Die Frau, bei der ich Kind war

Als ich die Redewendung aus der Überschrift zum ersten Mal hörte (André Heller verwendet sie in einem seiner Live-Auftritte) wußte ich, dass damit auch die Beziehung zwischen mir und meiner Mutter gültig beschrieben ist. Sie wendet eine Beziehung, die wir uns gerne als eine liebende vorstellen, ins Formale. Eine hat geboren, eines wurde geboren, mehr wissen wir nicht, aber wir ahnen, dass es keine herzerwärmende Geschichte wird.

Ich erinnere  keinen Moment mit meiner Mutter, in dem ich mich geliebt gefühlt oder für sie Liebe empfunden hätte. Auf den Bildern aus den Wochen nach meiner Geburt ist ihr Gesichtsausdruck neutral, ich spekuliere eine Wochenbettdepression hinein, es würde passen, ist aber nicht überliefert. Was überliefert ist, ist die vergleichsweise kurze Stillzeit von drei Wochen. Ich glaube, ich war sehr verärgert, damals.

Das Gute an formalen Beziehungen ist, dass alle Beteiligten wissen, welche Rolle sie zu spielen haben. Mutteriell war ich gut versorgt, Flaschennahrung und Babybrei machten es möglich, später gab es Fleisch mit Konservengemüse. Gekleidet wurde ich mit Hilfe des Otto-Versands, der meinen modischen Ansprüchen lange genügte. Kurz, gemessen an den damaligen Umständen fehlte es mir an nichts und ich dankte es mit Wohlverhalten.

Zumindest bis zur Vorpubertät, die – wenn wundert’s – viele Veränderungen mit sich brachte. Vielleicht am Wichtigsten für den Zweck dieses Textes, etwa ab der Vorpubertät habe ich zusammenhängende Erinnerungen, die Zeit davor bleibt bruchstückhaft – und es sind wenige Bruchstücke. Je weiter zurück, umso weniger. Weswegen meine Kindheit in der Regel nicht auserzählt wird, es bedarf besonderer Bemühung, in sie einzudringen; hier und heute, also hier und morgen und vermutlich  auch hier und an etlichen Tagen mehr, will ich es anders machen und den wenigen Erinnerungen den Raum geben, den sie verdienen. Was war los zwischen Zu-früh-abgestillt und Das-müssen-Lewis-sein?

<O>

Wird fortgesetzt,
irgendwann mal,
oder auch nicht,
weil’s irgendwie auch egal ist,
Ihr wisst schon.

Die Wohnung meiner Eltern …

… so um den Zeitpunkt meiner Geburt herum.

Dort, wo das Radio steht, stand später der Fernseher. Die beiden linken Bilder sind in etwa von der Schlafzimmertür aus aufgenommen. Vor dieser Tür hing ein Vorhang und während meiner Kindheit stand ich dort oft und schaute verbotenerweise und durch den Vorhang verborgen mit meinen Eltern fern.

Später bin ich in genau diese Wohnung mit meiner ersten Freundin eingezogen.

Die heilige Familie

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„Meine Eltern hatten immer viel Freude an mir“, schreibt mein Papa zu diesem Bild in meinem Kinderbilder-Album. Da wusste er noch nichts von Pubertät, Drogen und lauter Musik.


Meta: Dieses Bild möchte ich gerne zu einem Datum rund um seine Entstehung veröffentlichen, WordPress lässt das im Moment leider nicht zu. Und schon geht die Sucherei los.

Update (13.3.2015): Damals blieb die Sucherei ergebnislos. Aber etliche WordPress-Versionen später funktioniert das gut.