24960 – Beziehungskiller

angelegt an 24957
24859

Den Gold’nen Vogel Einerlei habt Ihr vor drei Tagen schon kennengelernt.

Hier ganz ohne Gold dargestellt als Beziehungskiller.

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Thematisch ist die Zeichnung mir gerade in angenehmem Abstand. Wenn ich sie anschaue, schaue ich sie mir als Zeichnung an und denke, dass ich versuchen könnte, sie zu colorieren, oder ihr mit Schraffuren mehr Tiefe zu geben. Solche Impulse sind unmittelbarer Ausdruck der Entspannung, die der Abschluss der Innendämmung mit sich gebracht hat. Lustbetontes Arbeiten und Kreativ-sein dürfen und können wieder sein.

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Außerdem heute: der 19. Blog-Geburtstag, am 4.3.2006 erschien der erste Blogartikel, damals noch im Buddha-Blog.

24957 – Gold’ner Vogel Einerlei – Heute vor vierunddreißig Jahren

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Ihr seht den Versuch, meiner Depression ein Gesicht zu geben, bei dem ich aus keinem erinnerten Grund auf einen goldenen Marabu gekommen bin. Ich habe zu diesen Vögeln keinerlei Bezug.

Bis sich vor etwa zwei Jahren in den Papieren meiner Mutter ein Brief findet, den ich als Neunjähriger aus dem Zeltlager schrieb. Und im Rahmen der Erinnerungen an dieses Zeltlager tauchte dann auch ein „Böser Marabu“ auf, eine Gestalt, vergleichbar mit dem Schwarzen Mann, der des Nachts kommt, um kindliches Missverhalten zu bestrafen.

Keine weitere Deutung, macht daraus, was Ihr wollt.

24906 – Zielvorstellungen


Heute probieren wir etwas Neues. Ich habe für die Kategorie g.mailt mehr oder weniger willkürlich eine Mail aus dem Schriftwechsel mit F² ausgewählt, einem Freund aus sehr, sehr frühen Tagen, den ich um 2009 herum kontaktierte und mit dem sich dann eine spannende Korrespondenz entwickelte, in deren Verlauf wir uns gegenseitig unser Leben erzählten.


Mail vom 18.1.09, Betreff:  Interessante Fragen

Hallo F²,
fühle mich gerade stark genug, mich „auch interessanten Fragen“ zu widmen 😉 . Zitat: Damit kommen wir zu Fragen, die auch interessant sind, was erwartest Du für Deine kommenden noch verbleibenden Jahre […]? Das fragst Du vermutlich in aller Unschuld.

Jetzt, da ich versuche eine Antwort auf Deine Frage zu finden, bemerke ich, dass sie sich auf verschiedene Weise auffassen lässt. Erfragst Du meine Erwartung für die nächsten Jahre im Sinne einer Vermutung, wie ich die nächsten Jahre verbringen werde? Oder versteckt sich hinter der Frage nach meinen Erwartung auch die nach wie-auch-immer gearteten Zielvorstellungen? […]


Zielvorstellungen – beziehungsweise das Fehlen von Zielvorstellungen – ist DAS Thema überhaupt! Ich erinnere ein Foto, da stehst Du vor meinem ersten Auto (leider mit dem Rücken zum Fotografen). Dieses Auto steht für die sehr frühe Erkenntnis, dass wir nicht über Dinge, über Besitz glücklich oder doch wenigstens zufrieden werden können. Ich hatte mir viel versprochen von dem Zeitpunkt, da ich endlich ein Auto hätte. Und dann? Mit den Worten meines Lieblingslehrers: „Raider oder Twix, geändert hat sich nix!“ Rückblickend denke ich, dass diese Erkenntnis zu früh kam und auch jugendlich-kurzschlüssig war, sie hat mich davon abgehalten eine materielle Basis für mein Leben zu schaffen.

Geld oder Dinge zu haben war einfach keine Zielvorstellung, von der ich mir irgendwas erhoffte. Vielleicht erinnerst Du Dich, dass ich es ablehnte Kfz-Mechaniker zu werden, obwohl mich das mittelfristig zum Junior-Chef der Autowerkstatt meines Onkels gemacht hätte. Kurz: Materielles konnte mich noch niemals motivieren und ich habe mich selten unterversorgt gefühlt (eigentlich nur, als ich nicht für mich, sondern für die Kinder etwas mehr Geld gebraucht hätte).

Und wie steht es mit Ideen als Motivation? Schon besser, trotzdem hat sich auch in Bezug auf motivierende Ideen Ernüchterung eingestellt. Langfristig haben sie alle nicht durchgetragen. Anthroposophie, feste Partnerschaft, Gemeinschaftsleben, Basisdemokratie und Wagenleben, Buddhismus verschiedener Geschmacksrichtungen; fast nichts, das mich phasenweise begeistert
hat, habe ich nicht wieder verworfen oder doch so stark relativiert, dass es zur Motivation nicht mehr ausreicht.

Letztlich gibt es nur eines, das mich motiviert: Anerkennung, ernst gemeint und offen ausgesprochen. Das heißt zugleich, dass mich Menschen motivieren. Zumindest so lange, wie sie mir die tägliche Dosis Anerkennung nicht verweigern. Gib mir diese Droge und ich springe durch jeden Ring. Verweigere sie mir und ich gehe freudig-gekränkt in die Einsamkeit zurück. Es ist nicht immer Spaß, so zu leben und zu funktionieren, aber es ist, wie es ist.

So, die letzten drei Absätze dienen der ausführlichen Illustration einer einzigen Aussage: In der Vergangenheit haben sich mindestens vier Therapeuten und etliche besorgte Freunde ohne Ergebnis darum bemüht, mir irgendein Ziel abzuringen, dem nachzugehen ich bereit sei. Was auch immer, es ist nicht „überzeugend“. Dieses Wort, „überzeugend“, benutzt Doris Lessing in einem ihrer Romane um damit mögliche Liebesbeziehungen zu klassifizieren, manche sind es und andere nicht. Und welche uns überzeugen ist nicht immer rational nachzuvollziehen, manchmal sogar ausgesprochen unvernünftig oder schädlich. Mir geht es so mit Zielen, ich finde sie einfach nicht überzeugend. Der Schaden liegt bei mir, jeder weiß, dass Ziele Ausrichtung geben und helfen, ein vernünftiges Leben zu führen.

Am Besten fühle ich mich immer im näherungsweise sinnfreien Raum. Meditation ist so was, führt zu nichts und muss das auch nicht (obwohl mir da manche sehr widersprechen würden). [….] Oder lesen, wenn es nicht dem Studium dient. Irgendwas technisches auseinander nehmen um zu schauen, was drin ist (24925), vielleicht sogar zu verstehen, wie es funktioniert. Kunst anschauen wenn ich nicht drüber reden muss. Lange Emails schreiben, in denen ich mehr mir als irgendjemandem sonst erkläre, wer ich bin.

Ach ja, eigentlich auch lang genug für heute. […]

Liebe Grüße
G.

24862 – Mandala für Ursula


Bin gerade tief in meinen alten Tagebüchern. Das ist nicht nur gut, aber gelegentlich stoße ich auf Einträge, an die ich lange nicht dachte. So war mir wirklich nicht mehr bewußt, dass ich einige meiner Mandalas in den Tagebüchern vorskizziert habe. Und ich mag es sehr, meine Entwürfe mit den ausgeführten Arbeiten zu vergleichen. Nebenstehend der Entwurf vom 7.1.1990, oben die Ausführüng zwei Tage später.


Den Entwurf fand ich beim Bättern und habe dann sehr schnell beschlossen, ihn Euch zusammen mit dem ausgeführten Mandala zu zeigen. Und zwar deswegen, weil ich das Mandala einige Tage zuvor schon einmal in der engeren Auswahl hatte, dann aber davon Abstand nahm, weil es mir im unteren Teil zu dunkel war.

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Soweit war ich im Text, meint: fertig.

Interessehalber und weil es so einfach war, habe ich im Tagebuch zwei Seiten zurückgeblättert, um zu sehen, was eigentlich unmittelbar vor diesem „dunklen“ Entwurf geschehen war. Denn ich ordnete mir diese Dunkelheit zu. Stattdessen stieß ich auf einen Zusammenhang, der – fast fünfunddreißig Jahre lang nicht erinnert – bis heute und eineinhalb Meter nah an mich heranreicht. Das halte ich für bemerkens- und beschreibenswert.

Bei meinem Feuerholz, also nahe dem Ort, an dem ich gerade sitze, liegt ein Bildband, der eine psychoanalytische Deutung des Märchens „Das Mädchen ohne Hände“ enthält. Und es liegt dort in großer Ambivalenz, es wurde erst kürzlich während meiner Bücherumräum-Aktion dorthin gespült. Eine oberflächliche Ansicht (erstmals wieder nach vielen Jahren) hatte mich abgeschreckt: zu grausam (ja wirklich, sogar als Märchen) und zu religiös im Ausgang und in der Ausdeutung. Aber so unglaublich schöne Illustrationen …, ich wusste nicht, ob ich mich davon trennen sollte oder nicht.

Auf den Seiten, die ich im Tagebuch aufschlug, las ich die lange vergessene Geschichte, wie ich zu diesem Band gekommen bin. Im Januar 1990 nahm ich regelmässig an einer Therapiegruppe teil, Ursula war eine Mitklientin, die sich das Leben nahm. Den Rest erzählt das Tagebuch:

3.1.1990
„Ursula ist tot. Seit heute Mittag wissen wir es sicher. Zuvor die starke Ahnung.

Heute Abend fuhr es in mir Achterbahn. Heftige körperliche Reaktion; schlecht war mir, wie selten in den letzten Jahren. Ich stand irgendwo zwischen Kotzen und Weinen. Kotzen konnte ich gar nicht, weinen nur wenig. Schlimm war, für den Zustand keinen Namen zu haben, in Gedanken all die Etiketten durchgegangen, die wir hier ständig angeboten bekommen: Trauer, Wut, Schmerz, Kränkung, Ohnmacht, nichts von all dem. Ohne Namen..

Schlimm auch, zu bemerken, dass es nicht half, eine Schulter, eine Hand angeboten zu bekommen. Das “stille Toben“ blieb in mir. Irgendwann war ich dann müde, oder besser: ich wollte in mein Bett […]. Bin schnell eingeschlafen und ca. eine dreiviertelstunde später wieder aufgewacht.

Nach dem Aufwachen geht es mir wieder besser. Habe mir unsere Ecke mit Kerzen, Musik und Tagebuch eingerichtet, schreibe und spüre, dass das so richtig ist. […]

The winds fell 
and there came a great calm

Bleibt mir, morgen in der Gruppe noch Ursula’s “Abschiedsgeschenk” anzusprechen. Sie hat mir ein Buch ausgeliehen, ein Märchen und dessen tiefenpsychologische Ausdeutung, das “Mädchen ohne Hände”. Ich glaube tatsächlich, dass sie es mir geschenkt hat, denn sie hat es mir auf so unbestimmte Art und Weise geliehen, wie es möglich war, ohne mich argwöhnisch zu machen. Ich solle es nehmen, lesen wann ich wolle und auch ins Wochenende mitnehmen, mir keine Gedanken darum machen, wann ich es ihr zurückgebe. All das nicht mit diesen Worten, aber mit dieser Botschaft.

Trotzdem brauche ich noch von außen die Bestätigung, dass ich es wirklich behalten darf, das andere das auch so sehen, dass ich nicht irgendwelche Erben betrüge.

Kern der Ausdeutung und Ende des Märchens nach langer und schmerzensreicher Geschichte ist die Aussage, dass wir alles (ALLES) nur aus Gottes Gnade bekommen. Wenn wir etwas von Menschen bekommen, ist dies immer zu wenig oder wendet sich ins Gegenteil. Es sei denn, diese Menschen sind Mittler oder Überbringer göttlicher Gnade.

Soweit mein Verständnis der Geschichte nach erster und oberflächlicher Lektüre. Ich werde sie sicher noch mal genauer lesen. Irgendwie habe ich das Gefühl, mit dem Buch eine wichtige Botschaft hinterlassen bekommen zu haben; so als hätte sie mir überreicht, was ihr nicht mehr helfen konnte, ihr aber wertvoll genug erschien, um es in verständige Hände weiterzugeben.“

Es folgt im Tagebuch die oben gezeigte Skizze