1.10.2024, Dienstag
Reisevorbereitung wie Ihr sie von mir kennt, alles erstmal auf dem Bett ausbreiten, dann in den Rucksack, fertig. Diesmal ist der Rucksack besonders klein, ich habe den Ehrgeiz, mit Handgepäck auszukommen. Das klappt natürlich nur, weil ich vor Ort fast alles vorfinden werde und nur einen Satz Wäsche zum wechseln mitnehme. Außerdem: Zahnbürste, Brillen, Buch und Tagebuch, Tablet. Und fertig.
Mein Programm ist extrem reduziert und gruppiert sich um die Friedensdemo am 3. Oktober herum. Die auch den Ausschlag gegeben hat, dass diese Reise geschieht. Wenige Tage zurück hatte ich den Gedanken, es könnte eine gute Sache sein, daran teilzunehmen. Fast könnte man von einer spontanen Idee sprechen, die dann ein Eigenleben entwickelte. Davor und danach bei H. unterkommen und wenn ich schon einmal „in der Gegend“ bin, auf dem Rückweg für einen Abend und eine Nacht in Hamburg vorbeischauen. Könnte für alle Beteiligten machbar und mühelos genug sein.
Erstmals seit langem beginnt eine Reise nicht mit einem unbequemen Fußmarsch entlang der Bundestraße und durch den Wald zur nächsten Busstation. Ich kann mit dem Fahrrad nach Gießen hinein fahren und es für die Zeit meiner Abwesenheit in der Webkante abstellen. Ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit.
2.10.2024, Mittwoch
Die Busfahrt startet planmäßig in der Nacht um zwanzig vor eins, gefühlt noch Dienstag. Und dann kommt alles anders. Der Bus fällt aus unbekannten Gründen aus. Zwei Mitwartende beweisen schon nach einer Stunde mangelnde Impulskontrolle und beschimpfen den Kundenservice in fließendem Englisch (deutsch spricht der Kundenservice nur während der Geschäftszeiten von neun bis siebzehn Uhr). Allerdings vollkommen ohne ein Ergebnis, sie – und folglich wir als Gemeinschaft der Wartenden – wissen nach diesen Anrufen nicht mehr als vorher. Der Bus sollte da sein, ist es aber nicht. Beide Anrufer verlassen empört die Haltestelle.
Als ich nach zwei Stunden Wartezeit beim Kundenservice anrufe, habe ich unbeabsichtigt alles richtig gemacht. Zwei Stunden sind die Schwelle, ab der die Mitarbeiter Ersatzoptionen anbieten dürfen, erklärt mir mein Gesprächspartner. Erstens Storno und Rückerstattung des Kaufpreises, zweitens Umbuchung, drittens Fahrt mit einem anderen Anbieter bei voller Kostenerstattung (2. Klasse). Ich wähle Option Zwei, mittlerweile ist es fast drei und der nächste Bus in die richtige Richtung fährt schon fünfundzwanzig Minuten später. Die Umbuchung findet live am Telefon statt, das neue Ticket kommt via Email und, weil mir das nicht schnell genug geht, mit der zuvor genannten Buchungsnummer auch über die Ticket-Suche in der App. Als ich mich von meinem Freund im Kundenservice verabschiede, haben wir beide das Gefühl, etwas geleistet zu haben. Wenig später kommt der Bus zum Ticket und alles läuft rund, wenn man davon absieht, dass ich mehr als sechs Stunden später in Berlin ankomme als beabsichtigt. Zwischendrin habe ich sogar etwas schlafen können und jetzt ist wirklich Mittwoch.
<O>
Ich steige am Alexanderplatz aus und fahre von dort zu einer sehr besonderen Warhol-Ausstellung, Andy Warhol: Velvet Rage And Beauty, von der ich zunächst etwas enttäuscht bin. Um dann, während ich versuche, die gemachten Bilder für Euch zuzuschneiden und aufzubereiten, merke, dass …, ja was? Ich mindestens ambivalent bin!
Für heute lasse ich es dabei, weil ich weiterschreiben möchte. Aber bei passender Gelegenheit gibt es hier einen Nachtrag.
<O>
Nach der Ausstellung dann zu H., es gibt Kürbissuppe und Gespräch. Ab neun/halbzehn bin ich mit Hund Erna allein zuhaus‘ und H. mit einem Freund unterwegs. Das gibt mir Gelegenheit, den Blogbeitrag zu beginnen
3.10.2024, Donnerstag, Tag der deutschen Einheit
Die Demo ist wie Demos seit Jahrzehnten sind, die Sprecher der Auftaktkundgebungen erzählen uns, warum wir hier sind (in der Regel wissen wir das selbst, wenn auch nicht so detailiert), und auch warum es notwendig ist, so zahlreich hier zu sein und letztlich, dass es schön ist, die Bewegung so wachsen zu sehen. Wobei das mit dem Wachstum gerne auch mal ein Wunschgedanke ist.
[Hier wird’s ein paar Infos und Verlinkungen mehr zur Demo geben, aber erst, wenn ich wieder zuhause bin]
Die Teilnehmer um mich herum haben in der Mehrheit graue Haare. Muss mensch ein gewisses Alter erreicht haben, um für Kompromisse und Verhandlungslösungen zu sein? Fast scheint es so, das Fehlen der mittleren Altersgruppe auf Demos habe ich seit vielen Jahren immer mal wieder bemerkt, aber hier fehlen auch die ganz Jungen.
Die Abschusskundgebung verlasse ich frühzeitig, was angesichts der zu erwartenden Verkehrssituation schlau erscheint. Und wirklich wird die nahe Bushaltestelle nur noch von einer der vier gewöhnlich verfügbaren Linien angefahren und ist entsprechend ausgelastet. Wenigstens ist es genau die Linie, die ich brauche.
<O>
Ich bin gegen fünf wieder bei H., werde mit Spinatsuppe verköstigt und gegen acht laufen wir ins nahe gelegene Kino. Wir schauen „Joker: Folie à deux“, der die Kritikerschelte nicht verdient, die er bekam. Berechtigt allerdings: er wird der Figur des Jokers, wie Comic- und Filmfans sie bisher schätzten, nicht gerecht. Gesehen haben wir einen tragischen Musical-Film mit sehr schönen Bildern und hervorragenden Darstellern, nur keinen Joker, nirgends, außer vielleicht in der letzten Einstellung.
4.10.2024, Freitag
Der Tag beginnt etwas lust- und planlos. Ich habe noch nichts vor, browse durch diverse Kultur-in-Berlin-Seiten, sehe aber, dass mich nichts so richtig fängt. Weil ich aber vor die Tür möchte, schaue ich „Sehenswürdigkeiten in der Nähe“ nach und auch, ob es denn igendwelche Caches (häh?) in der Nähe gibt.
Danach hat der Tag Struktur und als Bonus muss ich auch nicht alleine los, sondern H. und Erna schließen sich an, Hunderunde und Einkauf werden in meine Pläne integriert. Auch daran erkennt mensch, dass es wirklich sehr, sehr kleine Pläne waren. Am weitesten von der Tochter-Wohnung entfernt ist der Lebensmittelmarkt, der ausgesucht wurde, weil er direkt neben meinem ersten Ziel liegt, einem „Holzsessel“ auf einem Spielplatz. Fragt nicht. Ich hatte browsenderweise ein Bild davon gesehen und wollte ihn be-sitzen. Am Ziel angekommen finde ich sogar eine ganze Sitzgarnitur vor. Ich bin sehr leicht zufriedenzustellen.
Auf dem Weg zum Spielplatz sind wir schon an zwei der wohnungsnahen Caches vorbeigekommen, einen davon haben wir auch gesucht und nicht gefunden. Grund genug, es nocheinmal zu probieren. Also gibt es auf dem Rückweg am angegebenen Ort noch einmal einen längeren Aufenthalt, diesmal erfolgreich.
Auf dem Weg nachhause findet H. dann auch den zweiten Cache, für sie der Erste; aber ehrlich , so stillos muss man selbst in Berlin nicht sein. Dokumentiert wird er natürlich trotzdem.
Etwas unerbetene Lebenhilfe gefällig? Etwas lust- und planlos starten ist gar nicht schlimm, fangt einfach etwas beliebiges an und danach regelt der Tag das selbst! So auch diesmal.
Ich schicke ein Bild der Caches an die einzige Person, von der ich annehme, dass sie daran Interesse haben könnte, A.. Und nun muss ich etwas abschweifen. Selbige A. nämlich wollte für mich beim bevorzugten Seifenhersteller Duschgel mitbestellen, eine Bestellung, die ausfallen musste, weil ihr Lieblingsgel dort nicht mehr vorrätig war. Aber eben jener Seifenhersteller, erfahre ich in der durch die Caches angestoßenen Kommunikation, hätte in Berlin fünf Niederlassungen und ich könne mir vielleicht in einer davon mein Duschgel besorgen, möglicherweise auch ihres.
Nun habe ich eine Aufgabe, die mich dazu bewegt, die zuvor sehr minimalistisch gehaltenen Pläne für den Abend etwas zu erweitern. Seit zwanzig Jahren gibt es in Berlin das „Festival of Lights“, während dem die verschiedensten Lichtinstallationen gezeigt werden, meisten im Zusammenhang mit den zahlreich vorhandenen sehenswerten Gebäuden. Ich hatte mir am heutigen Eröffnungsabend des Festivals das vermutlich am wenigsten spektakuläre Event der über das ganze Stadtgebiet verstreuten Veranstaltungen herausgesucht. Einfach weil es nah war, ich hatte am Morgen – Ihr erinnert Euch: lust- und planlos – keine Lust auf die lange Fahrt in die Stadtmitte. Nun aber gibt es mehr zu tun, als aufwändig dem Vergnügen nachzujagen.
Ich lege die Fahrt zum Seifenshop in der Stadtmitte so, dass ich pünktlich zum Eröffnungsevent um neunzehn Uhr am Alexanderplatz bin. Von dort aus muss ich kaum noch etwas selbst entscheiden, es genügt, sich von und in den Menschenmassen treiben zu lassen. Und Berlin wäre nicht Berlin, wenn das Ganze nicht irgendwie am Brandenburger Tor enden würde.
Ich komme irgendwann gegen halb zwölf müde, fußlahm und sehr befriedigt nachhause.
5.10.2024, Samstag
Die erste Hälfte des Tages vergeht mit dem Wechsel von Berlin nach Hamburg.
Ankunft in Hamburg-Bergedorf gegen halb drei.
<O>
Den Nachmittag und Abend verbringe ich mit Sohn, Schwiegertochter und Enkel in wechselnden Zusammensetzungen. Wie zu erwarten gibt es viel Gespräch und Enkel B. ist redenden Erwachsenen gegenüber sehr viel toleranter als noch im letzten Jahr. Ich bin zufrieden.
6.10.2024, Sonntag
Morgens Familienleben mit gemeinsamen Frühstück, danach sind wir eine kleine Weile mit den Fotoalben aus He.s Nachlass beschäftigt. Da die Alben erst nach unserer Trennung zu ihr gekommen sind, sich überwiegend mit ihrem Zweig der Familie beschäftigen und es auch sonst keinen Anlass gab, sie mir zu zeigen, kenne ich sie mehrheitlich nicht.
Ein Album ist aktueller, es stammt aus 2011 und ist thematisch den „Menschen, Tiere[n], Sensationen“ des Wagenplatzes gewidmet, auf dem sie zu diesem Zeitpunkt regelmäßig zu Gast war. Ich kopiere das Album komplett.
Danach bin ich den Rest des Vormittags mit Enkel B. vor der Lego-Kiste.
Gegen Mittag muss M. ein paar Fahrdienste für die Familie erledigen und ich habe Zeit für mich, die ich für dies Eintragungen nutze. Nebenbei, ich sitze auf dem Balkon in der Sonne und es geht mir gut.
<O>
Wieder eine kleine Freizeit, Schwiegertochter und Stiefenkelin werden dort abgeholt, wo sie zuvor hingebracht wurden.
Zwischendrin war ich mit M. und B. auf einem kleinen Jahrmarkt. Eine semi-erfolgreiche Aktion, da es dem Enkel noch an Impulskontrolle und Frustrationstoleranz fehlt. Nach fünf großzügigen Karussellfahrten war ihm nach mehr und als das aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht ging wurde die Situation mit Geschrei, Gestrampel und allerlei anderen Unmutsbekundungen sehr schnell sehr häßlich.
<O>
Die Stimmung bleibt den Rest des Abends gedrückt. B. ist im Auto aus Erschöpfung eingeschlafen und auch als er später geweckt wird bleibt er auf Krawall gebürstet. Die Familie – und ich beziehe mich hier ein – ist an ihren Grenzen.
Als B. im Bett ist geht nur noch TV, ich breche gegen neun Uhr auf und bin wie immer viel zu früh an der Bushaltestelle. Beginn der Heimreise, keine besonderen Vorkommnisse.
7.10.2024, Montag
Ein langer nächtlicher Aufenthalt in Essen. Zwei der vier „freien“ Stunden verbringe ich damit, drei Caches anzulaufen, zwei davon finde ich auch.
Während der Fahrt keine besonderen Vorkommnisse. Ich bin fahrplangemäß gegen halb eins zurück in Gießen, hole mein Fahrrad aus der Webkante und fahre nachhause. Dabei kaufe ich nebenbei noch ein paar Lebensmittel ein, nicht genug, wie ich später finde und noch einmal einen Monster-Lebensmitteleinkauf mache. Darüber hinaus passiert an diesem Tag nichts mehr.