bleistift, Pinsel und Papier geliehen und dann ging es los mit Buddha-Augen-malen. Braucht einiges an Konzentration, zuerst mit Bleistift die Umrisse, dann mit Aquarell- oder Acrylfarben nachmalen. Beachte: der untere Lidstrich ist etwas heller. Zum Schluss die Empfehlung, die drei Augenformen (Buddhas, Taras, Mahakalas) zu üben und in die Kurse reinzuschauen, wenn es möglich ist.

Erste Übung: Das Malen von Buddhaaugen

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Trotzdem, ich fühle mich isoliert, was nur zum Teil daran liegt, dass hier jede Menge Tschechen sind, die sich mehr miteinander beschäftigen als mit mir. Mein Anteil ist fortgesetzte Schweigsamkeit, ich rede halt nur auf Ansprache hin. Das zu ändern wäre eine echte Aufgabe.

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Ein kleiner Ärger am Rande: die Akkus arbeiten nicht mit der Kamera zusammen, das heißt ich brauche entweder die teuren Fotobatterien oder ich muss in Akkus investieren.

3.9.2008, Mittwoch

Abfahrt in der Frühe, was zu unseren Bedingungen 10:00 Uhr bedeutet. Erste Spannungen zwischen Didi und Katrin. Für Katrin bedeutet „nach dem Frühstück“ genau das, am besten ist dann auch schon alles im Auto. Für Didi heißt es „und dem Kaffee nach dem Frühstück und dem zu erwartenden Morgenschiß“. Wo sich das Gepäck zu diesem Zeitpunkt befindet bleibt offen.

Eine erste Aussprache macht die verschiedenen Deutungen offen und nächstes Mal wird alles besser, weil jeder sich darauf einstellen kann.

Beim Bezahlen eine kleine Irritation. Weil Norbu da ist kostet die Übernachtung acht Euro mehr, was ziemlich viel ist (in der schwächstmöglichen Formulierung). Die Fahrt selbst verläuft weitgehend problemlos. Wir fahren über Österreich und die Autobahnen, was zusätzlich die Gebühren für die Vignetten bedeutet. Das macht uns schneller, aber auch unzufriedener.

Irgendwann zwischen Nachmittag und frühen Abend kommen wir nach Budapest, Rushhour. Wir beschließen einen Zwischenstopp. Eine kleine „Kneipen-Imbissbude“ mit der Möglichkeit im Freien zu sitzen ist schnell gefunden und wir essen unsere erste „Gulaschsuppe „. Das bestellen ist unsere erste Aufgabe, die wir nur mit dem Vokabelteil des Sprachführers bewältigen können. Ich übe die Zahlen von 1-10 und versuche mir die Systematik für alles oberhalb von zehn einzuprägen.

Nach dem Essen ist immer noch dichter Verkehr und aus der Stadt heraus brauchen wir lange. Dann läuft es gut und wir kommen irgendwann in der Dunkelheit auf dem Gelände in Beczke an. Die Begrüßung verläuft gewohnt freundlich und sehr schnell treffen wir auf die einzige andere deutsche Muttersprachlerin. Erste Eindrücke, erste Einweisungen, Ankommen halt.

Stupa-Baustelle am Abend

Um einen Zeltplatz zu finden und vernünftig aufzubauen ist es definitiv zu dunkel und wir beschließen, diese Nacht nochmals in der Gompa zu verbringen.

4.9.2008, Donnerstag

aufstehen um 8:00 Uhr, was für hiesige Verhältnisse spät ist. Beim Frühstück sitzt Joshua aus Frankfurt bei uns, der ebenfalls bis zum Ende des Monats bleibt. Ein paar bekannte Gesichter scheint man immer zutreffen.

Sich auf einen Zeltplatz zu einigen und die anschließende Feinabstimmung zur Anordnung der Zelte ist eine Geduldsprobe für mich. Didi ist Didi als Umstandskrämer. Mir ist es zu viel hin und her, aber irgendwann haben sich alle Fragen geklärt, die Zelte stehen und sind eingeräumt. Gefühlte Zeitausdehnung: 150 %. Wie auch immer, jetzt haben wir einen sehr schönen Platz unter Bäumen, wovon es nicht sehr viele gibt. Es stehen drei Zelte, eines groß genug um N. aufzunehmen, die per SMS mitgeteilt hat, dass sie auch den ganzen Njöndro-Kurs besuchen kann und zur Einweihung der Stupa anreisen wird.

Unser Zeltplatz, im Hintergrund das Veranstaltungszelt

Nach dem Zeltaufbau fahren wir ins Dorf und auch in das nächste (Becske und Bercel), besuchen Supermärkte und kleinere Läden für alles, was wir brauchen und nicht auf dem Gelände bekommen. Leider finden wir weder Bank noch offene Post zum Geldwechseln oder abheben. Bedeutet drei weitere Tage ohne Landeswährung, was sich seltsam abhängig angefüllt. Forint haben wir nur deshalb, weil Katrin in Budapest an einem Automaten mit Ihrer Karte Geld abgehoben hat.

White Hat LamaNach dem Ausflug ins Dorf aus einer Laune heraus zur Stupa hochgefahren, die etwas außerhalb des Kursgeländes liegt. Dort war gerade Rinpotche Sherab Gyaltsen dabei, die nächsten Schritte mit dem Bauleiter und allerlei Interessierten abzusprechen. Ein Rinpotche mit Bauhelm, ein White-Hat. Die Baustelle ist irre interessant, vor allem wegen der Gies-und Schalarbeiten, bietet aber wenig Möglichkeiten für unqualifizierte Helfer. Direkt beim Bau der Stupa helfen zu können, werden wir uns wohl abschminken müssen.

Den letzten Teil des Nachmittags verbringen wir bei den Zelten, ich schreibe, Katrin macht Mandalagaben und Didi spannt nochmal Katrins Zelt ab. Abhängezeit.

Die Blase drückt und ich drücke mich, sie zu entleeren. Der Weg zum Klo ist ziemlich weit und bis jetzt gibt es noch keine Dixies, die werden erst zum Kurs geliefert. Die Weitläufigkeit des Geländes ist Gnade und Fluch zugleich, weite Wege, aber vermutlich wird es nicht eng. Und für uns ist es nicht weit zur Gompa, der großen.

5.9.2008, Freitag

gestern früh zu Bett und heute spät raus. Ein bescheidenes Frühstück, abgepackte Stückchen. Als Arbeits- und Beteiligungsmöglichkeit bietet sich nur die Statuen- und Stupafüllwerkstatt an, wo noch immer Mantrarollen herzustellen sind für die Gipsnachbildung der Stupa, die an alle Zentren und einige Stadthonoratioren verschenkt werden sollen. Die Gipsstupas zum Verschenken werden gefüllt, die zum Verkauf nicht. Mit der Hilfe dort geht der Tag auf unspektakulärer Weise herum. Gegen 18:00 Uhr beginnt dann die Füllung der Stupatreppe.

Die Treppe hat oben eine kreisrunde Öffnung auf die später der Bumpa aufgesetzt wird. Direkt unterhalb der Öffnung ist ein achteckiger Raum, der morgen mit dem Mandala aufgefüllt wird. Heute wird der Raum außerhalb des Achtecks mit Tsatsas aufgefüllt. Dabei werden etwa drei Viertel der Höhe mit großen bemalten Stupas ausgefüllt, zwischen die Stupas wird Sand gefüllt, gelegentlich werden trocken Blumen eingestreut. Ins letzte Viertel kommen Tsatsas von Aspekten. Milarepa, der Tausendarmige Chenrezig, Zepame und der Medizinbuddha. Liegend und stehend, wie es gerade passt, dicht an dicht. Das achteckige Innere ist zu Beginn der Füllung nur bis zur halben Höhe gemauert um das Füllen zu erleichtern. Irgendwann gibt es dann eine Pause und die Maurer mauern schnell den fehlenden Rest mit bereitliegenden Yton-Steinen hoch. Leicht vorzustellen, dass die Geschichte mehrere Stunden dauert.

Es kommt es zu einem späten Abend essen, dummerweise Suppe, denke ich schon beim Essen, zu viel Flüssigkeit, um die Nacht nicht noch mal raus zu müssen.

6.9.2008, Samstag

Habe es dann doch geschafft, mich bis 9:00 Uhr auf meiner vollen Blase herum zu wälzen. Mittlerweile ist es hier deutlich voller geworden und ich bin lange nicht der einzige Spätaufsteher. Zudem hat sich schon an den beiden letzten Tagen abgezeichnet, dass hier Hilfe nicht zwingend gebraucht und auch nicht nachgefragt wird.

Also trödeln wir uns gemeinsam durch das Frühstück und beschließen die Tage vor dem 11., dem Einsetzen des Lebensbaumes in die Stupa, für unseren Budapestbesuch zu nutzen. Ob wir schon morgen oder erst übermorgen aufbrechen wollen, wollen wir von Didis Gesundheitszustand abhängig machen, der unter der Hitze und einem Schnupfen leidet – dem es „nicht so gut“ geht. Auch Kathrin ist durch ihre Periode etwas gehandicapt.

Die Arbeit in der Stupafüllwerkstatt ist nicht wirklich ausfüllend. Zu viele Helfer und Stress bei den Verantwortlichen. Ich rolle Mantrarollen, die zumindest aktuell nicht gebraucht werden. Auch aus Frust gehe ich etwas früher und meditiere stattdessen.

Nach der Medi dann zum zweiten Teil der Stupatreppenfüllung, dem Mandala. Unter der Leitung von Sherab Gyaltsen baut sein Begleiter, ein junger Mönch (nebenbei: seine zweite Begleitperson ist eine junge Nonne, vielleicht ein Zugeständnis an die westliche Gleichberechtigung) das Mandala in den Hohlraum. Da zum Schluss der gesamte Boden belegt ist, ist das keine leichte Aufgabe. Als Baumaterial dienen die ganzen vorbereiteten Kostbarkeiten: Butterlampen, Muscheln, Tormas, Mandalaschalen, Blumensträuße, Dorjes und Glocken, der gesammelte Schmuck, Räucherwerk und etliches mehr. Nicht zuletzt Mantrarollen in der Größe von Toilettenpapierrollen.

Fotografieren kann ich leider nicht so viel, meine Kamera hat einen Fehler. Entweder braucht sie unangemessen viel Strom oder die Batterien werden zu früh als leer angezeigt, was-auch-immer, sie versagt den Dienst zu früh. Ersatzweise hatte ich Katrins Kamera dabei, der dann auch der Saft ausging. Schlechtes „Foto-Karma“! Immerhin konnte ich ganz zum Schluss mit den wieder erholten Batterien genau ein Foto vom fertigen Mandala machen.

Unmittelbar nach dem späten Abendessen treffe ich Katrin, deren Wespenstich sich in der Zwischenzeit zu einer riesigen Schwellung ausgewachsen hat. Sie war sogar beim Arzt damit. Ziemlich hoher Krankenstand in unserer kleinen Reisegruppe.

7.9.2008, Sonntag

In der Nacht starker Regen, einer meiner Schuhe ist durchweicht, dummerweise ist das gleiche auch mit meinen Schuhen passiert, die im anderen Zelt zu nah am Rand standen. Bleiben die Laufschuhe.

Mit denen laufe ich nach dem Mittagessen nach Bercel. Mittlerweile hat es wieder aufgeklärt, es scheint, als ob weiterer Regen nicht zu befürchten wäre. Der Vormittag war mit Frühstücken und einer Diamantgeistmeditation vorübergegangen. Um Arbeit haben wir uns gar nicht erst bemüht. Ziel in Bercel war die Post, die ich leider eine Viertelstunde zu spät erreicht. Die Beamtin habe ich zwar im Hof noch angetroffen, konnte ihr auch meine Karte zeigen, aber dann wurde die Kommunikation unklar. Kann sein, es gibt keinen Automaten, kann sein, es gibt ihn einfach nicht zu dieser Zeit.

Jetzt sitze ich in einer Gaststätte mit Außenbereich, habe ca. 7 km Rückweg von mir und nutze die Gelegenheit, mal für mich zu sein.

Bis jetzt war unsere Reise von allerlei kleinen Widrigkeiten begleitet. Am schwierigsten ist es für uns, nicht beschäftigt zu sein. Zumindest gilt das für mich, gestern das Mantrarollen rollen habe ich als Beschäftigungstherapie empfunden. Kurz: ich will wichtig sein.

Gestern früh haben wir während des Frühstücks über unseren Budapest Besuch nachgedacht, heute früh sieht vieles schon wieder anders aus. Didi ist kranker als gestern, zum Schnupfen kommt Halsweh und Hustenreiz. Zudem hat er sich bereit erklärt, das Lama-Essen zum Lama-Haus zu fahren, weil das erstaunlicherweise bei den Ungarn ein unbeliebter Job ist; sie fürchten um ihre Wagen und deren Bezüge.

Katrins Hand ist noch immer stark geschwollen und sie möchte heute noch nicht entscheiden, ob sie morgen früh für Budapest fit genug ist. Mir ist das alles viel zu viel hin und her und so will ich heute wenigstens herausbekommen, wie die Zugverbindungen nach Budapest sind. Dann kann ich immer noch entscheiden, ob ich allein los mache oder beim Rudel bleibe.

Mein Fußmarsch nach Bercel hat mich von diesem Ziel leider etwas abgebracht. Heißt: ich muss mir auf dem Rückweg in Becske den Bahnhof suchen, was auch nochmal Zeit und Energie brauchen wird.

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Nachfragen in Becske ergeben dann, dass der nächste Bahnhof im Nachbarort 3 km entfernt ist. Was nur halb so schlimm ist, da ich auf dem Weg an der Tsatsawerkstatt vorbei auf Andreas und seine Frau Zuzie stoße, die einsam Tsatsas reparieren. Hilfe wird benötigt. Dort verbringen ich dann den Abend. Die Tsatsas sind von sehr verschiedener Qualität und viele bedürfen der Ausbesserung.

 

 

8.9.2008, Montag

Ab morgens in der Tsatsawerkstatt. Während des Frühstücks haben wir – besser: habe ich – Nico, einen der „Famous Plumper Brothers“ kennen gelernt. Er hat in Hamburg die Tsatsas Produktion bekleidet und möchte uns den Umgang mit dem Material und den Aufbau einer Produktionsstraße zeigen.

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Ich werde unruhig, habe das Gefühl, keine Zeit, keine Ruhe zum Schreiben zu haben, höre von daher auf. Irgendwann komme ich hoffentlich dazu, die genannten Personen noch etwas genauer zu beschreiben.

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Um es abzukürzen: habe den ganzen Tag bis abends um 23:00 in der Werkstatt verbracht und werde morgen auch wieder hingehen.

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Das Wichtigste zum Material: der Gips muss eingestreut werden und dann 5 Minuten schlemmen. Anschließend ohne Blasensbildung mischen, entweder mit der Hand oder dem Teigschaber.

 

9.9.2008, 10.9.2008, 11.9.2008, Donnerstag

Bin in den letzten drei Tagen zum Ober-Giesser aufgestiegen. War halt die ganzen Tage in der Werkstatt und habe herausgefunden, wie ich ziemlich gute Abgüße herstelle. Möglich sind 8 bis 10 Stück am Tag, davon sind maximal zwei perfekt, der Rest muss noch nachbearbeitet werden.

Gestern bekam ich zum ersten Mal die Schlüssel für die Werkstatt und auch heute werde ich der Letzte sein. Noch ist die Werkstatt voller Menschen. Anlässlich das Einsetzens des Lebensbaumes sind viele gekommen und ab heute werden das vermutlich immer mehr. Jeden Tag steht irgendwo ein neues Zelt und alles ähnelt immer mehr den Kursgeländen wie wir sie kennen.

Meine Karriere habe ich der Tatsache zu verdanken, dass Andreas und Zuzie, die Verantwortlichen für die Tsatsas, eher überraschend zu ihrer Aufgabe gekommen sind und mit der blasenfreien Produktion ziemliche Schwierigkeiten hatten. Meine Anwesenheit nimmt Ihnen eine große Sorge. Davon abgesehen sind sie auch ohne die Tsatsas schon ziemlich aufgebraucht, da sie seit sechs Wochen die Baustelle hier bekleiden. Die Entlastung, die sie durch mich finden, sei ihnen gegönnt.

Unsere kleine Reisegruppe ist tagsüber auf die verschiedenen Arbeitsbereiche verteilt, meistens treffen wir uns zum Essen, oft auch mit Joshua aus Frankfurt. Auch bei den verschiedenen Zeremonien bei der Stupa stehen wir meist zusammen. Fühlt sich gut an, wir sind nicht aufeinander angewiesen und trotzdem gibt es Verbindung.

12.9.2008, Freitag

[einige schwer zu lesende Mitschriften aus einem Vortrag]

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Overblessed and undersugared

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13.9.2008, 14.9.2008, Sonntag

[Die fehlenden Einträge der letzten Tage weisen darauf hin, dass in diesen Tagen wohl einiges los war. Mein Schwerpunkt lag ohne Zweifel bei der Produktion der Tsatsas, die bis zum letzten Tag vor der Einweihungszeremonie produziert wurden und dann (zum Teil in Nachtarbeit) bemalt wurden.

„Gestört“ wurden wir in unserem Tun immer wieder durch die verschieden Aktivitäten und Zeremonien rund um die Fertigstellung der Stupa. Nachdem das Mandala in der Stupatreppe fertig war, wurde der Raum verschlossen und die Bumpa aufgesetzt (das runde Ding, in dem der Buddha sitzt). Das Einsetzen des Lebensbaumes war eine große Sache und das Aufsetzen der Spitze von großem Schauwert. Ein paar Bilder dazu und dann zurück zu den Original-Tagebucheinträgen.]

 

Der Tag der Einweihung. Unmengen von Menschen überfluten den Platz. Kursatmosphäre, überall Schlangen und zu wenig gute Sichtplätze. Was neu ist, es gibt einen Screen, auf dem die Veranstaltung übertragen wird. Das Teil steht am Fuß des Flügels und zeigt gerade, dass immer noch geschmückt wird. Zwei große Boxen übertragen den Ton, gegenwärtig dass 100-silbige Mantra.

Die Lösung mit dem Screen gefällt mir, sie lässt mir mehr Möglichkeiten, als ich sie in der Menge stehend hätte, zum Beispiel in dieses Buch zu schreiben.

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Die Nacht war wirklich kühl, sobald die Sonne weg ist fällt die Temperatur stark und es ist eine Aufgabe, nicht auszukühlen. Das gilt auch in der Gompa, die ohne Decke um die Nieren kaum zu be“sitzen“ ist.

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Am Screen gerade die ersten „off-stage“-Aufnahmen, Sherab Gyaltsen richtet einen Altar her. Im Hintergrund das eine oder andere bekannte Gesicht. Menschen, mit denen ich in den letzten Tagen zusammengearbeitet habe; normale, lockere, zugewandte Menschen, die da plötzlich an prominenter Stelle auftauchen. So etwas finde ich immer wieder bemerkenswert, als ob so ein Teil ihrer Prominenz auf mich abfärben würde. In solchen Gedanken hat wohl jedes „name dropping“ seinen Ursprung.

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Jetzt werden die Videojungs professionell, mehrere Kameras zeigen abwechselnd Bilder von verschiedenen Standpunkten aus. Die Stupa ist nur an drei Seiten mit riesigen quadratischen Tüchern verdeckt, die an den vier Fahnenmasten an den Stupaecken hängen. Der Altar ist fertig hergerichtet. Sherab Gyaltsen und die beiden Helfer legen ihre gelben Überhänge an.

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Die Einweihung hat begonnen. Eingeleitet durch einige Impressionen aus der Bauzeit am Screen, laufen nun die Rezitationen. Die verschiedenen Helfer räumen noch immer Kisten von hier nach da. Beschäftigtsein bis zum Schluss. Gerade hat auch Ole seinen Platz links neben Sherab Gyaltsen bezogen. Am Screen nur noch undeutlich zu erkennen ist die Farbe seines T-Shirts, es wirkt rötlich, so als hätte er sich farblich etwas an die Roben der Mönche angepasst.

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Segnung der Reistütchen mit seinem Gau.

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Reinigung mit dem Spiegel, usw., usf. …

 

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Gegen Ende der Veranstaltung und nach der eigentlichen Einweihungszeremonie wurden dann die Stupas an Sherab Gyaltsen, Ole, Katie und Gerke vergeben. Anschließend die Verteilung an die Zentren. Hat sich auf dem Bildschirm sehr schön gemacht.

Wenn Sie für „die Großen“ die besten Stupas herausgesucht haben, sind sie vermutlich von mir. Falls willkürlich verteilt wurde ist die Chance immer noch 50 zu 50. Ich weiß nicht, ob ich stolz darauf bin, aber irgendwie bläst es schon das Ego auf; die Menschen sollten wissen, dass ich wahrscheinlich eine Stupa für Ole gemacht habe.

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Unmittelbar nach der Zeremonie der Run auf das Essenszelt. Viel zu viele Leute, was wollten die alle auf meinem Platz? Zum Glück beginnt nach dem Essen auch eine große Abreisewelle. Möge es allen unheimlich gut gehen, dort wo sie hingehen (wenn sie nur dort hingehen).

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Gegen 16:00 Uhr wird die Zeremonie für die Offiziellen und die Presse sein, meint: es ist noch nicht vorbei. Ich bin ziemlich müde, seit Tagen schon. Gestern auch nur den halben Ole-Vortrag gehört und danach ins Bett gegangen. Nicht direkt, eigentlich hatte ich den Vortrag verlassen, um noch einmal in die Tsatsawerkstatt zu gehen und dort beim Ausbessern zu helfen. Als ich dort dann niemanden mehr angetroffen habe, bin ich auf dem Rückweg nicht an meinem Zelt vorbeigekommen (bzw. bin ich dort vorbeigekommen, nur nicht weiter, also genau bis dorthin).

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Habe Zuzie und Andreas getroffen und nebenbei erfahren, dass die Stupa, die ich für mich gegossen habe, irgendwie mit in die Produktion gerutscht ist und ich mir eine neue gießen muss. Anschließend haben wir uns verabredet und dann doch verpasst. Jetzt bin ich etwas angespannt, morgen werde ich mir den Schlüssel aus der Küche holen müssen und noch einmal gießen, klingt einfach und ist es auch, wenn der Schlüssel an der Stelle ist, wo er sein sollte. Worauf man sich nicht verlassen kann.

Mit der ganzen Geschichte ist eine kleine, eitle Enttäuschung verbunden. Als ich bemerkte, dass „meine“ Stupa nicht mehr am Platz stand, habe ich vermutet, dass Zuzie und Andreas sie  genommen hätten, um sie zu reparieren und vielleicht sogar füllen zu lassen. Überhöhte Erwartungen, die ich Ihnen aber zugetraut hätte, weil sie mich in den Tagen zuvor so gelobt hatten.

Wie auch immer, morgen ist ein freier Tag und ich werde versuchen, meine Stupa zu gießen.

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[Vortragsmitschrift]

15.9.2008, Montag, der freie Tag,

es ist 17:20 Uhr und bis jetzt hat es den ganzen Tag geregnet, die erste Hälfte des Tages dachte ich noch, ich könnte den Regen wegschlafen. Bin bis 13:00 Uhr liegen geblieben, irgendwo zwischen Ausschlafen und leichter Depression. Letztlich hat mich der Harndrang aus dem Schlafsack getrieben. Und auch die Idee auf ein Mittagessen, das allerdings gewohnt schmal ausfiel, Suppe mit Karotten und Fleisch. Nicht, dass sie schlecht gewesen wäre, aber nach einer Folge von Mahlzeiten, die für den deutschen Anspruch hart am Rand waren, wünschte ich mir etwas zum genießen. Das ist es, Genuss fehlt an diesem Essen.

Ein – wenn auch unvollkommener – Ersatz dafür ist der Kaffee, den ich mir in unserem großen Zelt mit Didis Espressokanne mache. Ein anderer kleiner Genuss ist das Aufrecht-sitzen, dass im großen Zelt möglich ist. Es war mein ausdrücklicher Wunsch, ein kleines Zelt für mich zu haben und das hatte ich bis heute auch. Gerade hoch genug um darin zu sitzen und nicht breiter als die große Luftmatratze, d.h. ca. 1,20 m. Das ist bei Sonnenschein eine gute Lösung, dieser erste Regentag hat gezeigt, dass sie bei schlechtem Wetter direkt in Untätigkeit und Depression führt. Deswegen bin ich vor einer Stunde in die zweite leere Kabine des großen Zeltes gezogen. Bis gestern wohnte Astrid darin, die allerdings abgebrochen hat um sich wegen verschiedener Unpässlichkeiten mal ein paar Tage von ihrer Mama betütteln zu lassen. Für mich eine recht glückliche Fügung.

16.9.2008, Dienstag

Heute hat der Kurs begonnen. Im Nachhinein betrachtet habe ich seit der Einweihung bis heute früh geschlafen, mit wenigen Unterbrechungen für Kaffee, Essen, Meditation.

Heute Morgen bin ich dann gleich zu spät gekommen, was erstens daran liegt, dass ich mich nicht gekümmert hatte, wann es losgeht und zweitens daran, dass ich mich in der fremden Kultur noch nicht sicher bewege und weiß, was ich erwarten darf. So hatte ich erwartet, dass die Eröffnungsveranstaltung abends sei (die Zeit der Schützer) und sah mich in dieser Erwartung bestätigt, als die Jungs um 9:00 Uhr anfingen, das Zelt für die Schuhe aufzubauen (was bis 10:00 Uhr nicht beendet sein konnte). Wie auch immer, es ging um 10:00 Uhr halt ohne Schuhzelt los.

Die Mitschrift des Kurses habe ich in einem roten neuen Buch begonnen, dem Nachfolger dieses blauen Buches.

17.9.2008, Mittwoch

Heute ist es mir endlich gelungen, die Kursgebühr zu bezahlen. In den Tagen zuvor gab es entweder keine Registration oder sie war unbesetzt. Auch das gegen jede deutsche Erwartung. Bei uns wäre Kasse-machen eine der ersten Tätigkeiten gewesen, die besetzt sind. Hier wird man eher im ungewissen gelassen. Organisation ist hier eher spontan oder lässt deutlich mehr Spielraum als bei uns. Gewöhnungsbedürftig.

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Didi ist beim Lama-Service gelandet und fährt mehrmals am Tag das Essen für die Lamas von der Küche zum Lama-Haus. Die Reste sind dann für das Küchenpersonal und manchmal auch für mich. Heute hat er zwei Hähnchenschenkel für mich zurückgelegt. Didi ist eine ganz eigene Nummer und irgendwie entzieht er sich jeder Beurteilung. An den Kursen nimmt er nicht teil, aber er hört sie sich über das simultane Übersetzungsradio an, er ist großzügig darin Dinge auszuleihen und in Gelddingen. Er ist schwierig, wenn es etwas zu entscheiden gibt und einfach, wenn er sich dann in einer Situation arrangieren muss. Er kann zur gleichen Zeit flexibel und eigenwillig sein.

[Ein Traumzitat:

Es gibt Menschen,

die wollen werden,

was sie sind.

Spätestens ab dann

müssen sie das nicht mehr.

, Ich-mich-meinen, …

In der Nacht vom 20. September auf 21. September geträumt, erinnert und aufgeschrieben.]

22.9.2008

Zum Thema Organisation gibt es immer wieder Überraschungen. Gestern hatten wir tatsächlich Licht bei den Schuhregalen. Die Regale selbst waren zwei Tage vorher angekommen. Eigentlich hatte sich jeder schon daran gewöhnt, dass die Schuhe im Hauptzelt hinten abgestellt werden.

23.9.2008

Und dann war das Licht wieder weg.

25.9.2008

Gestern von meinen letzten 50 € Essenstickets für den Rest der Zeit und einen Anhänger für Helen gekauft. Wollte während dieses „Urlaubs“ eigentlich nicht sparen, großzügig sein, wenigstens mit mir selbst, wenn nicht sogar mit anderen.

Und dann entwickelt sich die Geschichte hier so, dass ich kein Geld wechseln kann, die Post nicht auf die Sparcard eingehen kann und es keine Bank gibt, die die Traveller-Schecks eingelöst. Und ich wieder die Spar Nummer durchziehe.

28.9.2008

 

 

29.9.2008

Tag der Abfahrt. Gestern nach der Diamantgeist-Einweihung hat sich der Kurs sehr schnell aufgelöst. Plötzlich, na ja, nach und nach sind alle Zelte weg und auch die Leute. Zurück bleiben die, die auch vor dem Kurs schon da waren.

Auch wir haben unsere Zelte abgebaut und schliefen die Nacht im Cafeteriazelt, dass schon wieder wie eine Baustelle aussieht. Zuvor eine lange Lagerfeuersitzung um der Nachtkälte zu entgehen. Viel Alkohol bei den Einheimischen und auch Didi trinkt mehr als gewohnt (aber immer noch deutlich weniger, als ihm angeboten wird).

Irgendwann geht rum, dass Rinpoche morgen, also heute, eine Feuer-Puja abhalten wird und wir eingeladen sind. Beginn 10:00 Uhr, damit ist klar, da sich unsere Abfahrt verzögern wird.

Heute Morgen dann gegen 8:00 Uhr, nach einer durchgefrorenen Nacht (der dritten insgesamt, eigentlich ganz gut für „Zelten-im-September“), aus dem Schlafsack gekrabbelt. Frühstück in der Küche, so wie vor dem Kurs mit dem Team. Zwar nur wenig Kommunikation, weil nur wenige Englisch sprechen, aber alles gut.

Um 10:00 Uhr dann die Feuer-Puja. Ein Ereignis, das sich hinzog (Beschreibung im roten Buch im Anschluss), anschließend noch ein Extrasegen vom Lama. Danach Mittagessen und dann gibt es Getrödel mit Didi bis zum Abwinken und jenseits jeder Beschreibung. Jetzt ist 16:45 Uhr und zwischenzeitlich haben sich unsere Pläne mehrfach geändert. Zwischendrin war mal durchfahren angedacht, jetzt wollen wir nur noch bis Budapest. Mir ist alles recht, wenn’s nur losgeht.

30.9.2008

Die Nacht im Budapester Zentrum verbracht. Dort war die Unterbringung so einfach und unkompliziert wie selten. Im sogenannten VIP-Bereich gibt es eine Küche, ein Bad und drei hintereinanderliegende Zimmer mit Matratzen bzw. Platz für Isomatten. Hat man einmal in den Innenhof gefunden ist der Zutritt ohne jede weitere Anmeldung oder Bewohnerkontakt frei. Ein Schild informiert über den erbetenen Übernachtungspreis von 750 Ft. (drei Euro) bzw. vier Euro. Zu zahlen indem man den Betrag zu der nicht unbeträchtlichen Summen legt, die frühere Besucher schon auf dem Kühlschrank deponiert haben. Ein paar Lebensmittel gibt es auch noch im Kühlschrank.

Das alles ist sehr viel angenehmer, als in der Gompa zu schlafen, was in Budapest auch unangebracht wäre. Dort hängen eine ganze Anzahl Thangkas, zum Teil als Rollbild, zum Teil im Glasrahmen, und eine sehr schöne Statue von Weißer Schirm. Das kombiniert sich schlecht mit Isomatte und Reisegepäck.

Zudem sind die Besucher im VIP-Bereich unter sich, was das Gefühl vermeidet, dass man sich in irgendjemandes Komfortzone rumtreibt.

Heute Morgen ein entspannter Aufbruch, so gegen 10:30 Uhr waren wir auf der Straße, Ziel ist es, abends zuhause zu sein

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Was dann auch gelang!