Mehr zufällig bin ich auf Mapillary gestoßen. Wer davon noch gar nichts gehört hat, das ist ein Streetview-ähnlicher Dienst, dessen Bilder von Menschen kommen, denen es Spass macht, mit dem Smartphone die Straßen und Landschaften zu dokumentieren, durch die sich bewegen. Heise hat ein Video dazu (mit 33 Minuten relativ ausführlich, allerdings von 2017), neu ist ein Artikel von Chip zu Mapillary (August 2019).
Wenn man bedenkt, dass es Mapillary erst seit 2013 gibt, sind schon sehr viele Einzelbilder und Strecken aus allen Ecken Deutschlands und der Welt zusammen gekommen. Aber letztlich doch noch nicht genug (sage ich, andere werden denken, es gibt schon zu viele, seid gewarnt, eine kritische Auseindersetzung wird das hier nicht). Zum Beispiel bei mir hier ums Eck, gleich zwei Straßenabschnitte von jeweils cirka einem Kilometer fehlen total. Das stört mich (warum eigentlich?) und ich fühle mich aufgerufen, diesen Mangel in der Welt zu beheben.
In der Folge fange ich an, mich mit Mapillary zu beschäftigen, lade auch die App auf´s Phone und mache erste Versuche bei uns auf dem Parkplatz, die mich nur so mittelmäßig überzeugen. Tage später bemerke ich bei einer vollkommen anderen Beschäftigung, dass der Kompass schlecht oder nicht kallibriert ist, was die mittelmäßige Parkplatz-Performance erklärt. Ich kallibriere den Kompass.
Ein zweiter Versuch gelingt besser, aber immer noch nicht gut. Ich möchte einen Spaziergang dokumentieren und hänge mir das Phone mit der Linse nach vorne um den Hals, schließlich möchte ich nicht mehrere Kilometer das Phone vor mir her tragen und dabei zuschauen, wie es alle fünf Meter automatisiert eine Aufnahme macht.
Ich bedenke nicht, dass der Touchscreen am Hemd scheuert und die Sequenz bricht nach weniger als einem Kilometer von mir unbemerkt ab. Ich beginne eine neue Sequenz, wobei ich die Brille als Abstandshalter zwischen Hemd und Phone nutze. Funktioniert, aber leider nur solange, bis der Akku leergesaugt ist. Im Ergebnis gibt es zwei Teilstrecken des Spaziergangs mit sehr gemischten Ergebnissen, was die aufgenommenen Bilder betrifft. Mal schief, mal unscharf, immer zuviel Himmel und insgesamt unbefriedigend. Trotzdem lade ich die Sequenzen hoch, es geht ja nicht nur um die Bilder, sondern auch um das ganze Prozedere drumherum.
Die beiden ersten Sequenzen, mit denen ich halbwegs zufrieden bin, gelingen zwei Tage später. Eine nehme ich vom Fahrrad aus in einer ruhigen Seitenstraße auf, die andere zu Fuß in einer Wohngegend. Bei beiden kontrolliere ich die Aufnahmen, indem ich die Kamera vor mich halte als würde ich ein Video drehen. Das geht zu Testzwecken, aber eine regelmäßige Praxis lässt sich daraus nicht entwickeln. Auf stark befahrenen Straßen oder belebten Orten möchte ich so nicht unterwegs sein.
Im PC sieht das auf der Karte dann so aus. In blau werden mir die Strecken angezeigt, die ich selbst kartiert habe, in grün die der anderen. Bis das so in der Karte zu sehen ist vergehen ein bis zwei Tage.
Am gleichen Tag beginne ich, einen Gimbal für das Fahrrad zu bauen zu bauen, der heute auch fertig wurde.
Morgen gibt es eine Probefahrt damit.
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Schon beim Antreten wird klar, dass das nichts werden kann. Das Teil wackelt und schwingt und …, nein, keine Chance. Nicht mit dem Fahrrad. Vielleicht taugt es für 360°-Aufnahmen, die sich ebenfalls in Mapillary einpflegen lassen. Auch wenn ich noch nicht weiß wie; ein weiteres Testfeld.
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Zwei Dinge bleiben, um diesen jetzt schon viel zu langen Beitrag abzuschließen. Ding Eins habe ich heute nachmittag auf dem Weg zum Discounter erledigt, nämlich die nahegelegenen unkartierten Teilstücke in beide Richtungen aufzunehmen. Klassisch vom Auto aus mit dem Phone-Halter, der sich mittels Saugnapf an der Windschutzscheibe besfestigen lässt.
Ding Zwei ist, auf die Überschrift zurückzukommen. „Dorthin, wo kein Mensch zuvor war“ – das ist vielleicht etwas dick aufgetragen, aber es umreißt recht gut, wie das Spiel heißt. Denn letztlich ist die Beschäftigung mit Mapillary ein Spiel, das – möglicherweise und auch nur gelegentlich – den Anlass dafür geben könnte, mich mal aus dem Haus zu bewegen. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich nur der Bewegung willen bewegen, ich brauche ein Ziel, ein Motiv. Das Gasthaus am Ende der Wanderung, die Stimmungsaufhellung nach dem Dauerlauf, der Eintrag ins Gipfelbuch. Mal ein unkartiertes Stück Landschaft auf Mapillary herauszusuchen und aufzunehmen, das könnte diese kleine Motivation sein, die ich zur Bewegung brauche.
Update 19.6.2020: Mapillary wurde an Facebook verkauft, auch wenn der Firmen-Blog das netter ausdrückt: „Mapillary Joins Facebook …“.
Aus meiner Sicht bedeutet das, dass ich nun erstmal keine Energie mehr reinstecken werde. Diese Reaktion ist erstmal mehr gefühlt als reflektiert. Und macht, um ehrlich zu sein, keinerlei Unterschied zu vorher. Denn den erhofften Motivationsschub für Outdoor-Aktivitäten gab es auch mit Mapillary nicht.
Bleibt also nur ein kleiner Ärger darüber, dass ich nun meinen zweiten Account im Rahmen der „Facebook-Familie“ habe; den Instagram-Account habe ich angelegt, um die Gartenaktivitäten meines Sohnes und dessen Familie aus der Ferne verfolgen zu können. Es gibt immer Gründe, sich vereinnahmen zu lassen. Die Strategie der Mega-Konzerne greift auch bei mir und ich ärgere mich darüber. Umsonst.
Was die Nutzung der Bilddaten durch OSM, das Open-Street-Map-Projekt, angeht, soll sich nichts ändern. Darüber hinaus solle auch kommerzielle Anbieter jetzt kostenfrei auf die Daten zugreifen dürfen. Und überhaupt beibt alles beim Alten. Ich melde mich, wenn ich was anderes höre.