Jahresrückblick 2024

Mittlerweile sind die vorgezogenen Jahresrückblicke fast schon eine Tradition, ebenso wie die Einleitung, die darauf hinweist, dass ich vorziehenderweise vermeide, inmitten der winterlichen Depression zurückzublicken. Andererseits ist so fast unvermeidbar, mit einem – bevorzugt heiteren – Blick auf die vorjährliche Verstimmung zu beginnen. Zugegebenermaßen ist mir das mit dem düsteren Jahresrückblick 2022/23 nicht gelungen, aber das war auch ein sehr besonderes Jahr und in diesem Jahr wird es besser, versprochen.

Wohnen in Berlin

Dennoch, zum Vorjahresende gab es die gewohnte aktivitätsarme Verstimmung, die ich allerdings ab Mitte Dezember durch einen Ortswechsel etwas abfedern konnte. Ich durfte mich für vier Wochen in Me.s kleiner Berliner Wohnung einnisten und tun, was man in Berlin so tut. Und, fast wichtiger,  ich durfte lassen, was man in Berlin so tut. Das ist der große Vorteil, wenn ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Zeit darf auch vertrödelt werden, der Nutzungszwang entfällt. Was dazu führte, dass ich „nur“ jeden zweiten Tag in der Stadt unterwegs war und mich damit gut ausgelastet und unterhalten fühlte.

Ein kurzer Wintereinbruch

Bei meiner Rückkehr Mitte Januar gab es dann nochmal einen stimmungsmäßigen Absacker, kurzzeitig auch mit heftigen Schlafstörungen, aber ab Mitte Februar war ich wieder halbwegs mit mir, der Welt und dem Zusammenspiel von beidem zufrieden. Ab Ende März ist alles wie es soll (im Rahmen der beschränkten Möglichkeiten).

Schon früh im Jahr hatte ich meine Unterschrift für den Verkauf der Wohnung meiner Mutter, die ich zu einem Achtel miteigne, gegeben. Die neuen Eigentümer hegten die Hoffnung, sie ab April beziehen zu können. Ich hegte die Hoffnung, ungefähr zu diesem Zeitpunkt einen Teil der Verkaufssumme überwiesen zu bekommen. Den größten Teil des Geldes wollte ich an meine Kinder weitergeben; aufgrund des schwierigen Verhältnisses zu meiner Mutter hatte und habe ich das Gefühl, dass es mir nicht wirklich zusteht. Den Kindern erzählte ich von meinem Vorhaben lange nichts, dann aber doch. Weil es ja nicht mehr lange dauern würde, bis die Summe verfügbar sei, auch für sie.  Um es kurz zu machen, der Verkauf ist bis heute nicht abgeschlossen. Die Besonderheiten des Verkaufs durch die Betreuerin einer gesetzlich Betreuten verzögern den Vorgang an unerwarteten, vielleicht sogar formal unnötigen Stellen. Mich trifft an keiner Stelle irgendeine Verantwortung, dennoch habe ich den Kindern gegenüber ein schwieriges Gefühl und bedaure es, zu früh von meinem Vorhaben, sie zu beschenken, erzählt zu haben.

Die fertige Fensterfront

Ebenfalls länger als erwartet zog sich der Bau der Fensterfront im Dome hin, erst Mitte September wurde ich damit fertig, obwohl eine schon großzügig angepasste Planung vorsah, vor dem Urlaub im Juni fertig zu werden.  Verantwortlich für die Verzögerung waren die guten Erfahrungen mit dem Bau der DIY-Doppelglasscheiben. Weil das nämlich so unerwartet gut ging, beschloss ich, auch um den Türrahmen herum kleine und größere Scheiben einzusetzen. Vor dem Einsetzen kommt das Bauen und bauen braucht Zeit.

Budapest – Magareteninsel

So kam es, dass ich im Juni den Urlaub mit A. in Budapest nicht mit dem Gefühl eines abgeschlossenen Arbeitsschrittes beginnen konnte. Gut war es trotzdem und das ist auch hinreichend dokumentiert.

Nach Budapest wurde es dann erstmal ruhiger. Der Sommer findet mich meistens recht ausgeglichen. Ich bastelte so vor mich hin und war zufrieden. Diese Zufriedenheit mit dem eigenen Tun ist geblieben, obwohl mein Leben  im August etwas unruhiger, vielleicht auch einfach nur lebhafter wurde. Was soll ein Leben auch tun, wenn es seinem Namen gerecht werden will?

Mind on Fire

Spätestens Anfang August, als ich einer spontanen Einladung folge und mit vielen anderen mir zumindest bekannten Menschen ein kleines Festival besuche, wird mir klar, dass es da eine Verliebtheit in mir gibt, der ich nachgehen sollte. Knapp drei Wochen später wissen und wollen wir mehr. Auftritt Tini, ich bin sehr froh. Eine intensive Zeit mit gegenseitigen Besuchen und viel Gespräch beginnt, gelegentlich machen wir einander Freude oder Angst. Mensch für Mensch (auf Festen auch mal gruppenweise) geben wir uns im Freundes- und Familienkreis als Paar zu erkennen, während wir versuchen, herauszufinden, was das für uns bedeutet. Ein bis heute anhaltender Prozess, in dem Spass und Anstrengung gelegentlich sehr nah beieinander liegen.

Im September beginne ich eine 1000-Kilokalorien-Diät, die ich auf vier Wochen begrenze und mit einem weniger extremen Nachlauf bis zu meinem Wunschgewicht auslaufen lasse. Zum Zeitpunkt dieser Niederschrift, Ende Oktober, hat das alles wunderbar geklappt und ich wähne mich stabil knapp unter 70 Kilo, auch die taillierten Hemden passen wieder. Und die zu eng gewordenen Hosen ebenfalls, alles sehr schön.

Im Oktober bin ich nochmals spontan unterwegs, diesmal nach Berlin zur Friedensdemo, ein medial wenig beachtetes und erstaunlich schlecht besuchtes Ereignis, das ich mit einem Aufenthalt bei Tochter H. und einem Besuch in Hamburg bei Sohn M. kombiniere. Auch das ist an anderer Stelle schon beschrieben.

Rundwebrahmen

In den letzten drei Wochen, es geht auf den Winter zu, wird es wieder ruhiger bei mir. Neben der Arbeit am Dome, der mich wie immer zuverlässig aktiv hält, liegen bei mir einige kleinere Basteleien, überwiegend aus dem textilen Sektor, herum. Der Einfluss von Tini macht sich bemerkbar. Es geht mir gut damit.

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Wenn alles geklappt hat, lest ihr diesen Text am 1. November, einen Tag vor meinem Geburtstag. Das soll auch in den nächsten Jahren so bleiben. Wenn schon Jahresrückblicke und wenn schon nicht an den kalendarischen Jahren orientiert, dann doch wenigstens an den Lebensjahren. Kommt mir wie ein guter Plan vor.

Jahresrückblick 2023

Die Idee hinter dem vorgezogenen Jahrerückblich war, Euch die wenig unterhaltsame Schilderung der Jahresendzeitdepression gleich zu Beginn des Beitrags zu ersparen. Das wird zumindest in diesem Jahr nicht gelingen, zum einen weil ich hier, entgegen der behaupten Absicht, gleich mal damit einsteige, dass ich anscheinend in diesem Jahr meine Jahresendzeitdepression deutlich vorziehe. Mein gegenwärtiges Aktionslevel ist niederschmetternd niedrig.

Und genug davon, Ende des depressionsbezogenen Klagens.

Zum anderen wird es hier wenig unterhaltsam, weil das Jahr es nicht war, so gar nicht. Im Fogenden wird das unangenehm deutlich und selten war ich so unsicher, ob ich einen Text veröffentlichen sollte.  Den Ausschlag zur Veröffentlichung gab letztendlich so etwas wie der Wunsch nach Vollständigkeit, es wäre doch schade, wenn im Sammelalbum meines Lebens ein paar entscheidende Kapitel fehlen. Auch wenn sie etwas dunkel sind. Da müssen wir halt gemeinsam durch.

Zur Erinnerung, der letzte Jahresüberblick endet mit mir in der Strahlentherapie, vorsichtig optimistisch in Bezug auf die bevorstehende Heilung und die unvermeidlichen Nebenwirkungen. Womit ich, Spoiler, durchaus richtig lag, wie die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen zeigen. Dennoch, der Dezember des Jahre 2022 hat mich zerlegt (nachzulesen hier), danach lag ich ein paar Monate in Teilen herum und  habe mich bis heute nur unvollkommen wieder zusammengesetzt. Weniger dramatisch ausgedrückt bin ich vielleicht einfach nur in meinem wahren Alter angekommen und all die Jahre davor, in denen ich mich überwiegend gesund und vergleichsweise jung fühlte, waren das Geschenk eines günstigen Schicksals, guten Karmas oder guter Gene.

Im Januar finde ich mich also in der Reha zur Prostatakrebs-Bestrahlung wieder, die nun aber auch die Folgen eines Herzinfarkts und zweier Stent-Operationen lindern soll. Wie gut das gelingt, will ich nicht beurteilen, denn drei andere Themen drängen sich tageweise und mit wechselnder Intensität in den Vordergrund. Später werde ich noch darauf eingehen, als Psycho-Themen ziehen sie sich durch den Rest des Jahres, Kraft gesaugt haben sie während der Reha sehr, möglicherweise auch deren Erfolg beeinträchtigt.

Um die Hardware-Schäden schnell abzuhandeln, Prostata und Herz werden regelmäßg von Spezialisten gecheckt und alles ist in einem erwartbaren Rahmen. Dennoch ist meine Leistungsfähigkeit gegenüber dem Vorjahr eingeschränkt und es fühlt sich so an, als würde das auch so bleiben beziehungsweise altersbedingt  abnehmen. Bei den Hardware-Schäden mitzudenken ist immer auch die Gehbehinderung durch den Archillessehnenriss links. Ich komme nur deshalb bei schnellem Laufen nicht außer Atem, weil ich gar nicht schnell laufen kann. In der Folge, vermute ich, wird auch das rechte Bein nicht ausreichend trainiert, seit dem Oberschenkelbruch vor rund zwei Jahren ist es deutlich weniger belastbar. Aber, trotz aller Einschränkungen, noch geht alles alleine und das aufzuschreiben ist schon ein erster Hinweis darauf, dass die Gedanken schon manchmal bei einer Zeit sind, in der das nicht mehr so sein wird.

Die Hardware zeigt also deutliche Abnutzungserscheinungen. Damit nicht genug, die Software ist ebenfalls ziemlich buggy. Als Meister der subtilen Überleitung komme mit dieser flappsigen Bemerkung zu den bereits angekündigten ganz und gar nicht flappsigen Psycho-Themen, denn die sind letztlich alle nur Variationen eines großen Themas, dem Sterben.

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Anlass, sich über das Sterben Gedanken zu machen, gab es genug. Als Helen Anfang Dezember starb, kam das für den Rest der Familie gänzlich unerwartet.  Wie um zu beweisen, dass auch ich „unerwartet“ kann, bekomme ich zwei Tage später einen Herzinfarkt und drei Tage später einen Stent gesetzt, die Strahlenbehandlung muss ich während der kurzen Nach-Überwachungszeit nicht unterbrechen, sie findet im gleichen Krankenhaus nur drei Stockwerke tiefer statt. Als Unterstützung für die Kinder, unsere gemeinsamen, nun erwachsenen Kinder, falle ich komplett aus, selbst meine eigene Trauer ist mir in dieser ersten Zeit nach ihrem Tod nicht zugänglich. Zu beansprucht bin ich von Strahlenbehandlung und physischem Herzleid, alles was ich möchte ist dasitzen, vor mich hin schauen und heilen.

Tatsächlich komme ich erst sehr viel später im Jahr dazu, meiner Trauer etwas mehr nachzuspüren, sie zu empfinden und zu durchleben. Im August besuche ich meinen Sohn und dessen Familie in Hamburg, wo auch Helen lebte. Im Rahmen dieses Besuchs schauen wir viele Bilder von Helen an, sprechen über sie und besuchen auch ihr Grab. Würde sie leben, hätten wir uns in diesen Tagen sicherlich getroffen; erstmals wird ihr Fehlen „wirklich“.

Wieder zuhause besucht mich meine Tochter für ein paar Tage, auch sie hat Fotos, Erinnerungsstücke und Fragen zu Helen im Gepäck. In den Gesprächen mit ihr bemerke ich in mir einen Differenzierungsprozeß, Trauer hat verschiedene Seiten, kommt mal tränenreich sentimental daher, mal resignativ bedauernd, manchmal mit Beimischungen früherer, auch schwieriger Gefühle ihr gegenüber. Alte Liebe und alte Kränkung kommen Hand in Hand. Ungelebte Chancen zeigen sich im Rückblick genauso klar wie unerfüllbare Erwartungen.

Vor wenigen Tagen wäre Helens 63. Geburtstag gewesen und bildete den Anlass, in Gedanken für einige Zeit bei ihr zu sein. Noch immer gibt es neue Facetten in diesem Gedenken, dennoch, es fühlt sich an, als sei zuende getrauert. Sie fehlt, aber ihr Fehlen schmerzt nicht mehr.

Ein anderes Ergebnis des Tochterbesuchs: es gibt jetzt endlich eine Patientenverfügung. Nach einer über einjährigen Pause, in der „eigentlich“ schon alles vorbereitet und vorgedacht war, es fehlte wirklich nur noch die Umsetzung  (ein paar Haken im Onlineformular, ausdrucken, unterschreiben) und – hier Auftritt der Tochter – jemand, dem die Aktion wichtig ist. War sie ihr, es gab eine dringende Bitte zum Termin X …, und done! Es kann so einfach sein.

Wie überhaupt, schon während des Jahres hatten wir verschiedene Telefongespräche, in denen wir durchgingen, was so alles schwierig werden kann, wenn ein nahestehender Mensch stirbt; meint: ich. Dabei hatten wir durchaus unsere emotionalen Momente, sind aber auch in der Sache vorangekommen. Meine wesentlichen Wünsche sind mitgeteilt. In Stichworten: Feuerbestattung, Friedwald, Erbverteilung. Selbst so praktische Dinge wie der Geräte- und Kontenzugang, jeweils off- und online, wurden besprochen. Mit all dem bin ich sehr zufrieden, solche Gespräche nehmen die Schwere aus dem Thema und führen zur Akzeptanz. Drüber reden hilft, selbst beim Sterben.

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Ein weiteres großes Thema war die Demenz meiner Mutter, die mir wie eine unnötig in die Länge gezogene Variation des Sterbens vorkommt. Was ich so nicht schreiben würde, wenn ich nicht irgendwann bei mir bemerkt hätte, dass ich um sie trauerte. Vergangenheitsform, der Zustand dauerte nicht lange an und fiel in die Zeit der Reha, in der ohnehin alles geballt stattfand, was ich Euch hier halbwegs sortiert erzähle. Es war, es ist, als sei sie gestorben.

Mich in ihre Demenz einzufühlen gelingt mir nicht. Zumindest nicht im Sinne eines Mit-Leidens, auch hier eher abstrakt und, nun, wertend. Demenz ist der ultimative Move aus der Auseinandersetzung und der Beziehung heraus, hinein in eine Welt, die nur ihrer Interpretation folgt. Was wahr und was erfunden ist, kann und muss nicht mehr unterschieden werden. Sie hätte dies Unschärfe auch wesentlich früher in ihrem Leben zu schätzen gewußt.

Die Demenz meiner Mutter wurde lange nicht erkannt, vielleicht auch nur verleugnet. Anfang des Jahre wurde deutlich, dass sie nicht mehr alleine in ihrer Wohnung sein könnte. Da die Beziehung zu meiner Mutter immer schwierig und niemals wirklich liebevoll war, war ich nicht bereit, die Verantwortung für sie zu übernehmen und bestand darauf, dass ein gesetzlicher Betreuer eingesetzt werden müsste. Bis zur Benennung einer Betreuerin dauerte es mehrere Monate, in dieser Zeit blieb ich gezwungenermaßen Ansprechpartner Nummer Eins für Nachfragen bezüglich ihres Verbleibs, die ich regelmässig nicht beantworten konnte.  Schmerzhaft deutlich wird auch, wie dysfunktional die Restfamilie ist, der Umgang miteinander ist – in der schwächstmöglichen Formulierung – unfreundlich und kontraproduktiv. Die Auseinandersetzung damit verschwendet unnötig viel Kraft, die ich an anderen Stellen sehr gebrauchen könnte.

Mir, und auch der irgendwann dann eingesetzten gesetzlichen Betreuerin, war von Beginn der Misere an klar, dass Mutters Wohnung aufgelöst und verkauft werden müsste. Insgesamt dreimal war ich, zum Teil mehrere Tage, in der Wohnung um Papiere zu sichten und Erinnerungsstücke zu entnehmen. Jeder dieser Besuche brachte Photoalben oder Schriftstücke zutage, die bewahrenswert sind. Insbesondere beim letzten Besuch, gemeinsam mit meiner Tochter, fanden wir nochmals alte Urkunden aus einer Zeit, als meine Mutter genealogische Nachforschungen betrieben hat. Im Ergebnis habe ich nun Kisten voller Zeugs bei mir herumstehen, von dem ich nicht weiß, wohin ich damit soll. Vieles davon könnte digitalisiert werden, ich habe auch schon damit begonnen, letztlich ist das aber aufwändiger, als ich zunächst dachte. Seit mehreren Wochen (hoch einstellig) steht das Zeug nun unangetastet herum und wartet auf weitere Entscheidungen meinerseits.

Emotionen bezüglich meiner Mutter sind mir kaum zugänglich, vielleicht auch wirklich nicht vorhanden. Ins Leiden kam ich immer nur, wenn von außen die Erwartung an mich herangetragen wurde, dass ich etwas für sie zu fühlen und in der Folge auch zu entscheiden hätte. Seitdem die gesetzliche Betreuerin eingesetzt ist und ich meine Mutter gut untergebracht weiß, beschäftigt sie mich wenig. Oder nur auf eine sehr abstrakte Weise. Ich schaue mir die Fotos aus der Zeit an, als ich noch nicht geboren war, und habe Phantasien darüber, wer diese Elternmenschen waren, damals. Oder spätere Fotos, die den Übergang in eine Zeit zeigen, die ich irgendwann dann auch miterlebte. Nachfragen kann ich nichts mehr, ich bin ganz frei, mir Geschichten auszudenken.

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Mir ist danach, den Text an dieser Stelle kurz zu unterbrechen. Schon jetzt ist dieser Jahresrückblick nicht unbedingt ein Gute-Laune-Text, aber ab hier wird es düster. Empathiebegabte Menschen werden nach dem Lesen traurig sein. Ganz ehrlich, Ihr müsst Euch das nicht geben. Wenn Alter, Krankheit und Tod gerade nicht in Euren Tag passen, dann solltet Ihr jetzt aufhören zu lesen und später wiederkommen. Oder gar nicht. Aber natürlich könnt Ihr auch einfach Jahresrückblick 2023 weiterlesen

Jahresrückblick 2022

Der letzte Jahresrückblick endete mit der Überlegung, ihn vorzuverlegen, weil dann die Jahresendzeit-Depression schon so schön lange herum ist, wenn er geschrieben wird. Nun, ich denke der beste Zeitpunkt für den Jahresrückblick 2022 ist JETZT. Wir haben Mitte Oktober …, nein haben wir nicht, es ist Mitte November und dieser Text hat unerwartet lange bis zu seiner Fertigstellung gebraucht. Also nochmal als ob es nicht so genau darauf ankäme, wir haben Mite Oktober, ein Meilenstein in meinem Dome-Projekt (das Wintergartendach) ist leicht verspätet abgeschlossen und die winterliche Zwangsentschleunigung kündigt sich tageweise schon an. Lasst uns zurückblicken, wenn’s am schönsten ist.

Und gleich schwierig einsteigen, denn anscheinend ist der Januar 2022 weitgehend ausgefallen. Zumindest gibt es kaum Bilder aus dem Zeitraum, dreizehn zu drei Motiven. Einmal war ich frühstücken im Januar, die Bilder beweisen es, und einmal habe ich mir Moos genauer angeschaut.

Aber im Februar fing das Jahr an. Oberflächlich betrachtet mit etwas Unangenehmem, der Wind wehte mir die Abdeckung von meinem Lieblingsbauprojekt und ich war gezwungen, sie zu erneuern. Zur Erinnerung, es ist der sechste Monat seit meinem Unfall, danach war ich auf keiner Leiter mehr und auch noch nicht auf dem Dach, von dem ich stürzte. Nun ging kein Weg daran vorbei. Nach ersten, vorsichtigen Versuchen war ich mir sicher, dass ich die Arbeit alleine erledigen konnte und tat das auch. Die Bilder zeigen mir, dass ich darüber hinaus mehr machte und es besser machte, als zwingend notwendig war. Letztlich hatte der Wind mir einen Gefallen getan und mich zurück ins Tätigsein gezwungen.

Im nachhinein betrachtet war das Jahr ab diesem Moment ein Selbstläufer, immer gab es etwas zu tun, immer war irgendwas los oder gab es etwas zu bedenken. Vieles davon ungeplant und der jeweiligen Tageslaune geschuldet, wenn auch selten an nur einem Tag erledigt. So bekam ich noch im Februar genügend OSB-Platten – eigentlich die auseinandergeschlagenen Transportboxen von wirklich großen Maschinen – geschenkt, um damit einen provisorischen Boden in meinem Liebligsbauprojekt zu legen. Geplant zwei Tage, gebraucht vier.

Im März beschließe ich, den Steg abzureißen, dann beschließe ich, die zum Wiederaufbau geeigneten Teile zu lassen, dann beschließe ich, ihn um die Metallteile zu ergänzen, die einen Wiederaufbau leicht machen werden, und dann beschließe ich, ihn einfach wieder aufzubauen, provisorisch. Das geschieht an Tagen, an denen es passt.

Denn manchmal ist auch anderes angesagt. Ich beginne mit meiner Tochter zusammen die Renovierung eines ehemaligen Wagenanbaus, der dann als Gästezimmer dienen soll. Die Idee beschäftigt uns, und manchmal auch nur mich, dann im Laufe der nächsten Monate zu verschiedenen Bauphasen tage-, oder auch mal wochenweise. Anfang Juni sind wir damit durch.

Ebenfalls im März beginnt auch am Wagenplatz ungeplant etwas Neues: gemeinsame Geländepflege. Angefangen hat Z. mit drei Bäumen, die schon lange gefällt gehörten, die wir dann zu dritt zerlegten und einlagerten. Gut für das Gelände und Holz für den Winter, win-win. Aus der Lust an der Aktion heraus kamen als nächstes einige zugewucherte Geländeteile dran, die von der Natur zurückerobert wurden. Wiesen wurden gemäht und es gab eine neue Gemeinschaftsfeuerstelle. Blümchen wurden gepflanzt und auf dem Parkplatz der Wiesenstreifen am Haus gepflegt. Die Lust Unkraut zu beseitigen setzte sich im Sommer im Pool fort. Durch lange und fortgesetzte Bemühungen – wirklich, das ging über Monate – gelang es uns, eine wuchernde Wasserpflanze, die andernorts ganze Gewässer zum Verlanden bringt, zurückzudrängen. Und so ging es weiter, viel Kleinkram, mal alleine, mal mit anderen zusammen. Hat jedem der Beteiligten gut getan, mal wieder ein ganz, ganz kleines „Wir“ zu spüren.

Im April fing ich dann auch wieder mit den Arbeiten rund um den Dome an. Die Einzelheiten erspare ich Euch, dafür gibt es das Bautagebuch an anderer Stelle, hier sei nur gesagt, dass im Laufe dieses Jahres Dome und Terasse fertig überdacht wurden.

Und noch etwas begann im April, eine ganz unerwartete Erfolgsgeschichte, der Start meiner WSMDEDGT-Monatsüberblicke. Der Großbuchstabentitel ist nicht von mir, andere Blogger sammeln unter diesem Titel ausführliche Tagesbeschreibungen jeweils am fünften des Monats. Gefühlt käme bei mir gar nicht viel heraus, so aus einem Tag, zu wenig, zu einseitig oder sonstwie unzulänglich. Aber dachte ich mir, vielleicht könnte ich ja mal einen Mustertag zusammenstellen, repräsentativ kombiniert aus dem Tun mehrerer Tage, sagen wir, den ersten fünf des Monats. Sozusagen die depressionsbereinigte Variante meines Lebens, in der ich die krankheitsbedingte Entschleunigung über den Zeitstrahl herausrechne. Also begann ich mit meinen Notizen zu den Tagesaktivitäten. Nach fünf Tagen war mir das immer noch nicht genug (obwohl?!), aber auch eindeutig nicht „nichts“. Den depressionsbereinigten Mustertag habe ich dann nie geschrieben, mir kam die Idee bei näherer Betrachtung unehrlich vor, ungefähr so, wie bei Instagram nur die guten Bilder zu posten. Aber die Entdeckung war gemacht, dass es mir gut tut, zwei Tage, eine Woche, einen Monat zurückzublicken und zu sehen, was ich in dieser Zeit getan habe. Deswegen habe ich weiter gemacht, bis heute.

Und weil Ihr nun wirklich jeden einzelnen Tag im letzten halben Jahr meines Lebens nachlesen könntet (selbst dran schuld, wer das wirklich will), erlaube ich mir ab hier, das strenge chronologische Konzept aufzubrechen und mehr auf die überspannenden Themen des Jahres einzugehen.

Irgendwie muss Produktivität in den letzten Jahren ein Thema für mich geworden sein. Ich zitiere mich selbst aus dem letzten Jahresrückblick: „Zum Zeitpunkt, da ich diese Zeilen schreibe, blicke ich auf diesen Sommer als einen zurück, in dem ich so produktiv und ausgeglichen wie selten zuvor einfach vor mich hin arbeitete. Die Baustelle strukturierte meine Tage, stellte Anforderungen physischer und gedankliche Art, machte mich zufrieden.“ Das könnte ich für dieses Jahr genauso schreiben und bin damit sehr einverstanden. Dennoch erinnere ich gut, wie kritisch ich Menschen gegenüberstehe, die Produktivität – oft als einzige Stütze des eigenen Selbstwertes – überbewerten. Deswegen muss an dieser Stelle kritisch vermerkt werden, dass sich mein Leben an anderen, ebenso wichtigen Stellen immer noch sehr löchrig anfühlt.

Warum mir in den letzten Jahren gelang, was in anderen Phasen meines Lebens eher schwierig war, hängt mit dem zusammen, was ich Krafteinteilung nenne. Ich bin mir meiner begrenzten Kräfte bewußt und hüte mich vor jeder Selbstüberforderung. Ich bin genau so lange aktiv, wie ich das sein möchte. Und keinen Moment länger. Notwendige Ausnahmen, z.B. weil für den folgenden Tag Regen angesagt ist und die Arbeit auch dann keinen Abschluss findet, werden streng verhandelt. Die einzelne Tagesleistung ist mir egal, solange es mir gelingt, die Arbeit immer und immer wieder aufzunehmen. Da kann sich eine Sache, die locker an einem Tag zu erledigen ist, schon einmal vier Tage hinziehen. Oder es geht unerwartet schnell und dauert bis in die Abendstunden, einfach weil ich „im Flow“ bin. Egal wie es geht, im Fordergrund steht immer die Lust an der Arbeit und niemals das angestrebte Endergebnis.

Und wenn nichts drängt kann man, also ich, auch einfach mal eine Woche aussetzen und die unfertige Hütte auf ein Fest vorbereiten. Dafür würde natürlich auch ein einziger Tag genügen, aber, siehe oben, ich will mich ja nicht verausgaben. Und so gab es auch in diesem Jahr zwei Feste in meiner „Location“, die mir viel Spass gemacht haben. Gastgeber waren einmal A. und einmal Nachbarin C., auch das ist schön, ein Fest zu haben, ohne dafür verantwortlich zu sein. Zwei sehr schöne Wochenenden für die ich mich bedanken muss.

Ein anderes Jahresthema – bisher im Blog nur angedeutet – war das Online-Dating. Dazu gibt es viel mehr zu erzählen, als im Rahmen eines Jahresrückblicks Platz hat. Zwischendrin hatte ich sogar mal eine Artikelserie geplant.

Los ging das im April, ich hatte J. gebeten, ein paar vernünftige Profilbilder von mir zu machen, die dann auch gut genug waren, um Interesse an mir zu wecken. Seitdem habe ich drei Frauen getroffen und hatte Kontakt mit etlichen mehr. Auf eine überraschende Weise erwähnenswert scheint mir, dass diese Anbahnungsversuche emotional berührend und auch anstrengend sind. Deswegen sind sie – wenn auch vom Ergebnis her betrachtet erfolgslos – keineswegs vertane Zeit. Es hat mir gut getan, mich mal wieder emotinal zu erleben und zu sehen, in welche Richtung die Phantasien so gehen. Was fehlt mir? Was fehlt dem Gegenüber? An welchen Stellen in der Kommunikation setzen – im Guten wie im Schlechten – die Projektionen ein? Womit sind wir zu locken und was ängstigt uns? Wie gehen wir mit unseren wunden Punkten um? Was interessiert uns am anderen? Jede Befragung wird auch zur Selbstbefragung. Oder kann das werden, wenn man gestrickt ist, wie ich es bin. Kurz, Online-Dating kann auch ein faszinierendes Werkzeug zur Selbsterforschung sein. Wer daran Spass hat dated nie umsonst.

Sehr interessant auch: der Blick von außen. Besser: der imaginierte Blick von außen. Was denke ich, denkst Du über mich? Sich selbst mit anderen Augen sehen, die ja doch nur wieder die eigenen sind. Kopfkino vom feinsten, jedes Genre wird bedient, von Horror bis RomCom, alles ganz von der jeweiligen Tagesform abhängig.

Oder vielleicht auch von der Monats- oder Jahreszeitenform. Der liebenswerte Blick auf mich selbst, im Frühjahr und Sommer ganz klar gegeben, fällt mir zum Jahresende schwer. Ich würde mich nicht wollen. Bei allem Spass an der Emotion und der Selbsterforschung, Online-Dating ist gerade wieder abgesagt. „Liebenswert“ kommt in der Selbstbeschreibung gerade nicht vor und dann kann das auch mit der Liebe nichts werden. Gar nicht erst probieren, gleich sein lassen.

Das ist jetzt nicht die Überleitung ins jahreszeitlich bedingte Tief, oder, ja auch, aber man muss das differenzieren …, also …, besonders „bestimmend“ im letzten Jahresquartal war die Prostatakrebs-Diagnose. Die ist nur ganz schwer mit jeder Sorte Liebelei zusammenzudenken und verschiebt die Prioritäten.

Die technische Seite dazu ist beschrieben, der dazugehörige Verarbeitungsprozeß weniger. Möglicherweise deswegen, weil er der Selbstwahrnehmung schwer zugänglich ist. Auf eine paradoxe Weise scheint er im Rückblick einfacher und trotzdem immer „vorläufig“.

Über die verschiedenen Diagnose-Schritte dauert es eine Weile, bis aus der Wahrscheinlichkeit eine Sicherheit wird. Das könnte den Impact etwas abfedern, aber mir war eigentlich vom ersten Gesichtsausdruck des CT-nachbesprechenden Arztes klar, das die Frage nicht „ob“ sondern „wie schwer“ lautete. Entsprechend früh konnte ich mit der Verarbeitung beginnen.

Anfangs war ich an manchen Tagen recht langsam und „verträumt“, später kam schlechte Laune an den Tagen hinzu, die ich mich aktiv mit dem Thema beschäftigen musste. Im Moment befinde ich mich irgendwo zwischen Abfinden und Hoffnung. Die Hoffnung scheint begründet, immerhin kommen im Befund auch Worte wie „heilbar“ vor. Abzufinden habe ich mich mit Vielem. Neben dem subjektiv deutlich näher gerücktem Lebensende vor allem und immer wieder mit den zahlreichen und Risiken und Nebenwirkungen, die jede der vorgeschlagenen Behandlungen mit sich bringt. Es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera zu treffen, die Wahl zu verweigern ist keine Option.

Noch einmal schwieriger ist das, wenn man sich, so wie ich, gegen eine bestimmte Zusatz-Behandlung entscheidet. Da will gut abgewogen werden, vor sich selbst und auch vor anderen. Um dann, bei aller vorgeschobenen Rationalität, doch nach Gefühl entschieden zu werden. Habe ich durch, war nicht einfach, ich mach‘  das nicht.

Gegenwärtig bin ich täglich zur Bestrahlung, die Behandlung zieht sich über sechs Wochen und wird kurz vor Weihnachten beendet sein. Im neuen Jahr geht es dann noch einmal in die Reha und wenn alles gut geht ist nochmal alles gut gegangen. Ich will nicht vorgreifen aber bin vorsichtig optimistisch. Auf Wiederlesen im Neuen Jahr.

 

 

Jahresrückblick 2021

Fast schon traditionell (aber weniger gewollt, sondern einer verunglückten Biochemie zu verdanken) geschieht in den ersten Monaten des Jahres bei mir nur wenig. Und so ist es durchaus erwähnenswert, dass im Januar ein Projekt seinen Abschluss gefunden hat, das ich schon im Winter davor begonnen hatte, das Einlesen und veröffentlichen des Zendo-Tagebuchs. Seitdem liegen die Tagebücher mit den Aufzeichnungen der beiden folgenden Zendo-Aufenthalte auf dem Schreibtisch, vielleicht gibt es diesen Winter die Fortsetzung.

Auch der Holzschuppen hat immer mal wieder eine „Fortsetzung“, sprich Erweiterung, erhalten. In diesem Februar war eine schon lange angedachte Veränderung dran, das Einfügen einer zweiten Zwischenwand. Dadurch entstehen drei voneinder unabhängig zu befüllende Abteile, die jeweils das Holz eines Jahres enthalten. Im Ergebnis habe ich nun also immer Holz am Start, das mindestens zwei Jahre abgelagert ist.

Holzschuppen

Um das neugeschaffene Abteil zu befüllen, aber auch um Licht zu bekommen, wird zunächst die Weide gefällt. Im März folgt dann die Esche.

Der April ist bei mir meistens eine Zeit des Übergangs. Einerseits hängt mir noch der winterliche Trübsinn in den Knochen, anderseits beginne ich innerlich mit den metaphorischen Hufen zu scharen. Zudem verändert sich auch der Charakter der potenziell auszuführenden Tätigkeiten. Das lässt sich recht schön an meinem Dome-Projekt zeigen. Denn natürlich habe ich im bereits geschilderten ersten Vierteljahr auch im und am Dome gearbeitet. Aber es geschahen Dinge, die nicht zwingend dran waren und jederzeit ohne Verlust hätten unterbrochen werden können. Genannt sei hier nur das teilweise Stellen des Holzgerüstes für den zukünftigen Wintergarten.

Sobald die Tage wieder etwas wärmer werden, gelingt es mir, mich wieder den größeren Dingen und Notwendigkeiten widmen. Planvolles und gelegentlich langwieriges Handeln wird möglich. In diesem Jahr war das (gut dokumentiert an anderer Stelle) das Aufbringen der zweiten Schale auf den Dome und das anschließende „decken“ mit LKW-Plane. Kurz, im April entstehen die Pläne für den Sommer.

Und dann, Trommelwirbel, vier, drei, zwei, eins … ist Ben Henri Otis geboren, zu einem Datum, das sogar ich mir merken kann, dem 4.3.21. Das (also nicht das Datum, sondern das Geborenwerden von Ben) macht mich zum Opa, ein Fakt, dessen Bedeutung das ganze Restjahr braucht, um einzusickern. Konkret ändert das Opa-sein in meinem Leben ersteinmal nichts. Da mein Enkel mit seinen Eltern in Hamburg lebt und Corona noch immer eine Bedrohung darstellt, kann ich ihn nicht zeitnah zur Geburt besuchen. Es werden grob geschätzt viereinhalb Monate vergehen, bis ich ihn Ende Juli, dann mit vollem Impfschutz, zum ersten Mal sehen kann.

Was noch geschieht: Tomaten werden gesetzt und verfrieren, das ist noch nie passiert. Später lese ich, es sei der kälteste April seit 1980 gewesen.

Und auch die erste Maihälfte bleibt unterkühlt, am 5. Mai werfe den letzten vorrätigen Brikett in den Ofen, bis Mitte Mai verfeuere ich Holz. In Bezug auf die Arbeiten am Dome fühle ich mich ausgebremst, denn es ist nicht nur kühl, sondern auch feucht. Ich aber brauche trockene Tage, bevorzugt mehrere in Folge.

Um es vorwegzunehmen, der Sommer bleibt feucht und das Auflegen der zweiten Schale wird sich bis Mitte Juli hinziehen. Interessanterweise finde ich in der Stichwortsammlung für diesen Jahresrückblick  für den Juni den Eintrag „Motivationsloch Dome“. Nicht nur erinnere ich nichts davon, ich erinnere mich gegenteilig. Zum Zeitpunkt, da ich diese Zeilen schreibe, es ist Anfang Dezember, blicke ich auf diesen Sommer als einen zurück, in dem ich so produktiv und ausgeglichen wie selten zuvor einfach vor mich hin arbeitete. Die Baustelle strukturierte meine Tage, stellte Anforderungen physischer und gedankliche Art, machte mich zufrieden. Und falls ich da gerade irgendetwas verkläre, lasse ich es gerne dabei.

Im Leben neben der Baustelle bekomme ich die Sockel für Zahnimplantate gesetzt und beende die letzte meiner Therapien. An beidem, dem Zahnersatz und der Lebensschau, wird weiter zu arbeiten sein. Und ja, es könnte spannend sein, diese Metapher zu reiten bis sie hinkt, aber hier und heute spare ich mir das.

Ebenfalls „beendet“, also vorläufig, also nicht, die Meditationsgruppe. Seit 2019 von mir vergleichsweise regelmäßig besucht, im Winter 2020 coronabedingt geschlossen, dann in diesem Jahr irgendwann wieder geöffnet. Im Juni finde ich mal wieder den Weg dorthin, alles ist, wie es immer war, warum sollte es auch anders sein. Ich bin wage unzufrieden, nicht zum ersten Mal. Die innere Auseinandersetzung, ob ich zu dieser Gruppe passe, führe ich mit mir, seit ich sie besuche. Weiter ausführen werde ich das nicht, aber es gibt ein Marx-Zitat (Groucho, nicht Karl), das einen Teil des Problems gut fasst: „Ich mag keinem Club angehören, der mich als Mitglied aufnimmt.“

Im Juli wird der Dome „eingeweiht“, ein großes Geburtstagsfest wird darin gefeiert. Ein Freund der Nachbarin hatte angefragt, ob der Dome bei Regen für das eigentlich draußen geplante Fest genutzt werden dürfte. Nach kurzer Überlegung sind wir dann dabei herausgekommen, gleich alles bei mir und im Dome zu planen. Gute Entscheidung, ich hatte einen Abend, wie schon Jahre nicht mehr. Seit dem Archillessehnenriss hatte ich nicht mehr getanzt, war auch nicht sicher, ob das überhaupt gínge. Nun, es ging, sogar ausgesprochen gut.

Gehören in einen Jahresrückblick auch Dinge, die man nicht getan hat? Im Juli fällt die Entscheidung den Urlaub abzusagen. Eigentlich wollten Freund J. und ich im August für 14 Tage nach Ungarn zu einer Freudin von ihm. Danach hätten sich unsere Wege getrennt, er nach Kroatien, ich für eine weitere Woche in die Hauptstadt zur Städtetour. Der Plan wird unsicher, als J. Herzrhythmusstörungen bekommt  und nicht sagen kann, ob er reisefähig sein wird. Auf meiner Seite wird klar, dass ich meine für dieses Jahr geplanten Bauvorhaben nicht werde abschließen können, wenn ich mir zwischendrin drei Wochen Urlaub nehme. Beides zusammen führt zu dem Beschluss, den Urlaub abzusagen.

Umso entspannter starte ich Ende Juli für eine Woche nach Hamburg um erstmals mein Enkelkind zu sehen. Das ist emotional so spannend, wie unspektakulär im Verlauf. Sich zu einem vier Monate alten Menschen  in Beziehung zu setzen, ist ja …, ähm, von der Wortwahl her schon viel zu verkopft. Ich wollte ihn sehen, wollte ihn halten, mich überzeugen, dass alles dran ist und es ihm gut geht. So Zeug, wofür es nicht wirklich ein Großhirn braucht. Das In-Beziehung-setzen kommt später. Bis dahin ist der Enkel in den fähigen Händen von Sohn und Schwiegertochter bestens aufgehoben, auch das zu sehen ist schön.

In Hamburg selbst war ich nur einen Tag zur Kentridge-Ausstellung. „Kentridge verarbeitet Themen wie soziale Ungerechtigkeit, die Geschichte Südafrikas, Kolonialismus, Familie, Flucht und Vertreibung mit den unterschiedlichsten Medien.“ Eine Ausstellung, die mich gefordert hat, wie seit langem schon keine mehr. Ich bin ja kein „Auskenner“, mehr so der „Gucker“, ein Sammler zufälliger Eindrücke. Nun, Kentridge beeindruckt, aber er ist nicht gefällig. Selten war es so gut, wie in dieser Ausstellung, sie alleine zu besuchen. Manches zunächst nur überflogen, zugunsten dessen, was nebenan schon interessanter schien. Und dann, am Ende der Ausstellung nocheinmal von vorne begonnen, diesmal langsam und mit ein wenig Verständnis mehr. So etwas geht alleine am besten.

Im Anschluss an Hamburg ging es für drei Tage nach Hummelfeld, liebe Ex-Nachbarn besuchen. Das Highlight des diesjährigen Besuchs war der Tagesausflug nach Flensburg. Nichts spektakuläres, einfach ein angenehmer Tag an einem Ort, der nicht zuhause ist.

Wieder zuhause arbeite ich den ganzen August hindurch an meinem Bauprojekt bis ich am 30.8.  vom Dach falle und mir den Oberschenkel zwei Mal breche. Einen Tag später werde ich operiert und bekomme einen Marknagel mit Gelenkkomponente eingebaut.

Ich genese in kleinsten Schritten, zunächst noch im Krankenhaus, später in der Teilbelastungs-Reha, wo ich übe, auf Krücken zu gehen. Schließlich werde ich am 18. September nachhause entlassen. Es folgt eine Zeit großer Langeweile bis ich am 12. Oktober in die Vollbelastungs-Reha darf. Dort perfektioniere ich das Laufen auf Krücken und mache erste, unsichere Schritte auch ohne sie. Die Zeit in den Kliniken ist hier im Blog schon gut dokumentiert. Anfang November werde ich entlassen.

Im November rutsche ich langsam in die alljährliche Winterdepression. Direkt nach der Entlassung aus der Reha ist noch alles gut, gegen Ende des Monats ist alles jahreszeitlich gewohnt schlecht. Vielleicht auch etwas schlechter, denn die Mühe, die mir das Laufen immer noch macht. macht es auch schwerer, überhaupt an einer beliebigen Stelle ins Tun zu kommen. Alles, was ohnehin schon schwer fällt, fällt nun noch schwerer. Leicht ist nur, das als Vorwand zu nehmen, sich in die Depression zurückzulehnen.

Hinzu kommt, dass die Notwendigkeit physiotherapeutischer Übungen inneren Druck aufbaut. In den letzten Jahren habe ich gelernt, zum Jahresende hin auf jedes „Ich-müsste“ so weit wie möglich zu verzichten. Und weil in dieser inneren Freiheit nichts muss, geht manches dann doch. Nun muss ich üben, da bin ich mir mit allen Physiotherapeuten einig. Unnötig zu sagen, dass mir das nicht in der notwendigen Regelmässigkeit und Intensität gelingt. Das resultierende Versagensgefühl macht Party mit der Depression während ich im Serienüberkonsum zuhause bleibe.

Im Dezember führe ich auch wieder ein Schlaftagebuch. Schon in den beiden Jahren zuvor habe ich etwa um die gleiche Jahreszeit Schlafstörungen bekommen. Es beginnt mit Durchschlafschwierigkeiten, die daraus entstehende Müdigkeit führt zu kleinen „Naps“ tagsüber und von dort ist es nicht mehr weit zu einem Zustand, in dem ich zwei bis drei Schlafphasen von jeweils zwei bis fünf Stunden willkürlich über die 24 Stunden eines Tages verteile.

Entkommen kann ich dem nur, indem ich die Wachphasen des Tages schrittweise verlängere, bis ich schließlich wieder eine große Wachphase habe, sprich tagsüber wach bin und nachts schlafe. Dabei hilft das Schlaftagebuch. Unterstützend verzichte ich auf Kaffee und senke die Schlaftemperatur. Am heutigen Silvestertag schlafe ich seit 14 Tagen wieder halbwegs normal.

Das also ist im November und Dezember geschehen: ich habe die Winterdepression mit Schlafstörungen verziert. Darüberhinaus nichts. Nichts. Mein Leben ist zum Stillstand gekommen.

<O>

Aber so soll dieser Text nicht enden. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass ich so ab April meinen Scheiß wieder zusammenbekomme und sich das Leben wieder flüssiger anfühlt. Vielleicht wäre es eine gute Idee, den Jahresrückblick jeweils von Oktober bis Sptember gehen zu lassen. Dann stünde die Depression am Anfang des beschriebenen Zeitraums und man könnte aus der guten Endsommerstimmung heraus fluffig mit ein paar Worten darüber hinweg gehen. Und zum Ende des Textes hin wird es gutgelaunt und produktiv, so wie man sich das als Leser wünscht. Ich werde darüber nachdenken.

Zum Abschluss noch ein Gedanke, der dieses Jahr als Ganzes betrifft. Es ist das Jahr, in dem ich alt geworden bin, nicht nur von außen, sondern auch von innen. Ich bin von einem älteren zu einem alten Mann geworden. Vom Vater zum Opa, wenn man so will.

Ich habe das an anderen schon zuvor beobachtet. Der Alterungsprozeß verläuft nicht kontinuierlich, es gibt Jahre in denen er sich sprunghaft beschleunigt. Die Menschen machen einen Schritt von einer Lebensphase in die nächste, spürbar, sichtbar, von außen wie von innen. Auch ich bin mal wieder einen Schritt weiter.

Jahresrückblick 2020

Dieses Jahr gibt es den Rückblick-Deluxe. Was damit zusammenhängt, dass ich ihn schon im Februar begonnen und dann in etwa zweimonatigen Abständen befüllt habe. Meistens nur mit Stichworten, gelegentlich auch mal ein Bild. Das hat den Einstieg in den Text dann sehr erleichtert.

Andererseits, so ganz deluxe dann doch nicht. Ich bin unzufrieden mit den Bildern. Ihr werdet es ja selbst sehen, von den wenigen sind erstaunlich viele schlecht. Hätte ich sie weglassen sollen? Wisst Ihr was, wir machen es uns leicht und genau keinen Kopf darum. Wer hier mitliest weiß schon lange, dass es Hochglanz nur woanders gibt. Los geht´s.

Januar

Im Moment tut ja jeder so, als hätte es vor 2020 keine schlechten Jahre gegeben. Doch, gab es. Die Schlafstörungen, die mich im Januar im Wortsinn ermüden, habe ich eindeutig aus 2019 mitgebracht. Und der Winter davor war auch nicht so prall.

Das subjektiv Gute im objektiv Schlechten war der milde Januar inmitten der Klimakrise.  Dank dessen und einer guten inhäusigen Vorbereitung konnte ich nämlich in den letzten beiden Januarwochen das geodätische Rankgerüst 2.0 aufbauen.

Februar

Der Februar ist dann wieder eine Indoor-Veranstaltung. Erwähnenswert an dieser Stelle ist eigentlich nur die Beschäftigung mit dem Arduino; das ist ein kleiner programmierbarer Schaltkreis, der gemeinsam mit einigen Sensoren und Aktoren auf einer Platine daherkommt. Das Teil vereinfacht die Automatisierung von zum Beispiel einer Gewächshausbewässerung sehr. Denn darüber denke schon seit mehreren Jahren nach, in diesem Jahr ist dann wenigstens ein Prototyp fertiggeworden.

Die Motivation, sich nochmal mit der Bewässerungssteuerung zu befassen, kam mit der Eröffnung des Makerspace in Gießen, dem MaGie. Dort gab´s an einem Abend eine kurze Arduino-Einführung (an einem anderen konnte man die Grundlagen des 3D-Drucks erlernen und irgendwann davor gab es auch einmal einen Tag der offenen Tür), verbunden mit der Einladung, die dortigen gut ausgestatteten Räumlichkeiten doch für eigene Vorhaben zu nutzen (das ist die Idee hinter dem Konzept Makerspace: Space zum Maken). Ich sah die Möglichkeit, meiner Eigenbrödelei einen zeitgemäß nerdigen Anstrich zu verpassen. Die Idee war, mir einen Wochentag herauszusuchen, an dem ich regelmäßig dorthin ginge und mein kleines Projekt weiterentwickeln würde. Doch dann kam der

März

und mit ihm die Corona-Pandemie. Die Welt wird seltsam und bleibt es für den Rest des Jahres. Eine der ersten Maßnahmen gegen die Pandemie sind die Schließungen von so ziemlich allen Begegnungsmöglichkeiten, die nicht dem unmittelbaren Lebenserhalt dienen. Dazu zählt auch der Makerspace Gießen, ich bin ausgebremst, noch bevor ich überhaupt Fahrt aufnehmen konnte.

Ab diesem Zeitpunkt übt die Spezies Anpassungsfähigkeit, mit wechselnden Ergebnissen. Der in Westdeutschland aufgewachsene Teil meiner Generation erlebt zum ersten Mal leere Regale in den Discountern. Manche Grundnahrungsmittel, Toilettenpapier und Hamster werden knapp.

Dafür nimmt der Anteil der Bevölkerung im Homeoffice exponentiell zu, ebenso die Verwendung des Wortes „exponentiell“, weil es endlich nicht mehr erklärt werden muss. Eher als ungesellig angesehene und computeraffine Menschen wie ich sehen sich erstmals evolutionär im Vorteil und …, oh, … gerade bekomme ich einen Hinweis aus der Regie „Corona“ an dieser Stelle langsam auszublenden und wieder zum persönlichen Teil zu kommen.

April

Nicht vollkommen unerwartet kommt die Trennung von A., die ihr bis hierher als „Lieblingsmensch“ kennengelernt habt. Das Trennungsgeschehen selbst war undramatisch, vielleicht weil wir nur noch vor uns selbst zugeben mussten, dass aus uns als Liebespaar zunächst ein Paar und dann ein gutes Team geworden war. Es bleibt gegenseitige Wertschätzung und die Hoffnung positiv-emotionale Restbestände in eine Freundschaft umwandeln zu können.

Ebenfalls im April: die  Reparatur des gemeinsamen Druckers. Ja, wir hatten eine gute Zeit, der Drucker, A. und ich.

Mai

Manche Dinge könnten jedem geschehen. Und dann geschehen sie mir. Ich finde das nicht richtig. Das hier zum Beispiel. Der Raum direkt neben unserem Eingangsbereich hat schon lange keine Wände mehr und auch das Dach leckt. Nun ist auch die Decke heruntergebrochen, hängt aber noch an einem Zapfen in der Ecke fest. Wie schwer kann das sein, sie kontrolliert herunterzuziehen?

Es zeigt sich: zu schwer! Bei meinem Versuch, die heruntergebrochene Decke vollständig auf den Boden zu bekommen, drückt sie die Wand zum Parkplatz heraus. Blöderweise trifft sie Z´s Auto und – Ende der Geschichte – glücklicherweise bin ich haftpflichtversichert. Dennoch, der Formalkram ist lästig und beschäftigt Z. und mich auch in den folgenden Wochen immer mal wieder.

Ungefähr zur gleichen Zeit werden mir die Nummerschilder gestohlen. Und anderen anderes. Oder auch nichts, unsinnigerweise werden die Scheiben trotzdem eingeschlagen. Eines Abends sieht Z. einen Unbekannten auf unserem Parkplatz und gemeinsam gelingt es uns, den Dieb in C´s Wagen stellen und der Polizei übergeben. Die Diebstahlsserie endet und alle Beteiligten – mit Ausnahme des Diebes – könnten zufrieden sein. Dennoch ruft diese Geschichte mehr gemischte Gefühle hervor, als ich bereit bin darzustellen.

Ach ja, auch der Staatsanwalt war nicht so ganz zufrieden, formaljuristisch folgt eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung, die im November niedergeschlagen wird. Anwaltskosten und (ein wenig) Stress bleiben bei uns.

Juni

Wenn ich durch meine Bilder gehe, scheint im Juni nicht viel geschehen zu sein. Das ist natürlich Unsinn. Nur gibt es nichts, das in diesen Jahresrückblick passt. Die Welt ist immer noch im Pandemiemodus und mir ist das immer noch weitgehend egal, weil ich es nur bemerke, wenn ich einkaufen gehe, also ungefähr einmal in der Woche. Seit Mai (und noch bis Ende September) bin ich in meiner freien und aktiven Zeit mit dem Dome beschäftigt. A. ist zweimal die Woche da und hat ebenfalls Spass an und auf der Baustelle.

Dem Wohnprojekt, in dem ich wohne, gelingt es nach langer und schwieriger Zeit, wieder einen Vorstand zu bilden. Ich bin Teil des dreiköpfigen Vorstands, was mich vielleicht mehr als alle anderen überrascht.

Juli


In mehreren kleinen Arbeitseinsätzen haben wir im Eingangsbereich einen neuen Betonsockel gegossen (schwerpunktmäßig im Juli). Ich bin noch unsicher, ob ich feiern soll, dass wir soweit gekommen sind, oder schimpfen, weil wir nicht weiterkommen. Die nächsten Arbeitsschritte sind vorbereitet und auch vorgedacht, sie müssten nur noch getan werden.

Unbedingt erwähnenswert: mir bricht ein Schneidezahn heraus, mit erwartbar ästhetischen Konsequenzen, die hier nicht gezeigt werden.  Der Bruch erfolgt überraschend und schmerzfrei, der Zahn war schon seit vielen Jahren tot und überkront. Eigentlich kein großes Ding, nur kommt es irgendwie zur Unzeit (andererseits, wann geht man mal in sich und denkt: „Ach, heute wäre ein guter Tag um einen Schneidezahn zu verlieren.“).  Der schneidezahnlose Zustand zieht sich über mehrer Wochen, nicht nur, weil die Brücke aus Kostengründen von Freunden in China hergestellt wird, sondern auch, weil meine Zahnärztin zwischendrin in Urlaub geht.

Als sie wieder da ist folgt ein großes Erneuern. Bei mir im Mund ist wenig im Originalzustand erhalten; im Oberkiefer sind alle Zähne überkront – und das schon seit 25 Jahren. Eine vorangegangene Paradontose-Behandlung hatte dann zur Folge, dass die Zahnhälse an manchen Stellen keinen Anschluss an das Zahnfleisch hatten. Oder so ähnlich. Kurz, es gab  einmal alle Kronen neu, neben dem neuen Schneidezahn. Die ganze Nummer zog sich bis September, bedeutet: im

August

war ich zahnlos in Berlin. Eine schnell und angenehm verbrachte Woche in Berlin, die an anderer Stelle schon gut dokumentiert ist. Okay, gut genug, ich habe den Beitrag an manchen Stellen immer noch im Entwurfsstadium.

Berlin 29.7. bis 3.8.2020 – Und immer noch Pandemie.

September

Schon Mitte Juli hatte ich begonnen, den Dome zu schließen, meint: OSB-Platten auf das Gerüst zu schrauben. Im September mache ich kaum etwas anderes. Ich möchte fertig werden, bevor es kühl und regnerisch wird. Und das gelingt, am 13.9.2020 kann ich diesen Arbeitsschritt beenden, die restlichen Septembertage vergehen damit, den Dome für den Winter in Folie einzupacken.

Oktober

Lange geplant und im Oktober dann endlich möglich, mein Besuch in Hamburg bei meinem Sohn und seiner Familie. Das liest sich jetzt komisch, wenn´s seine Familie ist, ist´s ja auch meine Familie. Aber vielleicht ist das noch nicht lange genug so, um sich selbstverständlich anzufühlen. Kann perspektivisch aber nur besser werden, weil ich dort im nächsten Jahr meinen ersten Enkel besuchen werde. Und wenn das kein Zugehörigkeitsgefühl auslöst, dann wird mir vermutlich in diesem Leben nicht mehr zu helfen sein.

Mitte Oktober kommt Ex-Nachbarin U. kurz vorbei und im Gespräch ergibt sich, dass Probetanzen in ihrem Tanzverein jederzeit möglich, sogar erwünscht sei, denn „da fehlen immer Männer“. Weil ich helfe, wo ich kann, bin ich also zum nächsten Termin dabei und habe auch Spass dabei. Allerdings bin ich auch gefordert, und das mehrfach. Ich sei unmusikalisch, hat man mir gesagt, damals, und bis heute neige ich dazu, dem Glauben zu schenken. Heute würde man das vielleicht als „rhythmisch herausgefordert“ bezeichnen. Andererseits habe ich mich in der Vergangenheit auf anderen Feldern als lernfähig bewiesen, warum nicht auch hier. Schwieriger ist meine – seien wir mal so unverblümt – Gehbehinderung. Wie gut sich ohne funktionierende Archillessehne Salsa tanzen lässt ist unerprobt, ich bin da neugierig. Meine Vermutung ist, dass ein paar Figuren einfach nicht gehen werden, andere vielleicht eine Spur anders aussehen und genug geht, um Spass zu haben.

Pünktlich zur zweiten Probestunde kam dann auch die Ankündigung, dass coronabedingt ab November wieder nichts mehr geht, Sachen mit Spass schon gar nicht. Ab jetzt nervt die Pandemie wirklich, zum zweiten Mal bremst sie meine zaghaften Soziallebensversuche aus. Zum dritten macht dann auch die Meditationsgruppe wieder dicht, die bis jetzt unerwähnt geblieben ist, weil ich sie seit Mitte 2019 mehr oder weniger regelmäßig besuche. Alleinsein beginnt, sich einsam anzufühlen.

November

Was im November auch so bleibt. Meinen Geburtstag verbringe ich erstmals nicht nur ohne Feier, sondern auch ohne Gesellschaft.

Den Geburtstagskuchen bekomme ich dann cirka eine Woche später von Freund J. überreicht, der ihn eigens für mich bei seiner Mama bestellt hat. Ich bin gerührt (hat er nicht gemerkt).

Es beginnt eine Zeit, in der mein Alleinsein, im Sinne von ohne Beziehung sein, eine neue Qualität bekommt. Bis Ende Oktober ist Ex-Freundin A. noch regelmäßig bei mir und auf der Baustelle aufgeschlagen. Das war gut, solange sie da war, aber an den Tagen danach ging es mir eher schlecht. Nicht so liebeskümmrig, sondern …, wisst Ihr was, ich lasse das mal bei mir, A. und genau einer qualifizierten Gesprächspartnerin. Ist ja nicht nur meine Privatsphäre betroffen, sondern tendenziell auch A.´s. Was gesagt werden kann ist, dass wir unsere Freundschaft für den Winter aussetzen und im Frühjahr weiterschauen. Im durchaus vorhergesehenem Ergebnis bin ich gerade real und gefühlt so allein, wie niemals zuvor in meinem Leben. Bitte jeden Jammerton wegdenken, das lässt sich auch ganz kühl sagen. Denn die neue Qualität des Alleinseins besteht ja nicht im Getrennt-sein vom früheren Partner, sondern darin, dass die Pandemiemassnahmen vielen Bewältigungsstrategien einfach im Weg stehen.

Dezember

Bis jetzt hat der Dezember noch nichts hergegeben, das die Beschreibung verdient. Aber eines ist in Bezug auf dieses Jahr erwähnenswert. Ich habe in Bezug auf die Ausbildung von (perpektivisch guten) Gewohnheiten Fortschritte gemacht. Die Frage, wie man denn wirklich regelmässig tut, was man gerne regelmässig tun würde, beschäftigt mich ja schon länger. Zumindest drei Dinge fallen mir ein, bei denen ich eine große Regelmäßigkeit entwickeln konnte. Vom Leichten zum Schweren.

Erstens: Duolingo. Wenn die eines drauf haben, dann Motivation. Also haben sie mir zum Zwecke des Rückblckes mal was vorbereitet. Und das nehme ich auch gerne.Die Spanischlernerei zieht sich schon seit unserem Barcelona-Trip 2018 hin. Ich lerne auf der niedrigsten Aufwandsstufe vor mich hin, eigentlich empfinde ich es kaum als lernen, sondern eher so, als würde ich nur immer besser, die richtigen Vokabeln und Strukturen zu raten. Kurz, es strengt kaum an und eine der besten Lernhilfen ist die allabendliche Erinnerung, wenn man das Lernen einmal vergessen hat. Es geht um den „Streak“, die maximale ununterbrochene Folge von Lerntagen. Es gibt genau nichts dafür, aber man möchte ihn möglichst lang.

Zweitens: Instagram – seltsam genug. Aber auch da konnte ich unerwartete Regelmäßigkeit entwickeln. Sehr, sehr viel besser als hier auf dem Blog, obwohl sich die Möglichkeit zur Zweitverwendung zumindest gelegentlich anbietet. Leider geht die Quantität etwas zu Lasten der Qualität, aber für die Herzchen bin ich bereit, Abstriche zu machen. So sehr, dass ich überlegt habe, wie sich etwas ähnliche hier auf dem Blog verwirklichen ließe. Bis ich was gefunden habe, könntet Ihr mir gelegentlich ein Herzchen in den Kommentaren lassen? Das würde mir wirklich helfen. Und Euch auch, weil´s hier dann mehr zu lesen gäbe.

Drittens: Abends die Zähne putzen. Ja, wirklich! Und das könnt Ihr jetzt wahlweise auf die lange Zeit beziehen, die ich das nicht getan habe, oder darauf, dass mir das endlich gelungen ist; oder auf beides. Knapp zehm Monate nun schon. Ich hätte nicht gedacht, dass mir das jemals gelingen könnte.

Was mir Mut macht in Bezug auf andere Verhaltensänderungen, die ich auf dem inneren Zettel habe. Von denen könnt Ihr dann im Jahresrückblick 2021 lesen.

Und ab in den Lockdown!