Schon in Berlin bin ich im Gespräch mit Hannah darauf gekommen, dass es möglichweise Zusammenhänge zwischen meiner verstärkt auftretenden Depression und der zurückliegenden Prostatabestrahlung geben könnte. Genauer gesag, dass aus der Prostatabestrahlung ein Testosteronmangel entstanden ist, der nun das Depressionsgeschehen begünstigt. Vielleicht erinnert Ihr Euch, ich hatte vor der Bestrahlung die eigentlich obligatorische Testosteronunterdrückungstherapie abgelehnt, weil deren Nebenwirkungen zu sehr denen einer Depression ähneln. Da schien es nicht unplausibel, wenn ein anderweitig entstandener Testosteronmangel ebenfalls depressionsverstärkend wirken würde.
Heute bin ich der Idee mal etwas nachgegangen und sie wirkt plausibler als jemals zuvor. Bekannt ist, dass der Testosteronspiegel nach einer Prostatabestrahlung sinken kann, ebenfalls wissen wir, dass zu den Symptomen eines Testosteronmangels verminderte Libido, Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen zählen (Haken an alles – ebenfalls gerne genommen sind Gewichtszunahme und erektile Dysfunktion, beides betrifft mich glücklicherweise noch nicht).
Wenn zu wenig Testosteron schlecht ist, ist die Gabe von Testosteron dann gut? Und hilft sie auch dann, wenn wir unser Symptombündel nicht unter dem Oberbegriff Testosteronmangel zusammenschnüren, sondern es Depression nennen? Nun, es gibt starke Hinweise darauf und wie immer auch Gegenstimmen (die hier nur erwähnt werden, weil ich nicht so tun will, als gäbe es sie nicht). Letztlich habe ich alles, was ich wissen wollte, in einem Atikel gefunden, den ich der Einfachheit halber hier ausführlich zitiere. Hervorhebungen und Kommentare in eckigen Klammern sind von mir.
Zum Einsatz von Testosteron bei depressiven Symptomen:
Da Testosteron sowohl die Gemütslage als auch das Appetenzverhalten beeinflusst, ist der Zusammenhang zwischen dem Steroidhormon und dem Auftreten von Depressionen seit einigen Jahren ein viel diskutierter Aspekt in der Forschung. […]
[…]
Eine Testosterontherapie führt bei hypogonadalen Männern [meint Männer mit zu niedrigem Testosterronspiegel] zur Linderung zahlreicher Beschwerden – auch eventuell vorliegende depressive Verstimmungen werden häufig reduziert. Der Einsatz von Testosteron im Rahmen einer antidepressiven Therapie wird jedoch in keiner Leitlinie empfohlen. [warum?] […]
[…]
Eine kürzlich veröffentlichte systematische Metaanalyse von Walther, Breidenstein und Miller gibt nun erneut Hinweise auf einen Nutzen. [3]
Im Rahmen der Metaanalyse wurden Daten aus 27 ausschließlich randomisierten, Placebo-kontrollierten Studien und von insgesamt 1.890 hypo- und eugonadalen Männern zwischen 40 und 80 Jahren analysiert. Grundlegend für die Studien war, dass die Bewertung des Schweregrades der depressiven Störung, sowohl vor als auch nach der Testosteron-Behandlung, durch ein validiertes psychometrisches Verfahren erfolgt sein musste. [3]
Die Auswertung zeigt, dass eine Behandlung mit Testosteron wirksam und effizient depressive Symptome reduzieren konnte. Im Vergleich zu Männern unter Placebo verringerten sich die depressiven Symptome bei Männern unter einer Testosterontherapie signifikant (p < 0,001) [p < 0,001 bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der beobachtete Unterschied zufällig ist, weniger als 0,1% beträgt]. [3] Allerdings musste das Testosteron für eine wirksame Reduktion depressiver Symptome bei hypo- bzw. eugonadalen und sowohl jüngeren (< 60 Jahre) als auch älteren Männern (> 60 Jahre) ausreichend hoch dosiert sein (> 500 mg/Woche). [3]
https://www.hormonspezialisten.de/artikel/hormonitor/
testosterontherapie-kann-depression-lindern
Link leider defekt (Update 9.4.2024)
Klingt in meinen Ohren wie ein Grund zur Hoffnung. Leider ist mein nächster Nachsorgetermin noch etwas hin, aber da werde ich definiert nachfragen, wie es mit Testosteron für mich aussieht. Haben wollen!
<O>
Update (9.4.2024): In Vorbereitung auf meinen Arztbesuch in 6 Tagen habe ich noch einmal die Studie anschauen wollen und dabei festgestellt, dass der Link zum Orginalartikel nicht mehr funzt. Dann müsst Ihr mir halt glauben, dass das da so stand, fertig. Dafür habe ich jetzt die Original-Studie verlinkt (für die, die es gerne wissenschaftlich und englisch haben).
Dafür habe ich Antwort auf die Frage gefunden, warum eine Testosteron-Behandlung noch nicht in den Leitlinien zur Depressionsbehandlung zu finden ist. Im Rahmen einer eher kritischen Vorstellung der Studie kommentiert Dr. med. David Herzog:
„Die geringe Effektstärke dieser Behandlungsoption und die weiterhin unzureichende Evidenzlage der Verträglichkeit und Sicherheit – insbesondere in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse – lassen eine generelle Empfehlung oder Aufnahme in die Depressions-Leitlinie nicht zu. Hier sind große klinische Studien von hoher Qualität notwendig.“
https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s15005-019-0151-x.pdf
Okay, kardiovaskuläre, meint das Herz-Kreislauf-System betreffende Risiken sind bei mir zu bedenken. Zwei Stents und das Aortenaneurysma gieren geradezu nach Aufmerksamkeit. Aber weil das nicht nur mich betrifft, gibt es auch hierzu (mindestens) eine Studie
„In einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten und nicht unterlegenen [?] Studie haben wir 5246 Männer [mit Vorerkrankungen] im Alter von 45 bis 80 Jahren untersucht. […]
Schlussfolgerungen: Bei Männern mit Hypogonadismus und bereits bestehenden oder einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen war die Testosteronersatztherapie im Hinblick auf das Auftreten größerer unerwünschter kardialer Ereignisse dem Placebo nicht unterlegen.“
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37326322/
übersetzt mit DeepL
Das ist nun vermutlich nicht die „große klinische Studie von hoher Qualitä, auf die weiter oben gewartet wird, aber mir genügt das, um an meinem Wunsch nach einer Testosteronersatzbehandlung festzuhalten.
Update (16.4.2024): Gestern also mein Nachsorgetermin. Es gibt kein Testosteron und auch eine Begründung dafür. Zunächst, mein Testosteronspiegel ist okay (oder war es zumindest bei der letzten Messung vor einem halben Jahr), ein Mangel liegt also nicht vor. Zum zweiten wächst mit der Gabe von Testosteron die Wahrscheinlichkeit der Metastasenbildung. Das will niemand, auch ich nicht.
Unnötig zu sagen, dass ich unzufrieden bin. Aus Gründen, die überwiegend mit meinem In-der-Welt-sein zu tun haben. Zum einen glaube ich grundsätzlich ja nichts einfach so, es sei denn, es entspricht meinen Wünschen. Zum anderen – unter der optimistischen Annahme, dass die obigen Aussage onkologisch (meint: die Entstehung, Entwicklung und Behandlung von Tumorerkrankungen betreffend) richtig ist – mir etwas sinnvollerweise, aber dennoch verweigert wird und ich keine Möglichkeit habe, mich darüber hinwegzusetzen. Mir fehlt die Freiheit das Falsche zu tun, auch wenn ich es vermutlich, nach langer und vor allem eigener Abwägung, nicht täte.
Nur zur Wiederherstellung meines inneren Gleichgewichts: Kennt jemand jemanden, der verschreibungspflichtige Medikamente besorgen kann? Ich frage für einen Freund.