24994 – Buddy

…, in diesem Buch jedenfalls, es ist immer noch „Spätestens im November“ von Hans Erich Nossack, heißt das kleine Kind der weiblichen Hauptfigur Günther.

Das Buch ist von 1955. Ich weiß, es war damals nicht weiter verwunderlich, dass ein Kind Günther hieß. Und obwohl ich doch fast ausschließlich ältere Literatur lese, komme ich meiner Erinnerung nach zum ersten Mal hartnäckig mit einem Namen überhaupt nicht klar. Ein Kleinkind namens Günther, es funktioniert in meinem Kopf einfach nicht, auch nach fünfzig Seiten noch nicht. Es bleibt ein Störfaktor. Ich lese das die ganze Zeit wie mit einer wiederholt aufpoppenden Fehlermeldung im Hirn: Achtung, Name falsch gewählt.

Es fühlt sich äußerst merkwürdig an. Dabei wäre dieser Günther, dessen Mutter ihn ausgerechnet für einen dahergelaufenen Dichter verlassen hat, jetzt in seinen Siebzigern. Es ist gar nichts Ungewöhnliches daran. Alle Günther müssen doch einmal als Kleinkind angefangen haben. Mir ist nur genau an dieser Stelle gerade etwas Vorstellungsvermögen abhanden gekommen.

Buddenbohm & Söhne

Der Text oben ist aus einem Blog, den ich regelmäßig lese und hier auch schon empfohlen habe.  Er hat mich an ein Gespräch erinnert, dass ich acht Tage zurück mit Cl. hatte. Wir standen an der Theke des Nachtlichts und sprachen scheinbar Belangloses. Mein Bruder G. lässt sich von Freunden schon lange Buddy nennen und irgendwie kamen wir darauf, dass ich ihn immer noch G. rufe, aus langer Gewohnheit und weil er für mich eben G. ist. Keine tiefere Wendung, kein Disput, wir smalltalk·ten.

Cl. ist eine voluminöse Frau mit einer tiefen, tragenden Stimme, die die Angewohnheit hat, Gesagtes zu wiederholen, so als müsse sie es von sich selbst hören, um darüber nachzudenken. Und wie sie meine Worte solcherweise innerer Bearbeitung zuführt, komme ich mir wenig überzeugend vor und auf eine unbestimmte Weise auch unzureichend. Nicht, dass ich Cl. von irgendetwas hätte überzeugen müssen, wir hätten auch über die Milch im Kaffee reden können, auf den sie wartete.

Und genau dieses Gefühl des Ungenügens fiel und fällt mir wieder ein, wenn ich den obigen Text lese. Mit einigen Stunden Abstand kann ich das Geschilderte auch mit meinen seltsam-selbstzweifelnden Gefühlen an der Theke zusammenbringen. Ich projiziere, dass erwähnt-fiktiver Günther und auch mein Bruder G. ihren Namen im späteren Leben mit der gleichen „aufpoppenden Fehlermeldung im Hirn: Achtung, Name falsch gewählt“ betrachten. Klingt Buddy nicht viel netter als G. und weckt es nicht die besseren Assoziationen? Ganz abgesehen davon, dass der Buddy von heute auch der bessere Mensch ist.

G. oder Buddy, Hose wie Jacke, woher das schwierige Gefühl? Nun, weil es eben nicht Hose wie Jacke ist (seltsame Redewendung). Hose und Jacke bezeichnen zwei grundsätzlich verschiedene Kleidungsstücke, was jeder bezeugen kann, der in der Öffentlichkeit auf das Eine oder das Andere verzichtet. Nun habe ich im Bekannten- und Freundeskreis drei Personen, die ich unter einem anderen Namen kennengelernt habe, als dem, den sie heute verwenden (eine weitere sieht noch vom Namenswechsel ab, hat aber schon darüber nachgedacht). Bei allen ist das keiner weiteren Erklärung bedürftig, ich nenne sie bei dem Namen, den sie auf sich angewendet hören möchten, dem Namen mit dem sie sich identifizieren, dem Namen, der sie sind.

Ich glaube, in diesem kurzen Gespräch an der Theke bin ich mir drauf gekommen, dass ich meinen Bruder anders – schlechter – behandle als die Menschen in meinem Freundeskreis. Dass ich ihm verweigere, heute ein anderer zu sein, als der, der er war. Und dass ich nicht, oder nur zögernd, anerkenne, wer er heute ist.

Kommt eine Brise bildungsbehafteter Standesdünkel hinzu, mein Bruder ist ein einfacher Mensch in dem Sinn, wie „Studierte“ (ein Wort aus einer anderen Zeit) das gerne von Hauptschülern annehmen. Er könnte nicht halb so gut wie mein Bekanntenkreis begründen, warum es heute für ihn wichtig ist, Buddy zu sein. Er kann das fühlen, „irgendwie“ auch wissen, wortreich dafür eintreten kann er nicht. Dieses intuitive Wissen darum, wer er ist, muss ihm zugestanden werden. Auch von mir.

Womit wir wieder an der Theke stehen und ich mich unwohl mit mir fühle. Bei einem Namen zu bleiben, mit dem die Person sich nicht mehr identifiziert, ist nicht überzeugend, ist unzureichend. Sogar, oder vielleicht gerade dann, wenn es der eigene Bruder ist. Ich habe mich in der Situation zu recht unwohl gefühlt, nur verstanden habe ich es nicht. Aber heh, – besser spät, als nie – ich mache das in Zukunft anders. Buddy ist jetzt Buddy.

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Das Tagewerk als Update im Hauptartikel.

24973 – Details der Palastkapelle in Palermo

Ein wenig Nacharbeit des Palermo-Trips. An den Abenden dort war nicht immer die Zeit, die vielen Fotos angemessen zu bearbeiten. Und manchmal hat auch einfach die Lust dazu gefehlt. Heute gibt es die fotografierten Mosaiken-Bänder in der Palastkapelle. Und natürlich hätte ich dort noch viel mehr fotografieren können, aber die christliche Ikonografie ist mir zu fremd, um mich dafür fotografisch zu begeistern. Mosaike dagegen sind so nah an Pflasterungen und Flächenfüllungen, dass ich damit sehr viel Spaß haben oder Zeit füllen kann.

24966 bis 24972 – Palermo – 10. bis 16.3.2025

24966 – Anreisetag

10.3.2025, Montag

Gestern sind wir mit einem Umweg über Frankfurt in ein B’n’B-Hotel in unmittelbarer Nähe des Flughafens angereist. Heute mit genügend Zeit zum Ausschlafen in den Tag gestartet. Wir checken gegen kurz vor elf aus und gehen die wenigen Meter vom Hotel zum Flughafengebäude. Dort verläuft dann alles erwartungsgemäß, naja, fast.

Wir haben, weil Billigflug, nur Handgepäck. Ich aber habe gepackt, als käme das alles in den Laderaum und keinerlei der Beschränkungen beachtet, was alles nicht in den Passagierraum eines Flugzeugs gelangen soll. Und so bin ich nach dem Security-Check ein paar meiner mitgeführten Gegenstände los, die meisten leicht zu ersetzen (Rassierklingen, Klingen für den Papiercutter, Insektenspray in handelsüblicher Packungsgröße), aber um das Multi-Tool trauere ich schon.

Keine besonderen Vorkommnisse während des Flugs und der Weiterreise mit der Bahn, die uns in direkt vom Flughafen in die Nähe unseres Apartments bringt. Dort werden wir schon zum Check-in erwartet. Alles geht sehr schnell, und weil mensch merkt, dass es schnell gehen soll, bin ich das erste Mal von einem Airb’n’b- Check-in etwas enttäuscht.

Wir packen aus, stellen die Möbel um, bringen die Zahnbürsten ins Bad, was mensch halt so tut, wenn er wo ankommt. Danach gehen wir noch einmal los und kaufen Lebensmittel ein. In großer Menge, den wir sind ausgehungert, seit dem Frühstücks-Bagel auf dem Flughafen haben wir nichts mehr gegessen und nur wenig getrunken. Jetzt sorgen wir großzügig dafür, dass wir alles bei der Rückkehr ins Apartment nachholen können.

Und wie schön das ist, nur wenig später an einem gut gedeckten Tisch zu sitzen, zu essen, zu trinken und zu plaudern. Plaudernderweise vergeht auch der Rest des Abends, bis wir uns gegen zehn hinter die jeweiligen Endgeräte zurückziehen.

Das letzte Bild des Tages:

24967 – Stadtspaziergang

11.3.2025, Dienstag
Wir beginnen den Tag spät und frühstücken gut. Danach gehe ich in meine morgendlich Internet-Routine und H. schon einmal vor die Tür. Sie sucht sich einen Platz zum Lesen im Park, ich lese vorm Tablett. Eine dreiviertel Stunde später treffen wir uns im Park und starten von dort aus einen ausgedehnten Stadtspaziergang, der uns ungeplant an einigen der Sehenswürdigkeiten vorbeiführt.

Kathedrale von Palermo (Modell in der Kathedrale)
Quattro Canti
Teatro Massimo
Oratorio del Rosario di San Domenico, im Rücken die Colonna dell’Immacolata

Fontana Pretoria

Wie immer, ich werde hier nichts beschreiben, was Ihr genausogut bei Wikivoyage oder Wikipedia zu Palermo nachlesen könnt. Wir haben gesehen, gewürdigt und auch sehr viele Bilder gemacht, von denen Ihr in den nächsten Tagen sicher noch mehr zu sehen bekommt.
Lieber als die Bilder von Sehenswürdigkeiten mag ich die von irgendwelcher Streetart, von Ruinen oder ungewohnten Installationsweisen. Und auch davon lässt sich hier viel finden.


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Wieder im Apartment sind wir müde und geschafft, abschlaffen ist angesagt und wir versuchen das erfolgreich bei einem Film im Streamingdienst des Vertrauens. Ich halte bis zur Mitte durch, dann schlaf(f)e ich ein. Wieder wach kochen wir uns etwas, plaudern informell und später formell, meint: wir machen eine Audio-Aufnahme, in der Hannah mich zu Teilen meines Lebens befragt. Wir wollen dokumentieren, was andernfalls verloren ginge, Details zu meinem Leben und vielleicht auch zu den Leben derer, die mir vorangingen. Wir tun das ausgedehnt und werden es in den nächsten Tagen wiederholen.

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Und schwupps ist der Abend rum. Ich setze mich nochmal ans Tablet um der Chronistenpflicht nachzukommen, bin aber zugegebenermaßen etwas lustlos. Seht Ihr vermutlich selbst.


24968 – Zwölf am Zwölften – Palermo-Edition

Zwölf am Zwölften ist eine regelmäßige Aktion von „Draußen nur Kännchen“, dort gibt es noch mehr Menschen, die ihren Zwölften mit zwölf Bildern schildern.
12.3.2025, Mittwoch
Noch vor dem Frühstück schauen wir im Bett eine Picasso-Dokumentation. Warum erklärt sich später.
Gegen halb elf gibt es ein Müsli …
… und danach laufen wir los. Wir sind heute außerhalb der touristischen Altstadt unterwegs, wo es lauter, schmutziger und auf den Straßen sehr viel unruhiger ist.
Aber Streetart-Freunde finden überall etwas zum anschauen.
Am Ende unseres Ausflugs in die Realwelt finden wir den Langhaarschneider, den zu kaufen wir aufgebrochen sind, in einem Elektro-Discounter, den wir auch zuhause haben. Als wir von dort in touristisch-heimatlichen Gefilden zurück sind, haben wir unser tägliches Laufpensum schon gut erreicht und sind hungrig. Es gibt Streetfood, gebackene Kartoffeln mit Gemüsefüllung.
Danach starten wir ins Pallazo Reale. Als wir dort ankommen beginnen die ersten Regentropfen zu fallen.
Um hinein zu gelangen, müssen wir mal wieder durch einen Security-Check.
Geschützt wird zweierlei, zum einen die Picasso-Ausstellung, die das eigentliche Ziel unseres Ausflugs ist …
… und zum zweiten die Palastkapelle, die wir „mitnehmen“, weil sie Teil des obligatorische Kombitickets ist. Dennoch beeindruckend …
… und nur in Details (24973) zu erfassen oder wiederzugeben.
Als wir das Pallazo Reale verlassen sind die Straßen und Plätze regennass, aber es regnet nicht mehr und wir kommen im Trockenen nachhause. Dort verschwinden wir erstmal hinter den Endgeräten, später kocht H. eine Kleinigkeit, und noch später setzen wir uns wieder zusammen, schalten ein Aufnahmegerät an und sprechen über mein In-der-Welt-sein.
Und damit endet unser Tag. Ich setze mich noch hin, schreibe diesen Beitrag und gehe ins Bett.

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Und weil im letzten Bild das Apartment zu sehen ist, habe ich gerade (24.3.25) die abschließende Bewertung dafür herausgesucht:

Das Apartment ist sehr dunkel.
Die Küchenutensilien sind äußerst knapp (nur ein scharfes Messer, nur ein kleines Schneidbrett, etc.), zu zweit kochen oder Mahlzeiten vorbereiten ist schwierig.
Manche Dinge waren kaputt (Sofa, Wäscheständer, Uhr, Abzug).
Insgesamt kommen viele Kleinigkeiten zusammen, von denen jede einzelne nicht erwähnenswert wäre, [die] in der Zusammenschau aber einen schwierigen Eindruck hinterlassen.
Trotzdem hatten wir aufgrund der guten Lage eine gute Zeit.
Der Gastgeber wusste soviel Ehrlichkeit nicht zu würdigen und fordert 40 Euro für die Reparatur des Sofas nach. Ich habe dem widersprochen und seitdem nichts mehr von Airb’n’b gehört.

24969 – Strandtag in Mondello

13.3.2025, Donnerstag

24970 – Monte Pellegrino

Heute erfüllen wir heilige Touristenpflicht und suchen einen Weg auf den höchsten verfügbaren Aussichtspunkt, den Monte Pellegrino, was zugegebenermaßen nicht so furchtbar schwer ist, weil es Routenplaner gibt und ein Bus bis dorthin fährt. Dummerweise haben wir uns einen bedeckten Tag dafür ausgesucht, weswegen es nichts mit atemberaubend schönen Panaromaaufnahmen wird. Stattdessen haben wir Gebirgiges vor grau, nicht reizlos, aber deutlich unterhalb der Erwartung, als wir diesen Ausflug planten.

Was anfangs allerdings gar nicht so störend ist, der Bus hält unmittelbar vor der Grotta und dem Santuario di S. Rosalia, dem Heiligtum der Stadtpatronin. So wie die schlechte Aussicht war auch der Besuch dort nicht geplant, schafft dann aber einen angenehmen Ausgleich.

Anschließend laufe wir auf der einzigen Straße weiter zur Statua S. Rosalia, die den Aussichtspunkt kennzeichnet. Die dort und aus dem Bus heraus gemachten Bilder sind erwartungsgemäß graustichig.

Auf dem Rückweg durch die Stadt suchen und finden wir dann noch einen Cache. Ein kleiner Trost, denn auf dem Aussichtspunkt war ebenfalls einer, den wir aber nicht fanden. Und auch nicht den beim Teatro Garibaldi, es bleibt dieser eine beim Teatro Massimo. Und weil ich wenigstens einen finden wollte, bin ich auch zufrieden.

Zum Ausklang des Tages gehen wir essen.

 

24972 – Botanischer Garten 

An unserem letzten Tag besuchen  wir den Botanischer Garten. Auf dem Weg dorthin kommen wir über den Mercato Ballarò, einen nahegelegenen Markt, den wir gerne früher entdeckt hätten, weil an den Ständen viel Sreetfood angeboten wird, das durchweg lecker aussieht.
Mercato Ballarò

Es folgt ein entspannter Tag im Botanischen Garten.

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Abends packen wir unser Zeug für die Rückreise. Danach setzen wir uns noch einmal für eine dritte Tochter-befragt-Vater-Audiosession zusammen. Nicht dass uns die Themen ausgingen, trotzdem ist die Aktion dieses letzte Mal etwas bemühter. Ich vermute den Grund darin, dass wir in den letzten Tagen sehr, sehr viel im Gepräch waren und alles Bedeutsame schon gesagt ist, aber eben off-the-record. Und so bleibt diese letzte Session kürzer und oft anekdotenhaft. Auch das hat seinen Wert.

24972 – Rückreisetag

Wir checken gegen Zehn aus und gehen frühstücken.

Ab Mittag sind wir dann unterwegs.

Abends gegen zehn bin ich wieder zuhause.

24965 – Reisetag 1, Gießen bis Frankfurt/Hahn

So sieht der Plan für diesen Tag aus:

  • Früh aufstehen,
  • kurz vor zehn Aufbruch, 40 Minuten zu Fuß bis zum Bus, mit dem Bus zum Bahnhof, dort H. treffen, gemeinsam kurz vor zwölf in die Regionalbahn, Ankunft in Höchst gegen eins,
  • in Höchst die mütterliche Wohnung besichtigen, fotografieren und grob vermessen (es gilt, den Verkauf vorzubereiten),
  • Höchst so verlassen, dass wir um kurz nach vier am ZOB Frankfurt sind, von wo wir nach Frankfurt/Hahn fahren und dort die Nacht in einer Unterkunft verbringen (um morgen in der Frühe den Flieger zu besteigen).

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Und wenn es hier keine Ergänzungen gibt, wird es so gewesen sein.

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Und näherungsweise war es auch so. Mit einer wichtigen Einschränkung. Bei der Wohnung angekommen, mussten wir feststellen, dass seit meinem letzten Besuch dort irgendjemand das Türschloss ausgetauscht hatte. Wir standen vor verschlossener Tür und mein Schlüssel passte nicht. Die Nachbarin, von der ich mit berechtigter Hoffnung annehme, dass sie einen passenden Schlüssel hat, war nicht da. Mit Ausnahme von Keller und Mansarde war es also nichts mit ausmesen und fotografieren. Miese Geschichte und zunächst war ich verstimmt.

Nicht lange, H. und ich nutzen die freie Zeit für einen Bummel in Höchst und ich konnte ihr ein paar der netteren Ecken zeigen, einschließlich des Höchster Schlosses, von dem ein Bild jahrelang über dem Bett meiner Eltern hing. Das gleiche Bild, das jetzt im Dome hängt.

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Ansonsten sind wir im Plan.